Aktenzeichen XVII 65/19
Leitsatz
1. Wird die Anordnung einer Betreuung rechtskräftig abgelehnt, ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens wegen der materiellen Rechtskraft allenfalls möglich, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die nach Erlass dieses Beschlusses entstanden sind und eine andere Beurteilung rechtfertigen. (Rn. 5 – 7) (redaktioneller Leitsatz)
2. Objektivierbare neue Tatsachen, die geeignet sind, die materielle Rechtskraft eines Beschlusses zu durchbrechen und ein rechtskräftig eingestelltes Verfahren wiederaufzunehmen, liegen mangels neuer Anknüpfungs- und Befundtatsachen nicht vor, wenn die Diagnose dem Gericht bereits vor Erlass des ursprünglichen Beschlusses bekannt war. (Rn. 8 – 10) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
Die Wiederaufnahme des Betreuungsverfahrens XVII 401/17 wird abgelehnt.
Eine Betreuung wird weiterhin nicht angeordnet.
Gründe
I.
Am 17.06.2016 regte das BKH Günzburg an, bei dem Betroffenen eine Betreuung einzurichten. Das Verfahren XVII 299/16 endete nach fachpsychiatrischer Begutachtung ohne Betreuerbestellung durch rechtskräftigem Beschluss vom 18.07.2016.
Anschließend probierte es die Jugend- und Erwachsenenhilfe … mit Schreiben vom 30.03.2017. Da keine neuen Anknüpfungs- und Befundtatsachen vorlagen, verbeschied das Gericht die Anregende mit Schreiben vom 06.04.2017 im Verfahren XVII 188/17.
Auch das BKH Günzburg probierte es erneut mit Anregung vom 18.07.2017. Da vermeintliche neue Anknüpfungs- und Befundtatsachen vorlagen, ordnete das Gericht eine erneute fachpsychiatrische Begutachtung des Betroffenen an. Diese war jedoch ebenfalls nicht zielführend, weshalb das Gericht auch hier das Verfahren XVII 401/17 mit rechtskräftigem Beschluss vom 21.11.2017 ohne Betreuerbestellung einstellte.
Im – nunmehr vierten – Anlauf beantragt der Betroffene selbst die Einrichtung einer Betreuung mit Schreiben vom 23.01.2019. Da die Betreuungsbehörde eine neue Begutachtung anregte, kam dem das Gericht nach, welches der Sachverständige Dr. med. … unter dem 20.05.2019 erstattete.
II.
Die Wiederaufnahme des Verfahrens XVII 401/17 war abzulehnen.
Das Betreuungsgericht hat mit – rechtskräftigem – Beschluss vom 21.11.2017 im Verfahren XVII 401/17 die Einrichtung einer rechtlichen Betreuung abgelehnt.
Aufgrund der Rechtskraft dieses Beschlusses kann daher ohne weiteres keine rechtliche Betreuung mehr angeordnet werden. Dies wäre allenfalls dann möglich, wenn neue Tatsachen oder Beweismittel bekannt werden, die nach Erlass des Beschlusses vom 21.11.2017 entstanden sind und eine andere Beurteilung rechtfertigen, ansonsten wäre die materielle Rechtskraft des Beschlusses vom 21.11.2017 betroffen.
Zwar liegt bei dem Betreuten nach dem überzeugenden Gutachten des Sachverständigen Dr. … vom 20.05.2019 jedenfalls gesichert eine rezidivierende depressive Störung und damit eine psychische Erkrankung im Sinne von § 1896 Abs. 1 S. 1 BGB vor, wobei bloßer Alkoholismus eine Betreuerbestellung nach der Rechtsprechung des BGH nicht rechtfertigt. Diese Diagnosen lagen jedoch bereits am 21.11.2017 vor und rechtfertigen auch weiterhin keine Betreuerbestellung, insbesondere ergaben sich seit dem 21.11.2017 keine neuen Anknüpfungs- und Befundtatsachen, die nunmehr eine Betreuerbestellung rechtfertigen können. Insbesondere hat sich die vom Betroffenen behauptete Intelligenzminderung nicht bestätigt.
Objektivierbare neue Tatsachen, die geeignet sind, die materielle Rechtskraft des Beschlusses vom 21.11.2017 zu durchbrechen und das rechtskräftig eingestellte Verfahren XVII 401/17 wiederaufzunehmen, sind somit nicht feststellbar.
Mit dem Beschluss vom 21.11.2017 muss es daher weiterhin sein Bewenden haben.
Die Beteiligten hatten rechtliches Gehör.