Aktenzeichen 1 W 19/16
Leitsatz
1 Für die Vereinbarung eines Sachverständigenverfahrens ist nach § 10 AFB nur erforderlich, dass jede Partei in Textform einen Sachverständigen benennt. (Rn. 14) (redaktioneller Leitsatz)
2 Das Ergebnis des gemeinsamen Sachverständigenverfahrens ist für die Parteien grundsätzlich verbindlich, es sei denn die Feststellung weicht von der wirklichen Sachlage erheblich ab. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
12 OH 142/09 2015-12-17 Bes LGBAYREUTH LG Bayreuth
Tenor
1. Die Gehörsrüge des Antragstellers gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 15.06.2016 wird zurückgewiesen.
2. Der Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 15.6.2016 wird dahingehend berichtigt, dass es im Tenor richtig heißen muss: Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 17.12.2015 wird zurückgewiesen.
Gründe
Mit Beschluss des Oberlandesgerichts Bamberg vom 15.06.2016 wurde die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Bayreuth vom 1 w 19/16 – Seite 2 14.07.2015 zurückgewiesen.
Auf die Begründung des Beschlusses wird Bezug genommen.
Gegen diese, dem Rechtsanwalt des Antragstellers mit Verfügung vom 15.06.2015 formlos mitgeteilte Entscheidung erhob der Antragsteller mit am 5.7.2016 beim Oberlandesgericht Bamberg eingegangenem Schriftsatz seines Rechtsanwalts Gehörsrüge nach § 321 a ZPO. Der Antragsteller beantragt, das Verfahren über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen der festgestellten Verletzung des rechtlichen Gehörs nach § 321 a Abs. 5 ZPO fortzusetzen.
Zur Begründung trägt der Antragsteller vor, er habe mit Schriftsatz vom 9.6.2016 eine Bestätigung der Bank vorgelegt, nach der der Grundbesitz des Antragstellers nicht beliehen werden könne. Seinen diesbezüglichen Vortrag habe der Antragsteller mit Telefax vom 10.6.2016 noch ergänzt. Der Senat habe diese beiden Schriftsätze des Antragstellers bei seiner Entscheidung erkennbar nicht beachtet. Wäre dem Antragsteller ordnungsgemäß rechtliches Gehör gewährt worden, indem sein Vorbringen beachtet worden wäre, so hätte das Gericht nicht davon ausgehen können, dass der Antragsteller seinen Grundbesitz verwerten bzw. beleihen könne. Die Verletzung des rechtlichen Gehörs sei mithin auch entscheidungserheblich, weil der Antragsteller seinen Vortrag binnen nachgelassener Frist so präzisiert habe, dass die Bedenken der Bezirksrevisoren so nicht mehr gegeben seien.
II.
Die Gehörsrüge ist zulässig. Gegen die Entscheidung des Oberlandesgerichts Bamberg vom 15.06.2016 ist ein Rechtsmittel oder ein anderer Rechtsbehelf nicht gegeben, § 321 a Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
Die Gehörsrüge wurde innerhalb der Notfrist von zwei Wochen gemäß § 321 a Abs. 2 ZPO erhoben. In der Rüge wurde die angegriffene Entscheidung bezeichnet und das Vorliegen der in Absatz 1 Nr. 2 ZPO genannten Voraussetzungen dargelegt (§ 321 a Abs. 2 Satz 4 und 5 ZPO).
III.
Die Gehörsrüge ist in der Sache nicht begründet, weil keine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt.
Der Antragstellervertreter weist in der Sache allerdings zu Recht darauf hin, dass das Gericht bei seiner Entscheidung vom 15.6.2016 den Vortrag in den Schriftsätzen des Antragstellervertreters vom 9.6.2016 und 10.6.2016 nicht berücksichtigt hat. Diese Schriftsätze lagen dem Gericht zum Zeitpunkt der Abfassung der Entscheidung aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen nicht vor, so dass diese bei der Abfassung der Entscheidung nicht berücksichtigt wurden. Es handelt sich hier um einen sog. Pannenfall, bei dem der Verstoß gegen das rechtliche Gehör unbeabsichtigt erfolgt (Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 321 a ZPO Rdnr. 9).
