Familienrecht

Beteiligung der Mutter an den Verfahrenskosten im Vaterschaftsfeststellungsverfahren

Aktenzeichen  7 WF 77/16

Datum:
18.2.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2016, 1482
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG FamFG § 81, § 83 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Zur Frage der Beteiligung der Mutter an den Verfahrenskosten bei positivem Ausgang eines Vaterschaftsfeststellungsverfahrens (amtlicher Leitsatz)
2 Die Frage, ob die Mutter eines Kindes, welches im Vaterschaftsfeststellungsverfahren obsiegt hat, an den Verfahrenskosten zu beteiligen ist, darf nicht nach einem von dem konkreten Einzelfall unabhängigen Regel-Ausnahme-Verhältnis vorgenommen werden, sondern ist in jedem konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände zu beantworten (ebenso BGH BeckRS 2015, 02372 Rn. 10). (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Beteiligung der Mutter an den Verfahrenskosten kommt danach in Betracht, wenn bei dem in Anspruch genommenen Mann aufgrund besonderer Umstände berechtigte Zweifel an seiner Vaterschaft bestehen können, wobei ein objektiver Maßstab anzulegen ist. Eine Kostenbeteiligung kommt z.B. in Frage, wenn von der Mutter Mehrverkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit eingeräumt worden ist oder sonstige Umstände gegeben sind, welche bei objektiver Betrachtung Zweifel des in Anspruch genommenen Mannes rechtfertigen. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

