Aktenzeichen 26 UF 542/19
Leitsatz
Verfahrensgang
533 F 11011/18 2019-04-23 Teilbeschluss AGMUENCHEN AG München
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Teilbeschluss des Amtsgerichts München vom 23.04.2019 wird zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert wird für das Beschwerdeverfahren auf 6.000 € festgesetzt.
4. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die Antragstellerin begehrt im Wege des Stufenantrags Auskunft und Kindesunterhalt vom Antragsgegner.
Der Antragsgegner ist der Vater der am … 2011 geborenen Antragstellerin. Die Antragstellerin lebt bei ihrer Mutter und besucht die Grundschule. Sie verfügt über kein eigenes Einkommen.
Antragsgegner und Mutter der Antragstellerin hatten am 02.10.2010 die Ehe geschlossen und sind seit Februar 2014 rechtskräftig geschieden.
Antragsgegner und Mutter der Antragstellerin haben anlässlich der Trennung am 24.06.2013 eine notarielle Trennungs- und Scheidungsfolgenvereinbarung geschlossen. Hierin hat sich der Antragsgegner u.a. verpflichtet, an die Mutter der Antragstellerin zur Abgeltung von Kindesunterhaltsansprüchen und Ehegattenunterhaltsansprüchen während der Trennung einen monatlichen Gesamtbetrag von 4.416 € zu bezahlen. Diese Verpflichtung war befristet bis zum 30.06.2019.
Mit notarieller Urkunde vom 08.11.2018 hat sich der Antragsgegner verpflichtet, an die Antragstellerin einen monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von 160% des Mindestunterhalts der jeweiligen Düsseldorfer Tabelle in der jeweiligen Altersstufe, abzüglich des hälftigen Kindergeldes, zu bezahlen.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz vom 16.11.2018 beim Amtsgericht München einen Stufenantrag erhoben, mit dem sie Auskunft über das Einkommen des Antragsgegners, Zahlung von Kindesunterhalt ab dem 01.07.2019 sowie Zahlung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten in Höhe von 492,54 € begehrt. Sie beabsichtigt, ihren Unterhaltsanspruch nach konkretem Bedarf zu berechnen und stellt sich einen monatlichen Unterhaltsanspruch in Höhe von etwa 4.000 € vor.
Der Antragsgegner hat sich für unbeschränkt leistungsfähig erklärt. Er ist Geschäftsführer des Burda Verlag BCN sowie Geschäftsführer weiterer Gesellschaften. Zudem erzielt er Einkünfte aus Gewerbebetrieb bezüglich gewerblicher Personengesellschaften und hält Beteiligungen an Vermietungsgesellschaften.
Die Antragstellerin beantragte vor dem Amtsgericht zuletzt:
Der Antragsgegner wird verpflichtet, Auskünfte über seine Einkünfte aus den Jahren 2016, 2017 und 2018 durch Vorlage eines detaillierten, vollständigen und geordneten Bestandsverzeichnisses zu erteilen. Hierzu ist Auskunft über seine Einkünfte für die Jahre 2016 bis 2018 aus Kapitalanlagen, Immobilien, Gesellschaftsbeteiligungen, Geldanlagen und selbständige und nichtselbständige Tätigkeit zu erteilen.
Der Antragsgegner beantragte
Abweisung des Antrags.
Das Amtsgericht München hat den Antragsgegner mit Teilbeschluss vom 23.04.2019 antragsgemäß zur Auskunft verpflichtet.
Hiergegen wendet sich der Antragsgegner mit seiner Beschwerde.
Er ist der Ansicht, eine Auskunftspflicht bestehe nicht, da er sich für unbeschränkt leistungsfähig erklärt habe. Die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Auskunftspflicht unter Ehegatten bei Erklärung der unbeschränkten Leistungsfähigkeit durch den unterhaltspflichtigen Ehegatten sei nicht auf den Kindesunterhalt übertragbar.
Die Antragstellerin hält die Beschwerde bereits für unzulässig, da der Beschwerdewert nicht erreicht sei. Jedenfalls sei die Beschwerde unbegründet, da ihr trotz der Erklärung der unbeschränkten Leistungsfähigkeit durch den Antragsgegner ein Auskunftsanspruch zustehe.
II.
Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet.
