Familienrecht

Im Verwaltungsverfahren auf den Antrag des sorgeberechtigten Elternteils zur Änderung des Vornamens eines Minderjährigen findet keine familiengerichtliche Anhörung statt

Aktenzeichen  552 F 1160/17 RE

Datum:
22.2.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 145994
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
NamÄndG § 2 Abs. 1, Abs. 2
NamÄndVwV Nr. 7 Abs. 2
FamFG § 159

 

Leitsatz

Die in § 2 Abs. 2 NamÄndG normierte gerichtliche Pflicht zur Anhörung des Minderjährigen ist im Zusammenhang mit § 2 Abs. 1 NamÄndG dahingehend zu verstehen, dass eine solche nur geboten ist, soweit überhaupt ein familiengerichtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen ist – also nur bei antragstellenden Vormündern oder Pflegern – jedoch nicht bei einer Antragstellung durch die sorgeberechtigten Eltern. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Eine Anhörung des Betroffenen durch das Amtsgericht – Familiengericht – München zur beabsichtigten Namensänderung unterbleibt. 
2. Gerichtskosten werden (weiterhin) nicht erhoben, außergerichtliche Kosten nicht erstattet.
3. Der Verfahrenswert wird auf 5.000,00 € festgesetzt. 

Gründe

Mit Antrag vom 13.12.2016 begehrte der Betroffene bei der zuständigen Verwaltungsbehörde, der Landeshauptstadt München – Kreiswerwaltungsreferat -, gesetzlich vertreten durch seine alleinsorgeberechtigte Mutter, die Änderung seines Vornamens nach dem Namensänderungsgesetz (NamÄndG).
Dem Antrag beigefügt ist u.a. sowohl jeweils eine Stellungnahme der Mutter des Betroffenen vom 30.11.2016 sowie des Betroffenen selbst vom 28.10.2016 mit welcher beide die Gründe und Motive der begehrten Namensänderung darlegen.
Ferner ein Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – München vom 12.10.2009, Az. 563 F 4744/08, aus dem hervorgeht, dass die elterliche Sorge über den Betroffenen vollumfänglich der Mutter allein übertragen wurde.
Mit Schreiben vom 02.02.2017 bat die Landeshauptstadt München – Kreisverwaltungsreferat – daraufhin das Amtsgericht – Familiengericht – München um Anhörung des Betroffenen nach § 2 Abs. 2 NamÄndG, Nr. 7 Abs. 2 NamÄndVwV.
Eine Tätigkeit des Familiengerichts ist nicht veranlasst.
Zwar bestimmen § 2 Abs. 2 NamÄndG und Nr. 7 Abs. 2 NamÄndVwV, dass eine familiengerichtliche Anhörung zu erfolgen hat, wenn der Beteiligte das sechzehnte Lebensjahr vollendet hat, was hier der Fall ist, da der Betroffene am ^07.2000 geboren und damit 16 Jahre alt ist.
Vorliegend wurde der Antrag seitens der Mutter als alleinsorgeberechtigter Elternteil gestellt, welcher auch von den Betroffenen selbst (mit-)unterschrieben wurde.
Ausweislich des vom Kreisverwaltungsreferat in zutreffender Weise zitierten § 2 NamÄndG be-darf jedoch gem. § 2 Abs. 1 S. 1 Hs. 2 NamÄndG lediglich ein als Vormund oder Pfleger fungierender gesetzlicher Vertreter des minderjährigen beschränkt geschäftsfähigen Kindes der familiengerichtlichen Genehmigung – nicht jedoch die als gesetzlicher Vertreter fungierenden Eltern bzw. wie hier die allein sorgeberechtigte Mutter.
Die in Absatz 2 normierte gerichtliche Pflicht zur Anhörung des Minderjährigen ist im Zusammenhang mit Absatz 1 dahingehend zu verstehen, dass eine solche nur geboten ist, soweit überhaupt ein familiengerichtliches Genehmigungsverfahren durchzuführen ist – also nur bei antragstellenden Vormündern oder Pflegern – jedoch nicht bei Eltern.
Eine verfahrensrechtlich normierte Anhörungspflicht setzt immer auch zwingend eine letztliche Entscheidungsbefugnis des anhörenden Gerichts voraus – sie dient einzig und allein der Entscheidungsfindung des Gerichts.
Im vorliegenden Fall ist aber eine Entscheidung des Familiengerichts (familiengerichtliche Genehmigung) des Antrags gesetzlich nicht vorgesehen, weil der Betroffene weder unter Vormundschaft noch unter Pflegschaft steht.