106 F 268/15 2015-12-30 Bes AGNUERNBERG AG Nürnberg

Gründe

Oberlandesgericht Nürnberg
Az.: 7 WF 77/16
Beschluss
vom 18.02.2016
106 F 268/15 AG Nürnberg
In der Familiensache
ergeht durch das Oberlandesgericht Nürnberg – 7. Zivilsenat und Senat für Familiensachen – durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht Bayerlein, die Richterin am Amtsgericht Mahall und den Richter am Oberlandesgericht Brauner am 18.02.2016 folgender Beschluss
1. Auf die Beschwerde der Beteiligten M. S. wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Nürnberg vom 30.12.2015 in Ziff. 1 dahin abgeändert, dass der Beteiligte P. W. die Kosten des Verfahrens alleine zu tragen hat.
2. Der Beteiligte P. W. trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 344,- € festgesetzt.
Gründe:
I. Das Kind L. S., das am … von M. S. geboren worden ist, beantragte, vertreten durch die Stadt Nürnberg als Beistand, mit Schreiben vom 16.1.2015 bei dem Amtsgericht – Familiengericht – Nürnberg die Feststellung, dass es von dem Beteiligten P. W. abstamme.
In dem Anhörungstermin vom 21.4.2015 hat die Mutter des Kindes erklärt, in der gesetzlichen Empfängniszeit nicht mit anderen Männern zusammen gewesen zu sein und in der Zeit vom 1.9.2013 bis 10.9.2013 mit dem Beteiligten P. W. ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt zu haben. Der Beteiligte P. W. hat ungeschützten Geschlechtsverkehr mit der Mutter des Kindes in der Zeit vom 1.9.2013 bis 10.9.2013 bestätigt. Er hat jedoch geäußert, aufgrund des Verhaltens der Mutter während der Schwangerschaft Zweifel an seiner Vaterschaft zu hegen. Die Mutter habe die Beziehung zu ihm mit der Begründung beendet, er sei als Vater nicht geeignet. Er wisse, dass die Mutter während der Beziehung Kontakt zu anderen Männern unterhalten habe und es dabei „ernst zugegangen“ sei. Sie habe sogar einen Heiratsantrag bekommen.
Ein von dem Amtsgericht in Auftrag gegebenes DNA-Abstammungsgutachten ist zu dem Ergebnis gelangt, dass der Beteiligte P. W. mit einer Wahrscheinlichkeit von mehr als 99,99999999%, also mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit, der Vater des Kindes sei. Hierauf hat der Beteiligte P. W. die Vaterschaft mit Urkunde des Jugendamtes Bezirksamt Steglitz-Zehlendorf von Berlin anerkannt. Die Mutter hat der Vaterschaftsanerkennung mit Urkunde des Standesamtes Gilching vom 1.10.2015 zugestimmt. Das Jugendamt der Stadt Nürnberg hat als Beistand des Kindes das Hauptsacheverfahren daraufhin für erledigt erklärt. Die beteiligten Eltern haben zur Erledigungserklärung keine Stellungnahme abgegeben.
Mit Beschluss vom 30.12.2015 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Nürnberg die Kosten des Verfahrens den Eltern des Kindes jeweils zu 1/2 auferlegt. Zur Begründung hat es ausgeführt, nach Erledigung des Verfahrens entspreche es der Billigkeit, die Verfahrenskosten beiden Eltern aufzuerlegen, weil der Vater Zweifel an der Vaterschaft angemeldet habe, die er mit Kontakten der Mutter zu anderen Männern begründet habe.
Gegen die Kostenentscheidung, welche ihr am 8.1.2016 zugestellt worden ist, hat die Beteiligte M.S. mit undatiertem Schreiben, eingegangen bei dem Amtsgericht Nürnberg am 12.1.2016, Beschwerde eingelegt, mit welcher sie begehrt, dem Vater die Kosten des Verfahrens insgesamt aufzuerlegen. Sie macht geltend, dem Vater keine Veranlassung zu Zweifeln an seiner Vaterschaft gegeben habe.
Dem Beteiligten P. W. ist rechtliches Gehör eingeräumt worden. Er hat sich innerhalb gesetzter Frist nicht geäußert.
II. 1. Die Beschwerde ist gemäß § 58 Abs. 1 FamFG statthaft.
Wird in einer Abstammungssache nach Beendigung der Hauptsache durch Vergleich, Erledigung oder Rücknahme gemäß § 83 Abs. 2 FamFG nur noch über die Kosten des Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 81 FamFG entschieden, ist hierin eine Endentscheidung i. S. des § 58 FamFG zu sehen. Statthaftes Rechtsmittel gegen die isolierte Kostenentscheidung ist daher die befristete Beschwerde gemäß §§ 58 ff. FamFG (vgl. Zöller/Feskorn, ZPO, 31. Aufl., Rn. 4 zu § 58 FamFG; Rn. 7 zu § 83 FamFG).
Die Beschwerde ist auch im Übrigen form- und fristgerecht eingelegt worden. Insbesondere musste sich die Beschwerdeführerin zur Einlegung der Beschwerde nicht eines Rechtsanwalts bedienen.
2. Die Zulässigkeit der Beschwerde scheitert auch nicht daran, dass der Beschwerdewert lediglich 344,– € (rund die Hälfte der in dem Verfahren angefallenen Gerichtskosten und Gerichtsauslagen) beträgt. § 61 Abs. 1 FamFG, wonach in vermögensrechtlichen Angelegenheiten die Beschwerde nur zulässig ist, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 600,– € übersteigt, gilt nicht, weil es sich bei einem Abstammungsverfahren nicht um eine vermögensrechtliche Angelegenheit handelt und in nichtvermögensrechtlichen Angelegenheiten die Beschwerde unabhängig von dem Beschwerdewert auch dann zulässig ist, wenn sie sich nur gegen die Kostenentscheidung richtet (vgl. BGH FamRZ 2013, 1876).
3. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Erledigt sich ein Vaterschaftsfeststellungsverfahren dadurch, dass der in Anspruch genommene Mann nach Erholung eines Sachverständigengutachtens seine Vaterschaft wirksam anerkennt, ist gemäß § 83 Abs. 2 FamFG über die Kosten des Verfahrens in entsprechender Anwendung des § 81 FamFG zu entscheiden.
Nach § 81 Abs. 1 FamFG entscheidet das Familiengericht über die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen. Im Rahmen der Ermessensentscheidung kann das Maß des Obsiegens oder Unterliegens Berücksichtigung finden (vgl. BT-Drucksache 16/6008 Seite 215). Allerdings ist es im Rahmen der Ermessensentscheidung nach § 81 Abs. 1 FamFG erforderlich, sämtliche Gesichtspunkte des Einzelfalls zu berücksichtigen, wobei sich aus den in § 81 Abs. 2 FamFG genannten Kriterien eine Einschränkung des dem Gericht ansonsten zustehenden weiten Ermessens ergibt. Einer der in § 81 Abs. 2 FamFG genannten Fälle greift im konkreten Fall jedoch nicht ein.
Grundsätzlich kann die in einem Vaterschaftsfeststellungsverfahren von dem Amtsgericht erlassene Kostenentscheidung nur beschränkt darauf überprüft werden, ob das Amtsgericht sein Ermessen fehlerhaft ausübt oder die gesetzlichen Grenzen seines Ermessens überschritten hat. Die Begründung der amtsgerichtlichen Entscheidung im streitigen Fall lässt nicht erkennen, ob das Amtsgericht in vollem Umfang die Grenzen seines Ermessensspielraumes erkannt hat. Von Bedeutung ist insoweit, dass die Frage, ob die Mutter eines Kindes, welches im Vaterschaftsfeststellungsverfahren obsiegt hat, an den Verfahrenskosten zu beteiligen ist, nicht nach einem von dem konkreten Einzelfall unabhängigen Regel-Ausnahme-Verhältnis vorgenommen werden darf, sondern in jedem konkreten Einzelfall unter Berücksichtigung sämtlicher Umstände zu beantworten ist (vgl. BGH FamRZ 2015, 570; FamRZ 2014, 744). Eine Beteiligung der Mutter an den Verfahrenskosten kommt danach in Betracht, wenn bei dem in Anspruch genommenen Mann aufgrund besonderer Umstände berechtigte Zweifel an seiner Vaterschaft bestehen können, wobei ein objektiver Maßstab anzulegen ist. Eine Kostenbeteiligung kommt z. B. in Frage, wenn von der Mutter Mehrverkehr in der gesetzlichen Empfängniszeit eingeräumt worden ist oder sonstige Umstände gegeben sind, welche bei objektiver Betrachtung Zweifel des in Anspruch genommenen Mannes rechtfertigen, z. B. eine Zeitungsanzeige der Mutter mit dem Inhalt: „Schwarze Frau sucht weißen Mann“ (OLG Nürnberg, Beschluss vom 11.3.2013, 11 WF 85/13).
Solche besonderen Umstände sind von dem Beteiligten P. W. allerdings weder dargelegt noch sonst ersichtlich. Dass die Mutter während der Schwangerschaft Zweifel an seinen erzieherischen Fähigkeiten geäußert haben soll, rechtfertigt, da er eingeräumt hat, in der gesetzlichen Empfängniszeit mit der Mutter ungeschützten Geschlechtsverkehr gehabt zu haben, keine Zweifel an seiner biologischen Vaterschaft. Auch das sonstige Vorbringen des Beteiligten W. ist viel zu unbestimmt, um bei objektiver Betrachtung Zweifel rechtfertigen zu können. Aus diesem Vorbringen ergibt sich noch nicht einmal, wann genau es zu den angeblichen Beziehungen zu anderen Männern und einem Heiratsantrag gekommen sein soll. Im Unklaren bleibt weiter, was es bedeuten soll, wenn der Beteiligte W. darlegt, dass es in den angeblichen Beziehungen der Mutter zu anderen Männern „ernst zugegangen“ sein soll. Auch der Umstand, dass die Eltern in der gesetzlichen Empfängniszeit eine Fernbeziehung gepflegt haben, ist für sich nicht geeignet, berechtigte Zweifel zu begründen.
Bei dieser Situation wächst dem Verhältnis des Obsiegens oder Unterliegens entscheidende Bedeutung für die Kostentscheidung zu. Danach ist es gerechtfertigt, dem Beteiligten P. W., die Verfahrenskosten insgesamt aufzuerlegen. Eine Beteiligung des Kindes an den Kosten kommt, da es obsiegt hat und auch sonst keine Umstände vorliegen, die eine Kostenbeteiligung rechtfertigen könnten, nicht in Betracht.
3. Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens ist gemäß § 63 Abs. 3 FamFG unter entsprechender Anwendung des § 81 FamFG zu entscheiden. Nach dem Verhältnis des Obsiegens und Unterliegens entspricht es der Billigkeit, dem Beteiligten P. W. die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufzuerlegen. Umstände, die eine abweichende Entscheidung erforderlich machen würden, sind nicht gegeben.
4. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren richtet sich nach den Kosten, welche sich die Beschwerdeführerin durch die beantragte Abänderung der Kostengrundentscheidung ersparen will. Der Verfahrenswert für die Beschwerde bestimmt sich deshalb nach den Kosten, welche die Beschwerdeführerin nach der Kostengrundentscheidung des Amtsgerichts für das erstinstanzliche Verfahren hätte aufbringen müssen. Diese belaufen sich nach dem Kostenansatz des Amtsgerichts auf 344,27 €.
Die Voraussetzungen für die Zulassung einer Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Übergabe an die Geschäftsstelle am 23.02.2016.

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