Familienrecht

Betreuerbestellung

Aktenzeichen  6 T 625/19

Datum:
20.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 41228
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 38 Abs. 3, § 70
BGB § 1896 Abs. 1 S. 1, § 1901c

 

Leitsatz

1. Für die wirksame Erteilung einer Vorsorgevollmacht ist es grundsätzlich ausreichend, wenn der Vollmachtgeber die Vollmacht erstellt und so aufbewahrt, dass sie gegebenenfalls aufgefunden und dem Bevollmächtigten ausgehändigt werden kann. (Rn. 39 – 40) (redaktioneller Leitsatz)
2. Zum Betreuer nicht geeignet ist derjenige, dessen Verhalten Veranlassung zu der Besorgnis gibt, er werde Einfluss auf den Betroffenen nehmen und könne eigene finanzielle Belange über diejenigen des Betroffenen stellen. (Rn. 45 – 47) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

402 XVII 305/18 2018-12-14 Bes AGDACHAU AG Dachau

Tenor

1. Die Beschwerde der Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Dachau vom 14.12.2018, Az. 402 XVII 305/18, wird zurückgewiesen.

Gründe

I.
Die H.-Klinik D. regte am 11.06.2018 (Bl. 1/2) die Einrichtung einer gesetzlichen Betreuung an, da bei der 1936 geborenen Betroffenen ein Liegetrauma, körperliche und soziale Verwahrlosung und ein dementielles Syndrom vorliege. Die Betroffene befand wegen eines Sturzes, nach dem sie nicht sogleich aufgefunden worden war, von 08.06.2018 bis 22.06.2018 in der Klinik.
Die Betroffene hat vier Kinder: … jun., …, … und . … Die Betreuungsstelle teilte mit Schreiben vom 15.06.2018 (Bl. 3/5) mit, der Ehemann der Betroffenen lebe im Pflegeheim. Um die Einkäufe würden sich ihre Töchter kümmern.
Die Betreuungsrichterin hörte die Betroffene am 15.06.2018 (Bl. 6) an, wobei sich die Betroffene mit einer Betreuung – durch einstweilige Anordnung für die Dauer von sechs Monaten – einverstanden erklärte.
Mit Beschluss vom 18.06.2018 (Bl. 7/9) ordnete das Betreuungsgericht einstweiligen die umfassende vorläufige Betreuung bis 17.12.2018 an und bestellte …, … und … zu Betreuern.
Mit Schreiben vom 04.07.2018 (Bl. 12) legte die Betroffene gegen diesen Beschluss Beschwerde ein.
Mit Schreiben vom 05.07.2018 (Bl. 14/19) beantragte …, entweder ebenfalls zur Betreuerin eingesetzt zu werden, oder einen neutralen Betreuer zu bestellen. Die Familie sei sehr zerstritten. Ihre Eltern verfügten u.a. über zwei Mietshäuser und einen Nießbrauch einer Doppelhaushälfte. Ihre Schwester … versuche, Mieteinnahmen auf ihr Konto „umzuleiten“.
… teilte mit Schreiben vom 13.07.2018 mit, dass die Wohnung der Betroffenen, zu der die Kinder seit zehn Jahren keinen Zutritt erhalten hätten, in völlig verwahrlostem Zustand gewesen und u.a. von Ratten befallen gewesen sei. Mit Schreiben vom 17.07.2018 (Bl. 32/39) nahm sie ausführlich zur familiären Situation Stellung.
Die Betreuungsbehörde sprach sich mit Schreiben vom 02.08.2018 (Bl. 41/42) für die Einrichtung einer Berufsbetreuung aus, nachdem in einem gemeinsamen Gespräch mit allen Geschwistern keine Einigung erzielt werden konnte.
Am 27.08.2018 bestellte die Betreuungsrichterin Rechtsanwältin P. zur Verfahrenspflegerin und hörte die Betroffene an. Nach dem Protokoll der Anhörung (Bl. 44) lehnte diese eine Betreuung durch ihre Kinder ab.
Mit Beschluss vom 11.09.2018 (Bl. 98/100) entließ das Amtsgericht die bisherigen Betreuer und bestellte Rechtsanwältin … zur Berufsbetreuerin.