1. Die Beschwerde ist zulässig. Der Beschwerdewert von mehr als 600,00 € ist erreicht (§ 61 Abs. 1 FamFG). Dies ergibt sich daraus, dass der Antragsgegner unwidersprochen Anteile an mehreren Gesellschaften hat, und zwar an Personengesellschaften sowie Vermietungsbeteiligungsgesellschaften. Der Antragsgegner hat plausibel dargelegt, dass er, um die ihm durch das Amtsgericht auferlegte Auskunftsverpflichtung ordnungsgemäß erfüllen zu können, vorab die ihm aus seinen Anteilen erwachsenen Einkünfte ermitteln lassen müsste, da für die Jahre 2017 und 2018 die Abschlüsse noch nicht gefertigt und Steuererklärungen noch nicht erstellt sind. Hierzu bedürfte der Antragsgegner nachvollziehbar der Mithilfe eines Steuerberaters. Dass die Einkünfte aus den Beteiligungsgesellschaften für den Antragsgegner auch online zu ermitteln sein dürften, hält der Senat für fernliegend. Vielmehr bedarf es einer genauen Aufstellung der Einnahmen und Ausgaben für Zeiträume, für die noch kein Jahresabschluss vorliegt. Dieser muss dann durch einen Steuerberater gesondert für den Antragsgegner erstellt werden, damit dieser seiner Auskunftsverpflichtung nachkommen kann. Die Kosten hierfür würden einen Betrag von 600,00 € weit übersteigen. Dem steht nicht entgegen, dass – wie die Antragstellerin meint – sich gegenüber dem Jahr 2016 insoweit kaum Veränderungen ergeben haben dürften. Eine Auskunftspflicht des Antragsgegners wäre nicht dadurch erfüllt, dass er ungefähre Angaben zu seinen Einkünften macht. Vielmehr ist er durch das Amtsgericht München konkret verpflichtet worden, genaue Auskünfte auch zu den Jahren 2017 und 2018 zu erteilen. Um dieser Auskunftsverpflichtung ordnungsgemäß nachkommen zu können, bedarf es der Ermittlung konkreter Zahlen gerade für die Jahre 2017 und 2018. Es mag sein – wie die Antragstellerin meint -, dass ein Steuerberater nichts mit dem Abschluss neuer Mietverträge zu tun hat. Er muss jedoch beauftragt werden, das Einkommen des Antragsgegners aus den Gesellschaften zu ermitteln, an denen der Antragsgegner beteiligt ist. Hierfür fallen Kosten an, die den Beschwerdewert mit Sicherheit erreichen.
2. Die Beschwerde des Antragsgegners ist jedoch nicht begründet.
Der Antragstellerin steht gegen den Antragsgegner der geltend gemachte Auskunftsanspruch zu. Dieser Auskunftsanspruch ergibt sich aus § 1605 BGB. Danach sind Verwandte in gerader Linie einander verpflichtet, auf Verlangen über ihre Einkünfte und ihr Vermögen Auskunft zu erteilen, soweit dies zur Feststellung eines Unterhaltsanspruchs oder einer Unterhaltsverpflichtung erforderlich ist (§ 1605 Abs. 1 Satz 1 BGB). Eine entsprechende Auskunftsverpflichtung besteht dann nicht, wenn feststeht, dass die begehrte Auskunft für den Unterhaltsanspruch oder die Unterhaltsverpflichtung keinerlei Bedeutung hat (vgl. z.B. BGH FamRZ 2018, 260). Dies ist dann der Fall, wenn sich der Kindesunterhalt nach festen Bedarfssätzen bestimmt und die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen feststeht (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 10. Aufl., Rdnr. 1160 zu § 1). Ist Auskunft zu den Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Unterhaltspflichtigen zu erteilen, erstreckt sie sich auf die Umstände, die für die wirtschaftlichen Voraussetzungen des Unterhaltsanspruchs relevant sind, nämlich vor allem auf den Bedarf und die Bedürftigkeit des Unterhaltsberechtigten sowie die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen (BGH a.a.O.). Für den Auskunftsanspruch genügt dabei die Möglichkeit, dass die Auskunft für den Unterhalt bedeutsam sein kann. Solange es ohne Kenntnis von den konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Auskunftspflichtigen nicht ausgeschlossen erscheint, dass die Auskunft für die Bemessung des Unterhalts benötigt wird, bleibt es bei der vollständigen Auskunftspflicht.