Eine gerichtliche Anhörung würde hier demnach lediglich als Vorstufe zum Verfahren der Verwaltungsbehörde fungieren.
Solcherlei Anhörungsverpflichtungen sind jedoch sämtlichen gerichtlichen Verfahrensordnungen fremd. Sie würden letztlich auch dem Grundsatz widersprechen, dass Anhörungen möglichst immer vor der Gerichtsperson bzw. vor dem Mitarbeiter der Verwaltungsbehörde durchzuführen sind, die/der letztlich auch über den Anhörungsgegenstand zu entscheiden hat. Dies wäre hier nicht der Fall, da die alleinige Entscheidungskompetenz letztlich bei der zuständigen Verwaltungsbehörde, also der Landeshauptstadt München läge.
Das Gericht schließt sich hiermit der hierzu überzeugenden Rechtsprechung des Amtsgerichts -Familiengericht – Buxtehude (Beschluss vom 22.03.2011, Az. 8 F 549/10) an.
Soweit OLG München mit Beschluss vom 03.06.2013, Az. 12 WF 653/13 [unter Aufhebung der unter Berufung auf das AG Buxtehude, aaO., ebenfalls sehr überzeugenden Rechtsprechung des AG München (Beschluss vom 11.03.2013, Az. 542 F 1074/13 RE)] und ausdrücklich auch das seitens des OLG zitierte LG Bremen (Beschluss vom 28.04.1982 – StAZ 1982, 332) von einer isolierten Anhörungspflicht des Betroffenen, auch im Rahmen einer elterlichen gesetzli-chen Vertretung und damit unabhängig von dem Vorliegen einer Vormundschaft oder Pflegs-chaft ausgeht, vermag dies nicht zu überzeugen.
Wie bereits umfassend ausgeführt obliegt dem Gericht bei einen durch die Eltern bzw. wie hier durch eines alleinsorgeberechtigten Elternteils im Rahmen der elterlichen Sorge gestellten Namensänderungsantrags keinerlei gesetzlich normierter Entscheidungskompetenz (Umkehrschluss aus § 2 Abs. 1 S. 1 Alt. 1 NamÄndG).
Selbst die in Familien-/Kindschaftssachen zwingende Kindeswohlprüfung verortet das OLG Hamm (Beschluss vom 11.04.2011, Az. 8 UF 36/11) selbst bei familiengerichtlich genehmigungspflichtigen Namensänderungsangelegenheiten schlussendlich bei der zuständigen Verwaltungsbehörde.
Es stellt sich auf Grundlage der obigen Ausführungen letztlich die entscheidende Frage, worüber und zu welchem Zweck ein Gericht im vorliegenden Verfahren überhaupt eine Kindesanhörung durchführen soll, wenn es schlussendlich nicht einmal über die Eindrücke der Anhörung befinden darf. Eine gerichtliche Anhörung kann jedenfalls nicht der verwaltungsbehördlichen Entscheidungsfindung dienen. Auch fungieren Gerichte letztlich nicht als „Hilfsbehörden“ der Verwaltungsbehörden.
Im Übrigen hat der Betroffene bereits mit Schreiben vom 28.10.2016 seine Beweggründe hinsichtlich der seinerseits begehrten Namensänderung recht ausführlich und persönlich der Landeshauptstadt München gegenüber schriftlich dargelegt.
Nachdem selbst OLG München, aaO. unter Berufung auf OLG Düsseldorf (Beschluss vom 16.09.2010, Az. 8 UF 107/10) – welches über einen seitens eines Vormunds gestellten Namensänderungsantrags, welcher familiengerichtlich zu genehmigen war, hinsichtlich der diesbezüglichen Anhörungspflichten zu entscheiden hatte – nicht zwingend von einer persönlichen Anhörungspflicht iSv. § 159 FamFG ausgeht, erschiene eine neuerliche gerichtlich veranlasste (ausreichenderweise schriftlichen) Anhörung im Übrigen sehr formalistisch und wäre letztlich auch mit keinerlei neuem Erkenntnisgewinn für die letztlich zur Entscheidung berufene Verwaltungsbehörde verbunden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG.
Auf Grund der vorliegenden entgegenstehenden OLG-Entscheidung, auf welche sich der vorliegende Antrag stützt, wäre es grob unbillig, dem Antragsteller die Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 42 Abs. 2, 3 FamGKG.

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