Mit Schreiben vom 06.11.2018 teilte die Betroffene mit, dass sie sich von ihrem Sturz gut erholt habe und keine Betreuung mehr benötige.
Am 27.11.2018 wurde eine notarielle Vorsorgevollmacht der Betroffenen für …, … und … beurkundet (Bl. 177/181). Am selben Tag wurde die schenkweise Überlassung einer Immobilie in Hebertshausen durch die Betroffene und ihren Ehemann an die genannten drei Geschwister beurkundet (Bl. 233/244).
Unter dem 10.12.2018 legte der Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. …-. ein vom Betreuungsgericht in Auftrag gegebenes psychiatrisches Gutachten über die Betroffene vor (Bl. 157/165): Er diagnostizierte eine organische Persönlichkeits- und Wesensveränderung, vermutlich auf dem Boden einer mikrovaskulären cerebralen Insuffizienz. Es bestünden deutliche Verwahrlosungstendenzen. Die Betroffene sei massiv beeinfluss- und steuerbar. Die Informationsaufnahme und -verarbeitung sei derart beeinträchtigt, dass die Betroffene lediglich einfache Fragen oder Sachverhalte wirklich verstehen und bearbeiten könne. Zu einer kritischen Prüfung ihres eigenen Verhaltens und ihrer eigenen Bedürfnisse sei sie nicht mehr in der Lage. Nach der vom Gutachter befragen Pflegekraft habe die Betroffene große Angst vor ihren Kindern; das Schreiben der Betroffenen an das Gericht zeige, dass die Betroffene durch die Kinder massiv beeinflussbar sei. Der Gutachter führte weiter aus, dass die Betroffene krankheitsbedingt nicht mehr in der Lage sei, das Für und Wider einer Betreuerbestellung abzuwägen und nach dieser Erkenntnis zu handeln. Die Betroffene sei vollständig geschäftsunfähig und bedürfe dauerhaft umfassender Betreuung. Es handele sich um einen irreversiblen kognitiven Abbauprozess, bei dem es in der Zukunft zu einer weiteren Verschlechterung kommen werde.
Die Verfahrenspflegerin sprach sich für die Bestellung von Frau … als Berufsbetreuerin aus (Bl. 168).
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 14.12.2018 (Bl. 169/171) ordnete das Amtsgericht die Betreuung der Betroffenen für folgende Aufgabenkreise an:
Abschluss, Änderung und Kontrolle eines Heim-Pflegevertrages;
Organisation der ambulanten Versorgung;
Entgegennahme, Öffnen und Anhalten der Post im Rahmen der übertragenen Aufgabenkreise;
Wohnungsangelegenheiten;
Vertretung gegenüber Behörden, Versicherungen, Renten- und Sozialleistungsträgern;
Gesundheitsfürsorge;
Vermögenssorge;
Aufenthaltsbestimmung;
Immobilienangelegenheiten.
Rechtsanwältin … wurde zur Berufsbetreuerin bestellt und das Ende der Überprüfungsfrist auf 09.12.2025 festgesetzt.
Mit Schreiben vom 13.12.2018, beim Amtsgericht eingegangen am 14.12.2018, legte Rechtsanwalt B. für die Betroffene Beschwerde gegen den Beschluss vom 11.09.2018 ein (Bl. 173/176). Zur Begründung ist ausgeführt, bei der Betroffenen liege keine Demenz vor. Zudem verwies er auf die am 27.11.2018 beurkundete notarielle Vorsorgevollmacht, die dem Betreuungsgericht erst durch dieses Schreiben zur Kenntnis gelangte. Mit Schriftsatz vom 20.12.2018 legte er Beschwerde gegen den hier gegenständlichen Beschluss vom 14.12.2018 ein (Bl. 189/190).
Mit Schreiben vom 10.01.2019 legte … – auch im Namen ihrer Geschwister . und … – eine privatschriftliche Vorsorgevollmacht und Betreuungsverfügung vom 01.07.2014 vor (Bl. 209 ff.; Original Bl. 249).
