Aktenzeichen 28 W 19/17
Leitsatz
Voraussetzung für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist eine wirksame Fristsetzung gem. § 411 Abs. 1 ZPO und das Setzen einer Nachfrist mit Ordnungsgeldandrohung gem. § 411 Abs. 2 S. 1 und S. 2 ZPO. Das Setzen allein einer „Nachfrist“ samt Ordnungsgeldandrohung ist unzulässig, wenn zuvor noch keine Frist zur Erstattung seines schriftlichen Gutachtens gesetzt wurde. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
3 O 1819/11 2016-12-09 Bes LGMUENCHENII LG München II
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Sachverständigen Dipl. Ing. (FH) Peter Arnold vom 9.12.2016 wird der Beschluss des Landgerichts München II vom 1.12.2016 insoweit aufgehoben, als darin gegen diesen ein Ordnungsgeld in Höhe von 400,00 € festgesetzt ist.
2. Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens wird auf 400,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
Der Beschwerdeführer begehrt die Aufhebung eines gegen ihn ergangenen Ordnungsgeldbeschlusses samt Nachfristsetzung für die Gutachtenserstattung.
Mit Beschluss vom 11.11.2014 ordnete das Landgericht u.a. die Einholung eines ergänzenden schriftlichen Sachverständigengutachtens des Sachverständigen Dipl. Ing. (FH) Peter Arnold zur Höhe der erforderlichen Mängelbeseitigungskosten für die Mängel an den Treppenhäusern Z. Straße Haus Nr. 11, 13, 15 an.
Mit Verfügung vom 22.7.2015 übersandte das Landgericht die Gerichtsakten an den Beschwerdeführer und ersuchte diesen, ein schriftliches Gutachten zu dem im Beweisbeschluss genannten Beweisthema zu erstatten. Das Landgericht ersuchte den Beschwerdeführer, den Auftrag möglichst bald auszuführen.
Am 29.7.2015 teilte der Beschwerdeführer dem Vorsitzenden mit, dass er bereits Akten gehabt habe und die ihm übersandten vorbeibringen werde.
Mit Verfügung vom 8.1.2016 ersuchte das Landgericht den Beschwerdeführer um Mitteilung des Sachstandes.
Mit Verfügung vom 8.4.2016 fragte das Landgericht erneut beim Beschwerdeführer an, wann mit der Erstellung des Gutachtens gerechnet werden könne.
Mit Schriftsatz vom 17.5.2016 rügte der Kläger gem. § 198 Abs. 3 Satz 1 GVG die Dauer des Verfahrens.
Mit Verfügung vom 25.5.2016 forderte das Landgericht den Beschwerdeführer auf, umgehend die gerichtliche Anfrage vom 8.4.2016 zu beantworten.
Mit Beschluss vom 23.6.2016 setzte das Landgericht dem Beschwerdeführer unter Androhung der Festsetzung eines Ordnungsgeldes eine Nachfrist zur Erstattung des Gutachtens bis zum 30.9.2016.
Mit Verfügung vom 2.11.2016 und wiederholt mit Verfügung vom 24.11.2016 ersuchte das Landgericht den Beschwerdeführer um Mitteilung des Sachstandes.
Mit Beschluss vom 1.12.2016 setzte das Landgericht gegen den Beschwerdeführer ein Ordnungsgeld in Höhe von 400,00 € fest und setzte diesem unter Androhung eines erneuten Ordnungsgeldes eine weitere Nachfrist zur Erstattung des Gutachtens bis zum 27.1.2017.
Gegen diesen Beschluss legte der Beschwerdeführer per Telefax vom 9.12.2016 „Widerspruch“ ein, welchen er mit gesundheitlichen Problemen begründete, wobei er mitteilte, dass die Nachfrist bis zum 27.1.2017 nicht realistisch sei.
Mit Beschluss vom 13.12.2016 half das Landgericht der sofortigen Beschwerde nur dahingehend ab, dass es aus gesundheitlichen Gründen die Frist zur Niederlegung des Sachverständigengutachtens bis zum 31.3.2017 verlängerte, im Übrigen half es der sofortigen Beschwerde nicht ab und ordnete die Vorlage der „Ausgehobenen Akten“ an das Beschwerdegericht an.
II.
Die Beschwerde ist zulässig und begründet.
