Aktenzeichen 13 T 173/19
ZPO § 91, § 104 Abs. 3 S. 1, § 567
RPflG § 11
Leitsatz
1. Nach § 307 FamFG können die Auslagen des Betroffenen in Betreuungssachen nur soweit der Staatskasse auferlegt werden, als dass sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Die Formulierung „soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren“ ist § 91 ZPO entlehnt. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
2. Rechtsanwaltskosten sind daher zu erstatten, wenn aus objektiver Sicht mit rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten zu rechnen war, die die Einschaltung eines Rechtsanwaltes erforderlich machen. Dies ist nicht der Fall, wenn der Betroffene selbst in der Lage ist, Beschwerde einzulegen. (Rn. 20) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
XVII 1395/16 2019-10-15 Bes AGDEGGENDORF AG Deggendorf
Tenor
1. Der Beschwerdeführerin wird von Amts wegen gegen die Versäumung der Beschwerdefrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt.
2. Die sofortige Beschwerde der Beschwerdeführerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts Deggendorf vom 15.10.2019, Az. XVII 1395/16, wird zurückgewiesen.
3. Die Beschwerdeführerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Gründe
I.
Das Amtsgericht Deggendorf hat für die Betroffene mit Beschluss vom 17.01.2017 (Bl. 36/40 d.A.) die Betreuung für den Aufgabenkreis der Vermögenssorge nebst Einwilligungsvorbehalt angeordnet.
Die gegen diesen Beschluss von der Betroffenen mit handschriftlichem Schreiben vom 14.02.2017 eingelegte Beschwerde (Bl. 66 d.A.) hat das Landgericht Deggendorf mit Beschluss vom 09.03.2017 (Az. 13 T 27/17, Bl. 103/114 d.A.) zurückgewiesen.
Gegen diese Beschwerdeentscheidung hat die Betroffene mit Schriftsatz vom 06.04.2017 Rechtsbeschwerde eingelegt (Bl. 8/9 d. Sonderbandes).
Mit Beschluss vom 10.05.2017 (Bl. 162/164 d.A.) hat das Amtsgericht einen Betreuerwechsel vorgenommen und die bestehende Betreuung um die Aufgabenkreise Wohnungsangelegenheiten sowie Abschluss, Änderung und Kontrolle der Einhaltung eines Heim-Pflegevertrags erweitert.
Gegen diesen Beschluss hat die Betroffene mit Schriftsatz ihrer Verfahrensbevollmächtigten vom 16.06.2017 (Bl. 222/223 d.A.) ebenfalls Beschwerde eingelegt. Dieses Beschwerdeverfahren war bei dem Landgericht Deggendorf zunächst unter dem Az. 12 T 86/17 anhängig. In Anbetracht der vor dem BGH zu diesem Zeitpunkt noch anhängigen Rechtsbeschwerde betreffend die vorangegangene Beschwerdeentscheidung des Landgerichts vom 09.03.2017 (Az. 13 T 27/17), hat das Landgericht dieses Verfahren im Einverständnis der Betroffenen mit Beschluss vom 25.07.2017 (Bl. 237/238 d.A.) gemäß § 21 Abs. 1 FamFG bis zur Erledigung der Rechtsbeschwerde ausgesetzt.
Mit Beschluss vom 13.09.2017 (Bl. 60/64 d. Sonderbandes) hat der Bundesgerichtshof den Beschluss des Landgerichts Deggendorf vom 09.03.2017 aufgehoben und die Sache zur erneuten Behandlung und Entscheidung an das Landgericht zurückverwiesen.
Daraufhin hat das Landgericht Deggendorf durch Beschluss vom 16.10.2017 (331/333 d.A.) das Beschwerdeverfahren 12 T 86/17 zu dem Beschwerdeverfahren Az. 13 T 27/17 nach § 20 FamFG hinzuverbunden.
Das Landgericht Deggendorf hat sodann im – nach Verbindung maßgeblichen – Beschwerdeverfahren 13 T 27/17 mit Beschluss vom 16.01.2018 (Bl. 421/429 d.A.) die Beschlüsse des Amtsgerichts Deggendorf vom 17.01.2017, Az. XVII 1395/16 (Bl. 36/40 d.A.) und vom 10.05.2017, Az. XVII 1395/17 (Bl. 162/164 d.A.) aufgehoben und die notwendigen Auslagen der Betroffenen im Rahmen der jeweiligen Beschwerdeverfahren und der Rechtsbeschwerde der Staatskasse nach § 307 FamFG auferlegt.
Mit Beschluss vom 02.05.2018 (Bl. 500/502 d.A.) hat das Landgericht den Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren auf 5.000,00 € festgesetzt und sich hierbei an der Wertfestsetzung des Bundesgerichtshofes orientiert.