Mit Schriftsatz vom 19.01.2019 (Bl. 231/232) sprach sich die Betreuerin für die weitere Betreuung durch eine Berufsbetreuerin aus und brachte dem Betreuungsgericht den Überlassungsvertrag vom 27.11.2019 zur Kenntnis. Sie beantragte die Erweiterung der Betreuung um den Aufgabenkreis „Widerruf von Vollmachten“.
Mit Schriftsatz vom 08.02.2019 legte der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin einen Arztbrief der H.-A.-Klinik vom 16.01.2019 über einen stationären Aufenthalt der Betroffenen vom 15.-17.01.2019 zur Demenzabklärung vor (Bl. 279/285). Danach bestehen bei der Betroffenen keine Anhaltspunkte für Demenz.
Dr. … erstattete unter dem 11.02.2019 hierzu eine kurzgutachterliche Stellungnahme (Bl. 288/290): Er betonte, dass er nie die Diagnose einer Demenz gestellt habe; seine Diagnose lasse sich mit den Feststellungen der Klinik vom 16.01.2019 vereinbaren.
Der Verfahrensbevollmächtigte der Beschwerdeführerin nahm mit Schriftsätzen vom 26.02.2019 (Bl. 298a/305) und 11.03.2019 (Bl. 307/310) weiter Stellung: Er verwies auf die Vorsorgevollmacht vom 01.07.2014. Gleichzeitig habe die Betroffene ein Testament errichtet, in dem sie ihren Anteil an der Doppelhaushälfte ihren Kindern… .und … vermacht habe. Durch die Vorsorgevollmacht gebe die Betroffene zu erkennen, dass sie keine Fremdbetreuung wünsche. Es sei unzutreffend, dass die Betroffene Angst vor ihren Kindern habe. Die Richtigkeit des Gutachtens, und dass der Gutachter die Betroffene selbst aufgesucht habe, werde bestritten. In einem weiteren Schriftsatz vom 21.03.2019 (Bl. 315/317) machte er geltend, die Betroffene habe ihren Unmut geäußert, in ihrer Verfügungsmöglichkeit über das Girokonto beschränkt zu sein; sie wolle 1.000,00 € monatlich zur Verfügung haben, und Einblick in ihre Kontoauszüge.
Die Betreuerin machte mit Schriftsatz vom 01.04.2019 geltend, die Betroffene unterliege durch sie keinen Beschränkungen bei der Abhebung von Geld. Die Betroffene habe keinen Überblick über ihre Vermögensangelegenheiten, könne nicht einmal die Höhe ihrer Rente benennen. Die Umsatzlisten seien für die Betroffene jederzeit einsehbar, sie habe bisher aber kein Interesse dafür gezeigt. Die Kinder der Betroffenen setzten sich nicht mit dem Pflegedienst wegen der Medikamentengabe in Verbindung.
Am 04.04.2019 führte der Berichterstatter der Kammer einen Erörterungstermin mit den Kindern …, … und … der Betroffenen durch. Zur Herkunft der Vorsorgevollmacht von 2014 erklärte Rosa Thurner, diese sei anlässlich einer Herzoperation des Vaters erstellt worden. Beim Ausräumen des Zimmers nach der Rückkehr von der Reha habe ihre Mutter ihr einige Sachen mitgegeben, u.a. einen Leitzordner, in dem sich die Vollmacht befunden habe.
Am 09.04.2019 hörte der Berichterstatter der Kammer die Betroffene an. Dabei bagatellisierte die Betroffene das auslösende Sturzereignis (sie sei nicht länger gelegen, sondern gleich gefunden worden, sonst sei sie auch alleine wieder hochgekommen) und hatte keine Erklärung für den Zustand ihres Hauses vor Einrichtung der Betreuung. An die Errichtung einer Vollmacht beim Notartermin konnte sich die Betroffene nicht mehr erinnern. Zur Grundstücksübertragung erklärte sie einerseits „Ich wollte das so machen lassen, ich ganz alleine hatte die Idee“, andererseits „Es hieß, wir müssen jetzt zum Notar, das übergeben“ (Bl. 338).
