Familienrecht

Bezugsberechtigung für Kindergeld nach Trennung der Eltern

Aktenzeichen  16 WF 1378/20

Datum:
20.1.2021
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2021, 1200
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 64

 

Leitsatz

Die Bezugsberechtigung für das Kindergeld richtet sich – wenn die Eltern keine Bestimmung getroffen haben – nach dem Kindeswohl. Bieten bei gemeinsamer elterlicher Sorge und Betreuung der Kinder beide Elternteile gleichermaßen die Gewähr, das Kindergeld zum Wohle des Kindes zu verwenden, besteht kein Anlass für eine Änderung der bestehenden Bezugsberechtigung (sog. Kontinuität des Kindergeldbezuges). Unterhaltsrechtliche Fragen (zB ob beide Elternteile leistungsfähig sind) stehen der Kontinuität nicht entgegen. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

523 F 1215/20 RE 2020-08-18 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Die Beschwerde der Antragsgegnerin gegen den Beschluss des Amtsgerichts München vom 18.08.2020 wird zurückgewiesen.
2. Der Antrag der Antragsgegnerin auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird zurückgewiesen.
3. Der Wert des Beschwerdeverfahrens wird auf 1.500,– € festgesetzt.

Gründe

I.
Die Beteiligten sind die in der Ehewohnung seit Februar 2019 getrennt lebenden Eheleute der Kinder S. Z. l, geboren …1999, E. Z., geboren am …2004, und A. Z., geboren am …2006. Zwischen den Beteiligten ist das Scheidungsverfahren beim Amtsgericht München anhängig (518 F 11648/19).
Der Antragsteller, der bis zum Bescheid der Familienkasse Bayern Süd vom 12.12.2019 seit Geburt der Kinder das Kindergeld erhielt, beansprucht dieses für sich. Die Antragsgegnerin wendet sich hiergegen mit der Begründung, sie kümmere sich um die Ernährung der Kinder, koche, wasche und putze. Sie kaufe Nahrung und Kleidung für die Kinder, da der Antragsteller das Kindergeld nicht an sie weiterleite und auch keinen Unterhalt an sie bezahle.
Das Amtsgericht München hat mit Beschluss vom 18.01.2020 den Antragsteller als Empfangsberechtigten für das Kindergeld der 3 gemeinsamen Kinder bestimmt.
Gegen diesen, der Antragsgegnerin am 21.08.2020 zugestellten Beschluss, legte sie mit Schriftsatz vom 17.09.2020 Beschwerde ein.
Zuvor hatte das Amtsgericht München aufgrund der Erinnerung des Antragstellers hinsichtlich des Verfahrenswertes mit Beschluss vom 09.09.2020 den Verfahrenswert auf 1.500,- € festgesetzt.
Die Antragsgegnerin ist der Auffassung, dass ihr die Kindergeldbezugsberechtigung für die gemeinsamen 3 Kinder zustehe. Der gemeinsame Haushalt der Kindeseltern sei aufgelöst. Die Kinder lebten bei der Antragsgegnerin. Sie sei daher auf den Bezug des Kindergeldes angewiesen.
Der Antragsteller beantragt, die Beschwerde der Antragsgegnerin zurückzuweisen.
Er führt aus, dass es der Antragsgegnerin gar nicht möglich wäre, von der von ihr bezogenen Sozialhilfe den Unterhalt der Kinder zu bestreiten.
Der Senat hat mit Beschluss vom 15.12.2020 auf die Rechtslage hingewiesen.
Der Antragsteller teilte mit Schriftsatz vom 18.12.2020, die Antragsgegnerin mit Schriftsatz vom 04.12.2021 (eingegangen beim Senat am 04.01.2021) mit, dass die Eheleute weiterhin die Ehewohnung in der B. straße 11 in M. bewohnten.