Diese entfällt erst, wenn die Auskunft unter keinem denkbaren Gesichtspunkt Einfluss auf den Unterhalt haben kann (BGH a.a.O.). Die Erklärung des Unterhaltspflichtigen, er sei unbegrenzt leistungsfähig, bezieht sich lediglich auf die Leistungsfähigkeit. Der Unterhaltspflichtige verzichtet mit einer solchen Erklärung darauf, den Einwand fehlender oder eingeschränkter Leistungsfähigkeit geltend zu machen. Damit steht jedoch noch nicht fest, dass auch der Unterhaltsbedarf ohne Rücksicht auf die Höhe des Einkommens oder des Vermögens ermittelt werden kann (BGH a.a.O.).
Beim Kindesunterhalt bestimmt sich die nach § 1610 Abs. 1 BGB maßgebliche Lebensstellung des bedürftigen Kindes nach der Lebensstellung seiner Eltern. Diese Lebensstellung wird in erster Linie von den Einkommens- und Vermögensverhältnissen der Eltern geprägt (vgl. BGH FamRZ 1987, 58). Wird das Kind von einem Elternteil betreut und ist nur der andere Elternteil barunterhaltspflichtig, bestimmt sich die Lebensstellung des Kindes grundsätzlich nach den Einkommensverhältnissen des barunterhaltspflichtigen Elternteils (BGH FamRZ 2007, 707). Zwar ist zutreffend, dass die Bedarfssätze der Düsseldorfer Tabelle nicht schematisch entsprechend dem höheren Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils fortgeschrieben werden dürfen. Allerdings begrenzt die Düsseldorfer Tabelle den Kindesunterhalt nicht nach oben. Geht das Einkommen des Unterhaltspflichtigen über das Einkommen hinaus, das in der höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle festgelegt ist, wird der Unterhalt gerade nicht mehr nach feststehenden Bedarfssätzen ermittelt. Auch wenn der Kindesunterhalt nicht wie beim Ehegattenunterhalt nach einer bestimmten Quote aus dem beiderseits erzielten Einkommen errechnet wird, ist bei Überschreiten der höchsten Einkommensgruppe der Düsseldorfer Tabelle nach den Umständen des Einzelfalls zu prüfen, welcher Unterhaltsbedarf des Kindes angesichts der konkreten Einkommensverhältnisse des Unterhaltspflichtigen noch als angemessen anzusehen ist (Wendl/Klinkhammer, a.a.O., Rdnr. 341 zu § 2). Bei einem Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils, das den Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle übersteigt, muss sichergestellt bleiben, dass Kinder in einer ihrem Alter entsprechenden Weise an einer Lebensführung teilhaben, die der besonders günstigen wirtschaftlichen Situation der Eltern entspricht, an die sie sich vielfach im Zusammenleben mit ihren Eltern gewöhnt haben werden und ihnen auch nach einer Trennung der Eltern grundsätzlich erhalten bleiben soll. Einen Anspruch auf bloße Teilhabe am Luxus hat das Kind dagegen nicht (BGH FamRZ 2000, 358). Was allerdings noch angemessene Teilhabe des Kindes an den besonders günstigen wirtschaftlichen Verhältnissen der Eltern bzw. des barunterhaltspflichtigen Elternteils ist und was bereits nicht gerechtfertigte Teilhabe am Luxus, kann bei einem Einkommen, das den Höchstsatz der Düsseldorfer Tabelle übersteigt, nicht generell bestimmt werden, sondern hängt gerade von den konkreten Einkommens- und Vermögensverhältnissen des Barunterhaltspflichtigen ab. So kann das, was noch als angemessene Teilhabe an den wirtschaftlichen Verhältnissen des barunterhaltspflichtigen Elternteils anzusehen ist, im Einzelfall sehr unterschiedlich zu bewerten sein. Es macht einen erheblichen Unterschied aus, ob der barunterhaltspflichtige Elternteil z.B. ein monatliches Nettoeinkommen von 6.000,00 € oder von 30.000,00 € hat. Der Umstand, dass sich die Eltern schon kurz nach der Geburt des Kindes getrennt haben, kann dabei nicht von vornherein als Rechtfertigung für eine Begrenzung des Kindesunterhalts herangezogen werden, da das