Die Verfahrensbevollmächtigten nahmen in der Folgezeit weiter Stellung.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere binnen der Monatsfrist gem. § 63 Abs. 1 FamFG eingelegt.
2. In der Sache hat die Beschwerde keinen Erfolg. Das Betreuungsgericht hat zu Recht die Notwendigkeit einer Betreuung angenommen und eine Berufsbetreuerin bestellt.
Nach § 1896 Abs. 1 Satz 1 BGB ist ein Betreuer zu bestellen, wenn die betroffene Person auf Grund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung ihre Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann. Diese Voraussetzungen liegen bei der Betroffenen vor, wie das Betreuungsgericht im angegriffenen Beschluss zutreffend festgestellt hat.
a) Die Betroffene leidet an einer organischen Persönlichkeits- und Wesensveränderung, vermutlich auf dem Boden einer mikrovaskulären cerebralen Insuffizienz. Sie ist deswegen nicht mehr in der Lage, ihren Willen frei zu bestimmen.
Dies folgt aus dem für die Kammer überzeugenden Gutachten des der Kammer als sachkundig und zuverlässig bekannten Sachverständigen Dr. … Die von der Beschwerde gegen die Verwertbarkeit und Richtigkeit des Gutachtens vorgebrachten Einwände greifen nicht durch: So wurde der Beschluss zur Gutachtenserstattung vom 30.10.2018 (Bl. 139/140) an die Betroffene hinausgegeben. Sie wusste also von der vorgesehenen Gutachtenserstattung und kannte den Namen des Gutachters. Wenn ihr dies beim Erscheinen des Gutachters nicht mehr präsent war, so belegt auch dies die vom Gutachter festgestellte Beeinträchtigung der Informationsaufnahme und -verarbeitung durch die Betroffene. Auch die vom Sachverständigen festgestellte Verwahrlosungstendenz liegt angesichts des Zustands der Wohnung der Betroffenen vor der Anordnung der Betreuung offensichtlich vor. Die Labilität der Betroffenen und ihre Beeinflussbarkeit werden belegt durch die wechselnde Einstellung der Betroffenen zu einer Betreuung durch ihre Kinder: Bei der Anhörung am 27.08.2018 lehnte sie eine Betreuung durch ihre Kinder ab. An der Richtigkeit der protokollierten Äußerungen der Betroffenen bestehen keine Zweifel, zumal diese nicht pauschal, sondern mit den von der Betroffenen angegebenen Gründen protokolliert sind. Abgesehen davon ist kein Grund ersichtlich, weshalb die Betreuungsrichterin die Äußerungen der Betroffenen unzutreffend protokolliert haben sollte. Bei ihrer Anhörung durch den Berichterstatter der Kammer wollte die Betroffene hiervon jedoch nichts wissen.
Auch das weitere Verhalten der Betroffenen belegt sowohl die vom Sachverständigen dargestellten Folgen der Diagnose, als auch insbesondere die Beeinflussbarkeit der Betroffenen und in der Folge den Ausschluss einer freien Willensbildung: So war die Betroffene offensichtlich bemüht, bei der Anhörung die „passenden“ Antworten zu geben: Bei ihrer Erklärung zur Abfassung der Vorsorgevollmacht ließ sie sich die „Richtigkeit“ ihrer Antwort sogar durch ihren Verfahrensbevollmächtigten bestätigen (Bl 337. f.). Des Weiteren erklärte sie zu der Grundstücksübertragung, sie ganz alleine habe die Idee gehabt, das zu machen (Bl. 338). Später erklärte sie dazu „Es hieß, wir müssen jetzt zum Notar, das übergeben“ und verwies auf die Frage, wer dies gesagt habe, darauf, dass sich meistens ihre Tochter R. um solche Dinge kümmere. An die gleichzeitige Errichtung einer notariellen Vorsorgevollmacht hatte die Betroffene keine Erinnerung mehr.