Mit Schriftsatz vom 23.05.2018 (Bl. 512 d.A.) hat die Verfahrensbevollmächtigte der Betroffenen gegen den Beschluss vom 02.05.2018 sofortige Beschwerde eingelegt.
Mit Beschluss vom 16.11.2018 (nach Bl. 534 d.A.) hat das OLG München unter Abänderung des angefochtenen Beschlusses den Geschäftswert des Beschwerdeverfahrens auf 160.000,00 € festgesetzt.
Mit Beschluss vom 15.10.2019 (Bl. 592/593 d.A.) hat das Amtsgericht die notwendigen Auslagen der Betroffenen für das Beschwerdeverfahren 13 T 27/17 gegen die Staatskasse festgesetzt. Den Vergütungsantrag für das Beschwerdeverfahren 12 T 86/17 auf Erstattung der angefallenen Kosten der Betroffenen hat es jedoch zurückgewiesen. Der Beschluss enthält eine Rechtsbehelfsbelehrung:; in dieser Belehrung wird unter anderem ausgeführt, das binnen einer Frist von einem Monat Beschwerde eingelegt werden könne. Der Beschluss wurde der Betroffenen am 16.10.2017 und ihrer Verfahrensbevollmächtigten am 17.10.2019 zugestellt.
Hiergegen hat die Beschwerdeführerin mit Schriftsatz vom 15.11.2019, beim Amtsgericht eingegangen am 15.11.2019, „Beschwerde“ eingelegt (Bl. 595 d.A.) und diese mit Schriftsatz vom 19.11.2019 begründet (Bl. 596/598 d.A.).
Das Amtsgericht hat der Beschwerde mit Beschluss vom 08.12.2019 (Bl. 599/600 d.A.) nicht abgeholfen und die Akten dem Landgericht Deggendorf zur Entscheidung vorgelegt.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Der Beschwerdeführerin ist von Amts wegen gegen die Versäumung der Beschwerdefrist die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, § 18 Abs. 3 S. 3 FamFG.
Gegen den angefochtenen Beschluss vom 15.10.2019 ist – entgegen der vom Amtsgericht erteilten Rechtsbehelfsbelehrung:- statthaftes Rechtsmittel nicht die Beschwerde, sondern die sofortige Beschwerde, § 85 FamFG, §§ 104 Abs. 3 S. 1, 567 Abs. 2 ZPO, 11 RPflG (vgl. Keidel/Zimmermann, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 85 Rn. 16). Es gilt daher eine Frist von zwei Wochen, § 569 Abs. 1 ZPO.
Die „Beschwerde“ ist am 15.11.2019 beim Amtsgericht eingegangen; die zweiwöchige Beschwerdefrist war zu diesem Zeitpunkt bereits abgelaufen. Jedoch ist die Beschwerde noch binnen der vom Amtsgericht – fälschlicherweise – als Monatsfrist bezeichneten Beschwerdefrist eingegangen. Der Beschwerdeführerin ist daher von Amts wegen Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, §§ 17 Abs. 2, 18 Abs. 3 S. 3 FamFG.
III.
Die sofortige Beschwerde ist – nach der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand – zulässig, in der Sache aber ohne Erfolg.
Nach § 307 FamFG können die Auslagen des Betroffenen nur soweit der Staatskasse auferlegt werden, als dass sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren. Die Formulierung „soweit sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig waren“ ist § 91 ZPO entlehnt. § 307 FamFG entspricht hinsichtlich der notwendigen Kosten § 91 Abs. 1 S. 1 HS. 2 ZPO. Auf § 91 Abs. 2 ZPO wird dagegen kein Bezug genommen. Rechtsanwaltskosten sind daher nicht zwingend und von vornherein zu erstatten, sondern nur dann, wenn aus objektiver Sicht mit rechtlichen oder tatsächlichen Schwierigkeiten zu rechnen war, die die Einschaltung eines Rechtsanwaltes erforderlich machen. Dies ist gegenständlich nicht der Fall. Die Betroffene war selbst in der Lage, Beschwerde einzulegen. Dies hat die Betroffene auch selbst unter Beweis gestellt, indem sie bereits zuvor mit handschriftlichem Schreiben vom 14.02.2017 (Bl. 66 d.A.) gegen den Beschluss des Amtsgerichts vom 17.01.2017 Beschwerde eingelegt hatte.
Im Übrigen darf zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen des Bezirksrevisors in den Stellungnahmen vom 21.06.2019 (Bl. 582 d.A.) und vom 02.09.2019 (Bl. 591 d.A.) vollumfänglich Bezug genommen werden.
IV.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 97 Abs. 1 ZPO (Keidel/Zimmermann, FamFG, 19. Aufl. 2017, § 85 Rn. 17).