Familienrecht

Coronavirus, SARS-CoV-2, Beschwerde, Jugendamt, Kindeswohl, Kind, Beschwerdevorbringen, Verfahrenskostenhilfe, Anordnung, Sorge, Eltern, Entfernung, Mutter, Vater, Stellungnahme, Aufenthalt, elterliche Sorge, elterlichen Sorge, gemeinsame elterliche Sorge

Aktenzeichen  7 UF 261/21

Datum:
25.1.2022
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2022, 14153
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

2 F 351/21 2021-11-03 Bes AGBADKISSINGEN AG Bad Kissingen

Tenor

1. Die Beschwerde der Mutter gegen den Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Bad Kissingen vom 03.11.2021 wird zurückgewiesen.
2. Die Mutter hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.
3. Der Wert für das Beschwerdeverfahren wird auf 4.000,00 Euro festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Antragsteller und die Antragsgegnerin sind die Eltern des nichtehelich geborenen vierjährigen Sohnes B. Das Kind lebt im Haushalt der Mutter. Der Vater wohnt in Österreich, südlich von … Die Mutter im Bereich des Amtsgerichts Bad Kissingen und damit etwa 730 km entfernt.
Mit Schriftsatz vom 05.08.2021 beantragte der Vater die Anordnung der gemeinsamen elterlichen Sorge und die Regelung des Umgangs. Die Mutter beantragte Antragsabweisung hinsichtlich der Errichtung der gemeinsamen elterlichen Sorge.
Das Amtsgericht hat mit Beschluss vom 27.09.2021 einen Verfahrensbeistand bestellt. Dieser hat sich mit Stellungnahme vom 20.10.2021 für die gemeinsame elterliche Sorge ausgesprochen. Bezüglich der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme vom 20.10.2021 verwiesen.
Das Jugendamt hat sich im Termin vor dem Amtsgericht ebenfalls für eine gemeinsame elterliche Sorge ausgesprochen (Bl. 43 d. A.). Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf mündliche Stellungnahme vor dem Termin am 27.10.2021 Bezug genommen. Das Amtsgericht hat am 28.10.2021 das gemeinsame Kind angehört.
Mit Beschluss vom 03.11.2021 traf das Familiengericht hinsichtlich der elterlichen Sorge (Tenorzif. 1) folgende Entscheidung:
Die elterliche Sorge für das gemeinsame minderjährige Kind B., geb. …, wird gemeinsam auf den Antragsteller und die Antragsgegnerin übertragen.
Zur Begründung führte das Amtsgericht hinsichtlich der elterlichen Sorge im Wesentlichen aus:
Es sei festgestellt worden, dass Gründe, welche die Verweigerung der elterlichen Sorge rechtfertigen würden, nicht vorlägen. Allein der Umstand, dass der Vater seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Österreich habe und durch die Entfernung die Kommunikation erschwert sei, sei kein Grund, welcher eine alleinige elterliche Sorge der Mutter rechtfertigen würde. Nach Auffassung des Amtsgerichts seien die Eltern auch in der Lage entsprechende Kommunikation aufrechtzuerhalten und vorzunehmen.
Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Entscheidung vom 03.11.2021 Bezug genommen.
Gegen diese ihr am 04.11.2021 zugestellte Entscheidung legte die Mutter mit Schreiben vom 02.12.2021, eingegangen beim Amtsgericht am gleichen Tag, Beschwerde gegen Ziffer 1. des Beschlusses des Amtsgerichts Bad Kissingen vom 03.11.2021 (elterliche Sorge) ein.