Letztlich kann die Kammer nicht einmal ausschließen, dass die Beauftragung des für die Betroffene auftretenden Rechtsanwalts und die eingelegte Beschwerde auf einer Beeinflussung durch ihre Beteiligten beruht.
In der Gesamtschau bestätigt sich damit der vom Sachverständigen wiedergegebene Eindruck, dass die Betroffene massiv beeinfluss- und steuerbar ist. Die Kammer muss daher davon ausgehen, dass sowohl die geänderte Einstellung der Betroffenen zu einer Betreuung durch ihre Kinder auf deren Einfluss beruht, wie auch die Initiierung der Grundstücksübertragung, mutmaßlich vor dem Hintergrund, angesichts des Betreuungsverfahrens und der Begutachtung diese – möglicherweise tatsächlich geplante Übertragung – durchzuführen, solange dies rechtlich noch möglich erschien.
b) Schon aufgrund der Beeinflussbarkeit und Steuerbarkeit der Betroffenen ist eine freie Willensbildung ausgeschlossen, da nicht festgestellt werden kann, ob eine Willensbekundung der Betroffenen auf ihrem eigenen, freien Willen oder einer Beeinflussung von Außen beruht. Hinzukommt die Bagatellisierung des auslösenden Unfalls durch die Betroffene: Bei der Einleitung des Betreuungsverfahrens ist stets davon die Rede, dass die Betroffene nach ihrem Sturz erst nach geraumer Zeit gefunden wurde: Dies ergibt sich aus der Stellungnahme der Betreuungsbehörde (Bl. 4). Auch die Beteiligte Rosa Thurner jun. teilte im Schreiben vom 17.07.2018 (Bl. 32) mit, ihre Mutter um 18:00 Uhr unter der Treppe liegend aufgefunden zu haben und den Notarzt verständigt zu haben. Die Erinnerung der Betroffenen bei der Anhörung am 09.04.2019, sie wäre auch alleine wieder hochgekommen (Bl. 335), ist offensichtlich unzutreffend. Der Betroffenen fehlt also auch die Einsicht über ihren körperlichen Zustand und die damit verbundenen Gefahren.
c) Angesichts der gesundheitlichen Situation, ihrer Beeinflussbarkeit sowie der – vor der Betreuung bereits eingetretenen – Verwahrlosung war die getroffene Anordnung der Aufgabenkreise erforderlich. Zwar steht der Umzug in ein Heim derzeit nicht unmittelbar an, könnte jedoch – z.B. nach einem weiteren Sturz, oder aufgrund der vom Sachverständigen prognostizierten weiteren Verschlechterung – jederzeit erforderlich werden. Auch kommt möglicherweise ein Umzug der Betroffenen zu ihrem bereits in einem Pflegeheim lebenden Ehemann in Betracht.
d) Die erteilten Vollmachten stehen der Anordnung der Betreuung nicht entgegen: 1) Bei der Erteilung der notariellen Vollmacht am 27.11.2018 war die Betroffene nach den Feststellungen des Gutachters nicht mehr geschäftsfähig. Dieser Bewertung schließt sich die Kammer – angesichts der Beeinflussbarkeit und Steuerbarkeit der Betroffenen – an.
2) Die Vollmacht vom 01.07.2014 steht der Anordnung der Betreuung ebenfalls nicht entgegen:
Diese Vollmacht ist bereits nicht wirksam erteilt, weil sie von der Betroffenen nie in den Rechtsverkehr gegeben wurde:
Bei einer Vollmacht handelt es sich um eine empfangsbedürftige Willenserklärung. Für eine Vorsorgevollmacht wird es ausreichend sein, wenn der Vollmachtgeber die Vollmacht erstellt und so aufbewahrt, dass sie gegebenenfalls aufgefunden und dem Bevollmächtigten ausgehändigt werden kann.
