Familienrecht

Erweiterung einer Betreuung

Aktenzeichen  43 T 31/19

Datum:
12.3.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 35699
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Bamberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 1896 Abs. 2 S. 1
FamFG § 68 Abs. 3 S. 2

 

Leitsatz

Vor der Erweiterung einer Betreuung kann von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abgesehen werden, wenn aufgrund ausführlicher Dokumentation der Inhalt einer nur kurze Zeit zurückliegenden Anhörung für das Beschwerdegericht gut nachvollziehbar ist und weitere entscheidungserhebliche neue Tatsachen oder rechtliche Gesichtspunkte fehlen. (Rn. 18) (red. LS Axel Burghart)

Verfahrensgang

2 XVII 110/06 2019-01-22 Bes AGFORCHHEIM AG Forchheim

Tenor

1. Die Beschwerde des Betroffenen gegen den Beschluss des Amtsgerichts Forchheim vom 22.01.2019, Az. 2 XVII 110/06, wird zurückgewiesen.
2. Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 5.000,00 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Der Betroffene steht aufgrund des Beschlusses des Amtsgerichts Forchheim vom 09.06.2006 (Bl. 61 f. d.A.) unter Betreuung – zuletzt verlängert durch Beschluss vom 21.08.2013 bis zum 21.08.2020. Wegen der Einzelheiten wird auf den Beschluss Bezug genommen. Die Beschwerdekammer des Landgerichts hat bereits über diverse Beschwerden des Betroffenen zu befinden gehabt, zuletzt etwa in den Verfahren 3 T 155/13 und 3 T 144/16.
Mit Schreiben vom 11.12.2018 (Bl. 1316 f. d.A.) beantragte die Betreuerin des Betroffenen die Erweiterung der Betreuung um den Aufgabenkreis „Gesundheitssorge einschließlich hiermit verbundener Aufenthaltsbestimmung“. Hintergrund hierfür war, dass der Betroffene mehrfach notärztliche Einsätze verursachte, dann aber zum Teil erklärte, sein Zustand habe sich „spontan verbessert“ und zu klären war, ob beim Betroffenen tatsächlich eine Erkrankung bestand und weitere Maßnahmen (insbesondere ärztliche Behandlung, Reha) einzuleiten waren.
Das Amtsgericht holte hierzu mit Beschluss vom 12.12.2018 (Bl. 1318 d.A.) ein Gutachten zu den medizinischen Voraussetzungen der Erweiterung der Betreuung um den genannten Aufgabenkreis ein, welches am 19.01.2019 vorgelegt wurde (Bl. 1334 f. d.A.).
Mit weiterem Schreiben vom 08.01.2019 (Bl. 1327 d.A.) beantragte die Betreuerin des Betroffenen die Erweiterung der Betreuung um den Aufgabenkreis „Wohnungsangelegenheiten“. Hintergrund hierfür war, dass der Betroffene von seinem Bruder – dem Betreuer seiner Mutter – aus dem bisher genutzten Haus in H. hinausgeworfen worden ist und ihm die Obdachlosigkeit drohte. Der Betroffene selbst erklärte sich mit Schreiben vom 08.01.2019 (Bl. 1328 d.A.) zunächst einverstanden mit der Betreuungserweiterung und nahm auch eine zunächst gegen die im Rahmen einstweiliger Anordnung mit Beschluss vom 08.01.2019 (Bl. 1329 d.A.) erfolgte Erweiterung der Betreuung um den genannten Aufgabenkreis zurück (Bl. 1345 d.A.).
Am 22.01.2019 hörte das Amtsgericht den Betroffenen an (Bl. 1344 d.A.) und ordnete mit Beschluss vom gleichen Tag (Bl. 1348 d.A.) an, dass die Betreuung um die Aufgabenkreise
– Wohnungsangelegenheiten sowie
– Gesundheitsfürsorge einschließlich damit verbundener Aufenthaltsbestimmung erweitert wird.
Hiergegen richtet sich die Beschwerde des Betroffenen vom 13.02.2019 (Bl. 1365 d.A.).
Das Amtsgericht hat der Beschwerde nach Abwarten einer Beschwerdebegründung (Bl. 1368 d.A.) mit Beschluss vom 04.03.2019 (Bl. 1369 f. d.A.) nicht abgeholfen und die Sache dem Beschwerdegericht vorgelegt.
II.
Die gemäß § 58 ff. FamFG zulässige Beschwerde des Betroffenen hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Ein Betreuer kann und darf gemäß § 1896 Abs. 2 Satz 1 BGB nur für Aufgabenkreise bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Dies ist nicht der Fall, soweit die Angelegenheiten des Betroffenen durch einen Bevollmächtigten oder andere Hilfen, bei denen kein gesetzlicher Vertreter bestellt wird, ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können (§ 1896 Abs. 2 BGB). Aus dem Grundsatz der Erforderlichkeit folgt weiter, dass ein Betreuer nur bestellt werden darf, wenn Handlungsbedarf besteht, weil die konkret bezeichneten Angelegenheiten ein Tätigwerden verlangen (BayObLG, FamRZ 20000, 189). Die Erforderlichkeit muss dabei für jeden Aufgabenkreis gesondert festgestellt werden (BayObLG, FamRZ 1999, 1612).
2. Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze – denen die Kammer folgt – liegen diese Voraussetzungen hier für beide, die bisherige Betreuung erweiternde, Aufgabenbereiche vor:
a) Bezüglich des Aufgabenkreises Wohnungsangelegenheiten besteht offensichtlich schon deshalb Handlungsbedarf, weil der Betroffene inzwischen obdachlos ist und seine Wohnsituation dringend – sei es dahingehend, dass er erneut in das bisher mitgenutzte Haus seiner Mutter einziehen darf oder eine neue Wohnung begründet – geregelt werden muss.
b) Bezüglich des Aufgabenkreises Gesundheitsfürsorge einschließlich damit verbundener Aufenthaltsbestimmung besteht ebenfalls offensichtlicher Handlungsbedarf, nachdem der Betroffene mehrfach notärztliche Einsätze provoziert hat und die Ursache für die (ggfs. angeblichen) Bewusstlosigkeiten, die dazu geführt haben, ungeklärt war. Zudem war der Betroffene erst kürzlich in stationärer Behandlung wegen einer entzündlichen Darmerkrankung mit anschließender Reha, so dass auch insoweit die Notwendigkeit der Regelung dieser Angelegenheiten bestand.
c) Mildere Maßnahmen als die Erweiterung der Betreuung auf die Aufgabenkreise sind nicht ersichtlich.
Insbesondere ist der Betroffene aufgrund seiner Intelligenzminderung (IQ von 56) und dem sich daraus ergebenden Verhaltensweisen bei Umgang im sozialen Umfeld (unkritisches Schwarz – Weiß – Denken und unrealistisches Wunschdenken, Überschätzen der eigenen Fähigkeiten etc.) nicht in der Lage selbst diese Angelegenheiten – was vom Sachverständigen Nerb im Gutachten vom 19.01.2019 nachvollziehbar und inhaltlich überzeugend bestätigt wurde.
d) Die notwendige Anhörung des Betroffenen wurde vom Amtsgericht durchgeführt.
III.
Die Kammer hat davon abgesehen, den Betroffenen vor der Entscheidung über seine Beschwerde erneut anzuhören.
Nach § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG kann das Beschwerdegericht von der Durchführung einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind. Obwohl das Beschwerdeverfahren als volle Tatsacheninstanz ausgestaltet ist, stellt es § 68 Abs. 3 Satz 2 FamFG in das pflichtgemäße Ermessen des Beschwerdegerichts, in welchem Umfang es Ermittlungen und Beweiserhebungen wiederholt (vgl. etwa Keidel/Sternal, FamFG, 18. Auflage 2014, § 68 Rn. 57 f.). Die Vorschrift dient der effizienten Nutzung gerichtlicher Ressourcen in der Beschwerdeinstanz, indem unnötige doppelte Beweisaufnahmen verhindert werden und auf die Durchführung eines Termins verzichtet werden kann, wenn die Sache bereits in der ersten Instanz im erforderlichen Umfang mit den Beteiligten erörtert wurde (BT-Drucks. 16/6308 S. 207 re. Sp.).
Hier hat das Amtsgericht den Betroffenen am 22.01.2019 angehört und den Inhalt der Anhörung in einem Protokoll niedergelegt. Anhand dieses Protokolls lässt sich der Ablauf des Gesprächs in Einzelheiten nachvollziehen. Angesichts dieser nur kurze Zeit zurückliegenden Anhörung, des Fehlens weiterer entscheidungserheblicher neuer Tatsachen oder rechtlicher Gesichtspunkte seit der durchgeführten Anhörung, des für das Beschwerdegericht aufgrund ausführlicher Dokumentation gut nachvollziehbaren Inhalts des Gesprächs konnte hier von einer erneuten Anhörung des Betroffenen abgesehen werden.
Die Beschwerde des Betroffenen ist nach alledem insgesamt unbegründet und zurückzuweisen.
IV.
Eine ausdrückliche Kostenentscheidung kann unterbleiben, was zur Folge hat, dass eine Kostenerstattung nicht stattfindet und derjenige die Gerichtskosten zu tragen hat, der nach den gesetzlichen Vorschriften, insbesondere nach dem Gesetz über die Kosten der freiwilligen Gerichtsbarkeit für Gericht und Notare (GNotKG), die Kosten zu tragen hat. Die jeweiligen Anwaltskosten hat derjenige zu tragen, der einen Anwalt mandatiert hat (vgl. Keidel/Zimmermann, Kommentar zum FamFG, 18. Aufl. 2014, § 81 Rn. 5).
V.
Die Festsetzung des Geschäftswertes beruht auf § 36 Abs. 3 GNotKG.

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