Zur Begründung führte die Mutter aus, dass die erhebliche Entfernung des Wohnsitzes des Vaters zum Wohnsitz der Mutter den Ausschluss der elterlichen Sorge rechtfertige. Zudem müsse die aktuelle Coronalage berücksichtigt werden. Eine zuverlässige Kommunikation sei allein durch die Post nicht sicherzustellen. Es bestünden Unwägbarkeiten bei einer zuverlässigen Kommunikation in zeitlicher und tatsächlicher Hinsicht. Gerade in Fällen der Eilbedürftigkeit käme es auf eine schnelle Entscheidung an, welche allein durch die Entfernung verzögert werden würde. Auch sei nicht ersichtlich, welche gewichtigen Gründe gegen die alleinige elterliche Sorge der Mutter sprechen würden. Nach Auffassung der Mutter sei der Vater Impfgegner. Außerdem habe der Vater nie seine Unterstützung angeboten B. zur Frühdiagnoseklinik nach … zu fahren. Die Mutter habe, bei einer gemeinsamen elterlichen Sorge, erheblich mehr Organisationsaufwand und befürchte auch ein „Machtspiel“.
Der Vater verteidigt die amtsgerichtliche Entscheidung, beantragt den Antrag abzuweisen und Verfahrenskostenhilfe nicht zu gewähren. Zur Begründung führt der Vater im Wesentlichen aus, dass die Kommunikation mittels Fernkommunikationsmitteln reibungslos funktioniere. Zudem könne er sich nicht gegen Corona impfen lassen, da er genesen sei und noch keine Impfung durchführen dürfe. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die Stellungnahme vom 05.01.2022 verwiesen.
Der Senat erholte ergänzende Stellungnahmen des zuständigen Jugendamtes und des Verfahrensbeistandes. Hinsichtlich der Einzelheiten wird auf die schriftlichen Berichte vom 11.01.2022 und 18.01.2022 verwiesen.
II.
Die nach §§ 58 ff. FamFG zulässige, insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde der Mutter ist unbegründet und zurückzuweisen.
Der Senat hat von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Beschwerdegericht abgesehen, weil von einer erneuten Verhandlung keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten waren (§ 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG). Die Eltern haben ihre Sichtweise in der Beschwerde und Beschwerdeerwiderung ausführlich dargelegt.
1. Zu Recht und auch mit zutreffender Begründung hat das Amtsgericht – Familiengericht – Bad Kissingen die elterliche Sorge für das Kind auf beide Elternteile gemeinsam übertragen.
Der Senat nimmt daher auf die Gründe der Entscheidung vom 03.11.2021 Bezug, die auch durch das Beschwerdevorbringen nicht entkräftet werden.
Zu den Angriffen der Beschwerde sind lediglich die folgenden Anmerkungen veranlasst:
Nach § 1626a Abs. 2 BGB überträgt das Familiengericht gem. § 1626a Abs. 1 Nr. 3 BGB auf Antrag eines Elternteils die elterliche Sorge oder einen Teil der elterlichen Sorge auf beide Eltern gemeinsam, wenn die Übertragung dem Kindeswohl nicht widerspricht.
Unter Berücksichtigung dieses Prüfungsmaßstabes (Eingriffsschwelle: negatives Kindeswohl) steht für den Senat aufgrund der durchgeführten Ermittlungen fest, dass die zur Sorge getroffene Entscheidung des Familiengerichts nicht zu beanstanden ist. Grundvoraussetzung für die gemeinsame Ausübung des Sorgerechts ist eine tragfähige soziale Bindung der Eltern (Grünberg-Götz, 81. Aufl. 2022, § 1626a Rn. 11; BVerfG FamRZ 2010, 1403). Anhaltende und unüberbrückbare Differenzen insbesondere in Fragen des Sorgerechts welche von grundsätzlicher Bedeutung sind oder das Fehlen jeder Kommunikation oder Kooperation sprechen dabei in der Regel gegen eine gemeinsame Sorge.
Vorliegend teilen das Jugendamt und der Verfahrensbeistand mit, dass die Kommunikation der Eltern grundsätzlich funktioniere. Dies stellt auch nicht die Mutter in Abrede. Sie meint, dass die Kommunikation aufgrund der zwischen beiden Elternteilen befindlichen Entfernung schwierig sei.