Die Betroffene hat hier jedoch die Vorsorgevollmacht erstellt und dann so in ihren Unterlagen abgelegt, dass ihre Kinder sie nicht einmal gefunden haben, als die Betroffene ins Krankenhaus kam. Nach der Erklärung der Beteiligten … … hat sie die Vollmacht lediglich zufällig gefunden, als sie anfing, einen beim Ausräumen der Wohnung mitgegebenen Leitzordner zu sichten. Weder die Betroffene noch ihre Kinder haben bei der Einleitung des Betreuungsverfahrens auf diese Vollmacht rekurriert, insbesondere auch nicht in dem umfangreichen Scheiben vom 17.07.2018 (Bl. 32/39). Gegenüber dem Landratsamt geben sie ausdrücklich an, dass es keine Vollmacht gebe (Schreiben des Landratsamts vom 15.06.2018, Bl. 4). Ein Willen der Betroffenen, dass diese Vollmacht wirksam sein sollte, ist danach nicht ersichtlich.
Dasselbe gilt im Übrigen für die gleichzeitig erstellte Betreuungsverfügung.
Schließlich hat die – nach Ansicht der Beschwerde – seit 2014 bestehende Vorsorgevollmacht nicht verhindert, dass die Wohnung der Betroffenen verwahrloste, womit ein offensichtlicher Betreuungsbedarf entstand.
e) Die Beteiligten …, … und … sind als Betreuer nicht geeignet und können daher nicht zu ehrenamtlichen Betreuern bestellt werden:
Das Verhalten der Beteiligten im Betreuungsverfahren ist zu sehr davon geprägt, den Einfluss auf die Betroffene und damit auf „das Familienvermögen“ (so, bezeichnend, deren Verfahrensbevollmächtigte im Schriftsatz vom 10.05.2019, Bl. 350) zu erhalten.
So haben die genannten Beteiligten bereits bei der Einleitung des Betreuungsverfahrens verschwiegen, dass eine vierte Schwester vorhanden ist.
Insbesondere bezeichnend ist jedoch, dass die Beteiligten während des laufenden Betreuungsverfahrens – und ohne den Notarvertreter über die Anordnung der Berufsbetreuung zu informieren – mit der Betroffenen am 27.11.2018 den Notartermin durchgeführt haben, obwohl sie wussten, dass mit Beschluss vom 11.09.2018 Rechtsanwältin … zur Betreuerin, auch für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge, bestellt war. Darin liegt ein deutliches Indiz, dass die Beteiligten ihre eigenen finanziellen Belange über die der Betroffenen stellen. Damit sind Interessenskonflikte offensichtlich, die eine Betreuerbestellung der Beteiligten aus Sicht der Kammer ausschließen. Dies gilt auch für die Aufgabenkreise außerhalb von Vermögenssorge und Immobilien, da die rechtliche Betreuung auch in den übrigen Aufgabenkreisen stets das Vermögen der Betroffenen tangiert.
Hinsichtlich des Notarvertrags bestehen Interessenskonflikte schon deswegen, weil die Betreuerin – angesichts der vom Sachverständigen festgestellten Geschäftsunfähigkeit – mögliche Konsequenzen für diese Vereinbarung zu prüfen hat.
Diese Ungeeignetheit schließt im Übrigen ebenfalls aus, dass die Beteiligten als Vorsorgebevollmächtigte für die Betroffene tätig werden.
Dadurch ist nicht ausgeschlossen, dass die Betroffenen sich faktisch um ihre Mutter kümmern und sie im täglichen Leben unterstützen, wie dies zuletzt und auch früher schon der Fall war.
Gegen die Geeignetheit der Berufsbetreuerin bestehen keine Bedenken, ebenso nicht gegen die Dauer der Überprüfungsfrist.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.

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