Kind seine Lebensstellung auch von dem Elternteil ableitet, mit dem es nicht zusammengelebt hat (Wendl/Klinkhammer a.a.O.). Die Frage, was noch angemessen und was bereits Luxus ist, kann somit nicht für alle Einkommensverhältnisse oberhalb des Höchstsatzes der Düsseldorfer Tabelle gleich beurteilt werden. Um die Angemessenheit des Bedarfs ermitteln zu können, ist das konkrete Einkommen des Unterhaltspflichtigen in den Blick zu nehmen. So kann beispielsweise die genaue Höhe des Einkommens Aufschluss darüber geben, welche Aufwendungen für Freizeitaktivitäten des Kindes noch von seinem angemessenen Bedarf gedeckt sind und welche bereits als Luxus zu bezeichnen sind (vgl. KG KGR Berlin 2002, 216). Darüber hinaus ist zu beachten, dass – wie es vorliegend bei einzelnen von der Antragstellerin aufgelisteten Bedarfspositionen in Betracht kommt – auch bei Einkünften des Unterhaltspflichtigen oberhalb des Höchstsatzes der Düsseldorfer Tabelle vielfach Mehrbedarf im Raum stehen wird. An Mehrbedarf hat sich grundsätzlich der betreuende Elternteil zu beteiligen. Der Umfang seiner Beteiligung richtet sich dabei nach den beiderseitigen Einkommensverhältnissen der Eltern (Wendl-Klinkhammer a.a.O., Rdnr. 462 zu § 2). Um die Beteiligungsquote ermitteln zu können, ist aber die Kenntnis von der konkreten Höhe des Einkommens beider Elternteile erforderlich. Das konkrete Einkommen des barunterhaltspflichtigen Elternteils kann das unterhaltsberechtigte Kind jedoch nur im Wege eines Auskunftsanspruchs gegen diesen Elternteil in Erfahrung bringen. Dem kann der Einwand nicht entgegengehalten werden, wenn sich der unterhaltspflichtige Elternteil für unbegrenzt leistungsfähig erklärt, bringe er damit zum Ausdruck, dass er angemessenen Unterhalt in jeder beliebigen Höhe leisten könne. Denn die Erklärung, unbegrenzt leistungsfähig zu sein, betrifft eben nur die Leistungsfähigkeit, hilft aber weder bei der Bedarfsermittlung und damit bei der Frage, was im Hinblick auf die Einkommensverhältnisse des barunterhaltspflichtigen Elternteils noch als angemessen zu werten ist, noch bei der Frage, in welcher Höhe sich der betreuende Elternteil an Mehrbedarf zu beteiligen hat, weiter.
3. Der Umfang der vom Amtsgericht ausgesprochenen Auskunftsverpflichtung ist aus den vom Amtsgericht in seiner Entscheidung genannten Gründen nicht zu beanstanden. Soweit der Antragsgegner auch für Einkünfte aus nichtselbständiger Tätigkeit zu einer Auskunft für die Jahre 2016, 2017 und 2018 verpflichtet wurde, beruht dies nach den Erwägungen des Amtsgerichts auf der Möglichkeit, dass der Antragsgegner im Rahmen seiner verschiedenen Geschäftsführertätigkeiten Bonuszahlungen und Prämien in jährlich unterschiedlicher Höhe bezieht und daher zur Ermittlung eines aussagekräftigen Jahreseinkommens ein Durchschnitt aus den letzten drei Jahren zu bilden ist. Diese Erwägungen sind sachgerecht und stehen mit der Einkommensermittlung bei (möglicherweise) erheblich schwankenden Einkünften aus anderen Einkunftsarten in Einklang.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 113 Abs. 1 FamFG, 97 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes für das Beschwerdeverfahren orientiert sich an den für die Auskunftserteilung zu erwartenden Kosten. Diese schätzt der Senat aus den oben unter II. 1. genannten Gründen auf 6.000 €.
V.
Die Rechtsbeschwerde war zuzulassen, da die Rechtsfrage grundsätzliche Bedeutung hat (§ 70 Abs. 2 Nr. 1 FamFG), ob die vom Bundesgerichtshof in seiner Entscheidung FamRZ 2018, 260 für den Ehegattenunterhalt dargelegten Grundsätze der Auskunftspflicht bei erklärter unbeschränkter Leistungsfähigkeit durch den Unterhaltsverpflichteten auch auf den Verwandtenunterhalt übertragbar sind.