Das Gericht muss das rechtliche Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt haben. Dies besagt, dass die Gehörsverletzung für die mit der Rüge angegriffene Entscheidung kausal sein muss. Von einer Entscheidungserheblichkeit der Gehörsverletzung ist immer dann auszugehen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass das Gericht ohne die Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör zu einer anderen Entscheidung gekommen wäre (Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 321 a ZPO Rdnr. 12). Hieran fehlt es im vorliegenden Fall. Es kann dahinstehen, ob die wirtschaftlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe aufgrund der mit Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 09.06.2016 vorgelegten Kreditbescheinigung der A. Bank vom 06.06.2016 und der Unterlagen über die Prüfung der Kapitaldienstfähigkeit durch die A. Bank nunmehr ausreichend dargetan wurden.
Eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe in dieser Form kommt im vorliegenden Fall nicht in Betracht, da es an der weiteren Voraussetzung der hinreichenden Erfolgsaussicht der beabsichtigten Rechtsverfolgung fehlt, § 114 ZPO. Im vorliegenden Fall besteht kein rechtliches Interesse im Sinne des § 485 Abs. 2 ZPO für ein selbständiges Beweisverfahren.
Die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens beseitigt das Rechtsschutzbedürfnis für ein selbständiges Beweisverfahren (Prölss/Martin, VVG, 29. Aufl., § 10 AFB Rdnr. 1; OLG Hamm r+s 1998, 102 betreffend § 14 AKB 1996). Das OLG Hamm begründet dies wie folgt:
„Denn jedenfalls ist das stets erforderliche rechtliche Interesse des Antragstellers dann zu verneinen, wenn das Ergebnis des Beweisverfahrens in einem sich etwa anschließenden Prozess keine Bedeutung hat. Die Beweiserhebung wäre dann unnütz und könnte dem Ziel der Prozessvermeidung nicht dienen.
So verhält es sich hier. Die Parteien haben für die Wertermittlung bereits das Sachverständigenverfahren eingeleitet (§ 14 AKB). Hiervon kann der Antragsteller nicht einseitig abrücken. Das Ergebnis des Sachverständigenverfahrens kann nur unter den Voraussetzungen des § 64 VVG, also dann angegriffen werden, wenn die Feststellung offenbar von der wirklichen Sachlage erheblich abweicht. Dies kann im vorweggenommenen Beweisverfahren nicht geklärt werden…”.
Im vorliegenden Fall haben die Parteien die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens nach § 10 AFB beantragt. Davon kann sich der Antragsteller nicht einseitig lösen. Das Ergebnis des gemeinsamen Sachverständigenverfahrens ist für die Parteien grundsätzlich verbindlich, es sei denn die Feststellung weicht von der wirklichen Sachlage erheblich ab (§ 84 VVG n.F., § 10 Nr. 5. AFB). Die Erholung eines weiteren Gutachtens kommt daher erst dann in Betracht, wenn die Bindungswirkung des im Sachverständigenverfahren erholten Gutachtens nicht greift. Die Parteien müssen daher zunächst das vereinbarte Sachverständigenverfahren nach § 10 AFB durchführen.
Die hiergegen mit Schriftsatz des Antragstellervertreters vom 31.012017 erhobenen Einwendungen greifen nicht durch.
– Der Antragsteller rügt, es sei hier ein nicht einschlägiges Formular für die Vereinbarung zur Durchführung eines Sachverständigenverfahrens verwendet worden. Ob dies zutrifft, kann dahinstehen, denn selbst wenn es sich um ein Formular für Fahrzeugkaskoschäden handeln würde, macht dies die Vereinbarung eines Sachverständigenverfahrens nicht unwirksam. Hierfür ist nach § 10 AFB nur erforderlich, dass jede Partei in Textform einen Sachverständigen benennt (§ 10 Nr. 3 a) AFB). Dies ist hier geschehen. Mit dem Sachverständigenernennungsprotokoll (Anlage B 8 zum Schriftsatz der BV vom 30.11.2009, Seite 4) haben beide Parteien ihren Sachverständigen benannt.