A. Die Beschwerde ist zulässig.
Die Beschwerde ist gem. § 567 Abs. 1 Nr. 1, 411 Abs. 2 Satz 4, 409 Abs. 2 ZPO statthaft.
Die am 9.12.2016 eingegangene Beschwerde gegen den Beschluss des Landgerichts vom 1.12.2016 wahrt die Frist des § 569 Abs. 1 Nr. 1 ZPO.
B. Die Beschwerde ist begründet.
Die formellen Voraussetzungen für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes gegen den Beschwerdeführer liegen nicht vor.
Gem. § 411 Abs. 1 Satz 1 ZPO soll das Gericht im Falle der Anordnung schriftlicher Begutachtung dem Sachverständigen eine Frist setzen, innerhalb derer er das von ihm unterschriebene Gutachten zu übermitteln hat.
Gem. § 411 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann gegen den Sachverständigen, welcher die Frist zur Erstattung des Gutachens versäumt, ein Ordnungsgeld festgesetzt werden, dieses muss jedoch gem. § 411 Abs. 2 Satz 2 ZPO vorher unter Setzung einer Nachfrist angedroht werden.
Voraussetzung für die Festsetzung eines Ordnungsgeldes ist somit eine wirksame Fristsetzung gem. § 411 Abs. 1 ZPO und das Setzen einer Nachfrist mit Ordnungsgeldandrohung gem. § 411 Abs. 2 Satz 1 und Satz 2 ZPO.
Vorliegend fehlt es an einer wirksamen Fristsetzung zur Gutachtenserstattung.
Eine solche ist weder in dem die schriftliche Begutachtung anordnenden Beschluss vom 11.11.2014 noch in der Verfügung vom 22.7.2015, mit welcher der Beschwerdeführer zur Erstattung eines schriftlichen Gutachtens ersucht wurde, enthalten. Auch den nachfolgenden Sachstandsanfragen vom 8.1.2016, 8.4.2016 und 25.5.2016 ist keine Fristsetzung zu entnehmen.
Erstmals mit Beschluss vom 23.6.2016 wird dem Beschwerdeführer eine „Nachfrist zur Erstattung des Gutachtens bis zum 30.9.2016“ gesetzt.
Das Setzen einer „Nachfrist“ samt Ordnungsgeldandrohung mit Beschluss vom 23.6.2016 war jedoch unzulässig, da das Landgericht dem Beschwerdeführer zuvor noch gar keine Frist zur Erstattung seines schriftlichen Gutachtens gesetzt hatte. Dem Setzen einer „Nachfrist“ hat bereits begrifflich eine vorherige Fristsetzung voranzugehen. Nur wenn der Sachverständige diese erste Frist versäumt hat, darf ihm eine Nachfrist unter Androhung eines Ordnungsgeldes gesetzt werden (Beck’scher Online-Kommentar ZPO, Vorwerk/Wolf 22. Edition, Stand 1.9.2016, Rn. 5.1 zu § 411 ZPO, OLG Karlsruhe, Beschluss vom 2.8.2012, 7 W 26/12, OLG Hamm, Beschluss vom 1.10.1997, 12 W 24/97).
Daraus folgt, dass an die Versäumung der bis zum 30.9.2016 gesetzten „Nachfrist“ keine Ordnungsgeldfestsetzung geknüpft werden durfte.
Auf ein Verschulden des Beschwerdeführers an der Fristversäumung kam es daher nicht entscheidungserheblich an.
C. Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.
Die Auseinandersetzung über die Verhängung eines Ordnungsgeldes ist nicht kontradiktorisch ausgestaltet. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens können auch nicht der Staatskasse auferlegt werden, da diese am Rechtsstreit nicht beteiligt ist.
Die Auslagen müssen vielmehr gem. § 91 ZPO vielmehr von derjenigen Partei getragen werden, die nach dem Schlussurteil kostenpflichtig ist (vgl. hierzu: BGH, Beschluss vom 22.6.2011, Az. I ZB 77/10, Rn. 24). Gerichtskosten entstehen nicht (Kostenverzeichnis Nr. 1812 zum GKG).
Der Gegenstandswert des Beschwerdeverfahrens ist mit dem festgesetzten Ordnungsgeld identisch und beträgt daher 400,00 €.