Familienrecht

Kein Nachschieben von Sachvortrag zur Begründung eines Wiedereinsetzungsantrags im Wege der Anhörungsrüge

Aktenzeichen  11 T 1379/18

Datum:
14.9.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 36255
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 4
ZPO § 233, § 238 Abs. 2, § 321a

 

Leitsatz

Das Gericht verletzt bei der Zurückweisung eines Wiedereinsetzungsantrags nicht das Gebot rechtlichen Gehörs, wenn es den Vortrag des Antragstellers umfassend berücksichtigt hat und ihm zuvor ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben hatte. Im Wege der Anhörungsrüge kann kein neuer Sachvortrag eingeführt werden.  (Rn. 15 – 17) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

IN 791/15 2018-02-01 AGFUERTH AG Fürth

Tenor

Die Anhörungsrüge des Schuldners gegen den Beschluss, AZ: 11 T 1379/18, vom 03.05.2018 wird kostenfällig verworfen.

Gründe

I.
Mit Beschluss vom 01.02.2018 (Bl. 220 d.A.) hat das Amtsgericht Fürth – Abteilung für Insolvenzsachen das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Schuldners wegen Zahlungsunfähigkeit eröffnet.
Gegen diesen Beschluss legte der Schuldner mit Schreiben vom 15.02.2018 (Bl. 244 d.A.), eingegangen beim Amtsgericht Fürth am 23.02.2018, sofortige Beschwerde ein.
Das Amtsgericht Fürth half der Beschwerde mit Beschluss vom 26.02.2018 nicht ab (Bl. 245 d.A.) und wies dabei u.a. darauf hin, dass die Beschwerde verfristet sei. Das Amtsgericht legte die Akten mit Verfügung vom gleichen Tag dem Landgericht Nürnberg-Fürth zur Entscheidung über die sofortige Beschwerde vor.
Mit Beschluss vom 05.03.2018 verwarf das Landgericht Nürnberg-Fürth die Beschwerde des Schuldners (Bl. 249 d.A.). Die sofortige Beschwerde sei unzulässig, da die Beschwerdefrist von 2 Wochen nicht eingehalten worden sei.
Mit Schreiben vom 07.03.2018 (Bl. 366 d.A.), eingegangen beim Amtsgericht Fürth am 12.03.2018, legte der Schuldner dar, dass keine Verfristung vorliege, da ihm die mit behördlichen Abläufen verbundenen Verzögerungen nicht angelastet werden könnten. Er befinde sich seit dem 06.08.2015 in Untersuchungshaft. Der Postlauf sei durch die Briefkontrolle sowie dadurch, dass er am 31.01.2018 von der JVA Nürnberg in die JVA Bayreuth verlegt worden sei, verzögert gewesen. Die Post des Gerichts habe ihn erst am 09.02.2018 erreicht, wofür er sich einen Posteingangsstempel zur Bestätigung habe geben lassen.
Mit Verfügung vom 10.04.2018 (Bl. 369 d.A.) erhielt der Schuldner durch das Landgericht Nürnberg-Fürth Gelegenheit zur Stellungnahme innerhalb von zwei Wochen dazu, ob sein Schreiben vom 07.03.2018 als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gemäß § 4 InsO i.V.m. § 233 ZPO in die versäumte Beschwerdefrist ausgelegt werden soll. Binnen gleicher Frist erhielt er zudem Gelegenheit zur Stellungnahme dazu, etwaige Gründe dafür glaubhaft zu machen, die ohne sein Verschulden verhindert haben sollen, dass er die Beschwerdefrist einhalten konnte.
Mit Schreiben vom 27.04.2018 (Bl. 388 d.A.), eingegangen beim Landgericht Nürnberg-Fürth am 02.05.2018, nahm der Schuldner Stellung. Er führte aus, sein Schreiben sei als Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu verstehen. Er legte nochmals dar, dass das Schreiben des Amtsgerichts Fürth ihn aufgrund seiner Verlegung von der JVA Nürnberg in die JVA Bayreuth und aufgrund der Briefkontrolle verspätet erreicht habe. Die öffentliche Bekanntmachung sei auf ihn nicht anwendbar, da er in der Untersuchungshaft keinen Internetzugang habe. Zur Glaubhaftmachung fügte er eine Haftbescheinigung bei.