– Der Antragsteller rügt, Grundbedingung für ein wirksames Sachverständigenverfahren sei es, dass die beiden Parteigutachter sich auf einen Obmann verständigen, der für den Fall, dass Unstimmigkeiten auftreten, letztlich die verbindliche Entscheidung über die Akzeptanz der von ihm für zutreffend erachteten Argumentation eines der Sachverständigen trifft. Vorliegend habe es überhaupt keine Benennung eines Obmanns gegeben. Diese Argumentation greift nicht durch. § 10 Ziffer 2c) AFB bestimmt, dass beide Sachverständige schriftlich vor Beginn des Feststellungsverfahrens einen dritten Sachverständigen als Obmann benennen. Einigen sie sich nicht, so wird der Obmann auf Antrag einer Partei durch das für den Schadensort zuständige Amtsgericht ernannt. Es kann dahinstehen, aus welchen Gründen hier die Benennung eines Obmanns unterblieben ist. Für die Wirksamkeit der Vereinbarung eines Sachverständigenverfahrens genügt eine Vereinbarung zwischen Versicherung und Versicherungsnehmer (§ 10 Ziffer 1. Satz 2 AFB; „Ein solches Sachverständigenverfahren können Versicherer und Versicherungsnehmer auch gemeinsam vereinbaren“). Eine dahingehende Vereinbarung wurde hier getroffen. Die unterlassene Benennung eines Obmanns ändert nichts daran, dass die Parteien gemeinsam die Durchführung eines Sachverständigenverfahrens wirksam vereinbart haben. Die Benennung eines Obmanns kann ggf. nachgeholt werden.
– Der Antragsteller rügt, die Antragsgegnerin habe in der Folgezeit keinerlei Schritte unternommen, um das Sachverständigenverfahren zu fördern. Dem ist die Antragsgegnerin mit Schriftsatz ihrer Rechtsanwälte vom 24.02.2017 (Seite 3) entgegen getreten. Es kann hier letztlich dahinstehen, aus welchen Gründen das Sachverständigenverfahren nicht betrieben wurde und welche Partei es zu vertreten hat, dass das Verfahren nicht weiter betrieben worden ist. Entscheidend ist, dass die Parteien die Durchführung eines solchen Verfahrens wirksam vereinbart haben und daher kein rechtliches Interesse im Sinne des § 485 Abs. 2 BGB für die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens besteht.
– Es spielt daher auch keine Rolle, ob und aus welchen Gründen es zwischen den beiden Sachverständigen keine Kommunikation gab. Entscheidend ist allein, dass das Sachverständigenverfahren nach § 10 AFB vereinbart wurde, diese Vereinbarung bis heute fortbesteht und daher das rechtliche Interesse für ein selbständiges Beweisverfahren fehlt. Auch die vom Antragsteller behauptete fehlende Unvoreingenommenheit des Sachverständigen B. ändert nichts am Bestehen der einmal getroffenen Vereinbarung des Sachverständigenverfahrens.
Es bleibt daher dabei, dass die Parteien zunächst das vereinbarte Sachverständigenverfahren nach § 10 AFB betreiben müssen. Nur wenn die Feststellungen der Sachverständigen im Sachverständigenverfahren von der wirklichen Sach- und Rechtslage erheblich abweichen, sind sie nicht verbindlich (§ 84 Abs. 1 Satz 1 VVG). Die Feststellung erfolgt in diesem Falle durch gerichtliche Entscheidung (§ 84 Abs. 1 Satz2 VVG).
Die Gehörsrüge war daher zurückzuweisen, weil keine entscheidungserhebliche Verletzung des rechtlichen Gehörs vorliegt.
Der Tenor des Beschlusses des Oberlandesgerichts Bamberg vom15.06.2016 war gemäß § 319 Abs. 1 ZPO dahingehend zu berichtigen, dass das Datum des angefochtenen Beschlusses richtig 17.12.2015 heißen muss. Es handelt sich um eine offenbare Unrichtigkeit, die jederzeit von Amts wegen korrigiert werden kann.