Die Antragsgegnerin hat mitgeteilt, dass sie eine Verfahrenswertbeschwerde nicht erhoben habe.
II.
Die gemäß §§ 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin hat in der Sache keinen Erfolg. Aus diesem Grund war ihr auch die beantragte Verfahrenskostenhilfe zu versagen.
Aufgrund der Aufklärung durch die Beteiligten steht nunmehr zur Überzeugung des Senats fest, dass die Kinder weiterhin im Haushalt beider Eltern leben, § 64 Abs. 2 Satz 1 EStG. Da die Antragsgegnerin das Kindergeld gegenüber der Familienkasse Bayern Süd für sich beanspruchte, weshalb mit Bescheid vom 12.12.2019 die erfolgte Festsetzung des Kindergeldes für die gemeinsamen Kinder an den Antragsteller aufgehoben worden ist, liegt keine übereinstimmende Bestimmung des Bezugsberechtigten mehr vor. Aus diesem Grunde sind die Voraussetzungen für eine gerichtliche Bestimmung nach § 64 Abs. 2 Satz 3 EStG gegeben.
Das Gesetz macht in § 64 EStG keine Vorgaben, nach welchen Maßstäben das Familiengericht die Bezugsberechtigung zu bestimmen hat. In der Rechtsprechung (KG NZFam 2019, 828; OLG Celle FamRZ 2019, 31; OLG Dresden FamRZ 2014, 1055) ist anerkannt, dass sich die Bezugsberechtigung – wenn die Eltern keine Bestimmung getroffen haben – nach dem Kindeswohl richtet. Bieten bei gemeinsamer elterlicher Sorge und Betreuung der Kinder beide Elternteile gleichermaßen die Gewähr, das Kindergeld zum Wohle des Kindes zu verwenden, besteht kein Anlass für eine Änderung der bestehenden Bezugsberechtigung (sogenannte Kontinuität des Kindergeldbezuges). Unterhaltsrechtliche Fragen (z.B. ob beide Elternteile leistungsfähig sind) stehen der Kontinuität nicht entgegen.
Danach hat es grundsätzlich bei dem Zustand zu verbleiben, der bis zum Streit über die Kindergeldbezugsberechtigung bestand. Da zuvor der Antragsgegner das Kindergeld bezogen hat, hat es auch dabei zu verbleiben.
Auf die unterschiedlichen wirtschaftlichen Erwerbsverhältnisse der Kindeseltern kommt es nicht an. Unterschiedlichkeiten in der Höhe der von den Eltern erzielten Erwerbseinkünfte oder der Umstand, welcher Elternteil was für das Kind bezahlt, spielen keine Rolle (KG, a.a.O.).
Insbesondere existiert dabei kein Grundsatz, dass der wirtschaftlich schwächere Elternteil das Kindergeld erhalten solle. So gibt es gerade im Falle der Sozialhilfebedürftigkeit eines Elternteils sogar Gestaltungsspielraum dafür, dass dieser nicht das Kindergeld beziehen sollte, was ebenfalls gegen die Beachtung unterschiedlicher Einkommensverhältnisse für die Kindergeldbezugsberechtigten spricht. Der finanzielle Ausgleich zwischen den Eltern aufgrund eventueller wertmäßiger Unterschiede bei der Erbringung von Leistungen für das Kind ist zudem allein Sache des Unterhaltsrechts (KG, a.a.O.).
Von daher war weiterhin der Antragsteller als Bezugsberechtigter zu bestimmen.
Die Beschwerde der Antragsgegnerin war unbegründet, weshalb sie zurückzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 84 FamFG.
Der Wert des Beschwerdeverfahrens wurde in Anlehnung an die Abhilfeentscheidung des Amtsgerichts München vom 09.09.2020 auf 1.500,- € festgesetzt.
Erlass des Beschlusses (§ 38 Abs. 3 Satz 3 FamFG): Übergabe an die Geschäftsstelle am 26.01.2021. …

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