Hierin ist aber nach fester Auffassung des Senats kein Grund gegeben, die gemeinsame elterliche Sorge nicht anzuordnen. Kommunikation kann in der heutigen Zeit elektronisch, schriftlich oder auch telefonisch stattfinden. Notwendige Dokumente können im Eilfall eingescannt und per E-Mail oder auf sonstigen elektronischen Übermittlungswegen sofort zur Verfügung gestellt und unterschrieben zurückgeleitet werden.
Eine Streitigkeit hinsichtlich der elterlichen Sorge ist zudem nicht ersichtlich. Die Entscheidung zugunsten der alleinigen elterlichen Sorge kann nicht auf Vorrat erfolgen. Sofern die Mutter die Befürchtung hat, der Vater könnte einer Impfung nicht zustimmen, so kann dies nach § 1628 BGB im Streitfall geklärt werden. Etwaige Streitigkeiten im Einzelfall sprechen nicht gegen die gemeinsame elterliche Sorge. Eine solche Streitigkeit ist aber in keinem entscheidungserheblichen Punkt der elterlichen Sorge vorgetragen.
Auch sind wesentliche Bereiche des Sorgerechts (z. B. der Aufenthalt bei der Mutter) unstreitig, so dass allein aus diesem Grund dem Vater nicht an geklärten Teilbereichen die Teilhabe an der gemeinsamen elterlichen Sorge zu verwehren ist.
In Übereinstimmung der Einschätzung des Amtsgerichts, des Verfahrensbeistandes und des zuständigen Jugendamtes geht deswegen auch der Senat davon aus, dass die zwischen den Eltern vorhandene Kommunikation ausreichend ist, um eine elterliche Sorge, auch über eine weitere Entfernung hinweg auszuüben. Weder die Entfernung noch die Pandemielage und die Befürchtung der Mutter, mit größerem organisatorischen Aufwand betraut zu sein, hindern die gemeinsame elterliche Sorge. Eilige Entscheidungen sind derzeit nicht ersichtlich und können – insofern wird auf obige Ausführung verwiesen – aufgrund der vorhandenen raschen Kommunikationsmöglichkeiten schnell geklärt werden. Soweit ein Elternteil tatsächlich verhindert sein sollte, übt der andere die elterliche Sorge allein aus (§§ 1678 Abs. 1, 1629 Abs. 1 S. 4 BGB) (vgl. Döll in: Erman, BGB, 16. Aufl. 2020, § 1627 BGB, Rn. 9).
Insbesondere ist auch die fehlende Bereitschaft des Vaters B. in die Frühdiagnoseklinik nach … zu fahren kein Grund, da dies die elterliche Sorge nicht berührt. Die Sorge der Mutter, dass es zu einem „Machtspiel“ kommen könnte, ist nach dem festgestellten Sachverhalt unbegründet, jedenfalls sind derzeit Anhaltspunkte hierfür nicht ersichtlich.
Die gemeinsame elterliche Sorge dient vielmehr sogar dem Kindeswohl, denn so ist auch der Vater in wesentliche Entscheidungen eingebunden und beide Eltern können gemeinsam die für das Kind notwendige Verantwortung tragen.
III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 84 FamFG.
Die Festsetzung des Wertes für das Beschwerdeverfahren beruht auf §§ 40, 45 Abs. 1 FamGKG und entspricht hinsichtlich der elterlichen Sorge der Festsetzung in erster Instanz.
Gründe für die Zulassung der Rechtsbeschwerde sind nicht gegeben (§ 70 Abs. 2 FamFG).

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Die Scheidung einer Ehe

War es bis vor etlichen Jahren noch undenkbar, eine Ehe scheiden zu lassen, so ist eine Scheidung heute gesellschaftlich akzeptiert. Die Zahlen der letzten Jahre zeigen einen deutlichen Trend: Beinahe jede zweite Ehe wird im Laufe der Zeit geschieden. Was es zu beachten gilt, erfahren Sie hier.
Mehr lesen