Mit Beschluss vom 03.05.2018 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth den Antrag auf Wiedereinsetzung zurückgewiesen (Bl. 390 d.A.). Begründet wurde die Entscheidung damit, dass die längeren Postlaufzeiten und der fehlende Internetzugang nicht kausal für die Versäumung der Beschwerdefrist gewesen seien. Seinen eigenen Angaben zufolge habe der Schuldner den Beschluss des Amtsgerichts Fürth am 09.02.2018 erhalten. Die Frist wäre auch unter Berücksichtigung der längeren Postlaufzeiten gewahrt worden, wenn der Schuldner die Beschwerde spätestens am 11.02.2018 auf den Weg gebracht hätte. Die sofortige Beschwerde datiere jedoch erst auf den 15.02.2018.
Mit Schreiben vom 09.05.2018 (Bl. 404 d.A.), eingegangen beim Landgericht Nürnberg-Fürth am 15.05.2018, wandte sich der Schuldner gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 03.05.2018. Neben Ausführungen zur Befangenheit der den Beschluss erlassenden Richterin C. Müller legte er dar, die Argumentation des Gerichts, er habe den Beschluss am 09.02.2018 erhalten, sei nur bedingt richtig. Ihm sei das Schreiben in der JVA zwar am 09.02.2018 kurz übergeben worden, aber wegen eines fehlenden Eingangsstempels gleich wieder aus der Hand genommen worden. Der Beschluss sei ihm dann erst am 15.02.2018 wieder ausgehändigt worden. Bemühungen seinerseits in der Zwischenzeit Kenntnis von dem Beschluss zu erlangen, seien erfolglos verlaufen. In besagtem Zeitraum seien auch keine Besuche bei ihm von der JVA zugelassen worden, so dass er auch keinen Besucher habe bevollmächtigen können.
II.
Die inhaltlichen Einwendungen des Schuldners gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 03.05.2018 haben in der Sache keinen Erfolg. Die Anhörungsrüge gemäß § 321 a ZPO ist unzulässig und wäre überdies unbegründet. Die Ausführungen zur Befangenheit von Richterin am Landgericht C. M… werden gesondert verbeschieden.
1. Gemäß § 321 a Abs. 1 Nr. 1 ZPO ist die Anhörungsrüge gegen den Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 03.05.2018 statthaft.
Gegen den Beschluss vom 03.05.2018, mit dem die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand abgelehnt wurde, gibt es keinen Rechtsbehelf, die Entscheidung ist unanfechtbar. Dies folgt daraus, dass gemäß § 238 Abs. 2 ZPO auf die Anfechtung der Entscheidung über die Wiedereinsetzung die Vorschriften anzuwenden sind, die in dieser Beziehung für die Anfechtung der nachgeholten Prozesshandlung gelten. Der Beschluss, mit dem die Wiedereinsetzung wegen Versäumung der Beschwerdefrist versagt wird, ist daher in dem Maße anfechtbar, wie der Beschluss, mit dem die Beschwerde wegen Versäumung der Beschwerdefrist verworfen wird (vgl. dazu BGH NJW 2003, 69; Musielak/Voit/Grandel, 15. Aufl. 2018, ZPO § 238 Rn. 6). Mangels gesetzlicher Bestimmung seit der Aufhebung des § 7 InsO und mangels Zulassung der Rechtsbeschwerde im vorliegenden Fall (§ 574 Abs. 1 ZPO) ist daher die Ablehnung der Wiedereinsetzung wie auch die Entscheidung über die sofortige Beschwerde selbst unanfechtbar (vgl. auch Greger in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 238 ZPO Rn. 7). Eine Beschwerde gegen die Versagung der Wiedereinsetzung ist demnach nicht statthaft.
Selbst wenn man das als „Beschwerde“ bezeichnete Vorbringen des Schuldners in dem Schreiben vom 09.05.2018 zu Gunsten des Schuldners als Anhörungsrüge auslegt, ist diese jedoch unzulässig. Sie erfüllt nicht die Voraussetzungen des § 321 a Abs. 2 Satz 5 ZPO, da jedenfalls die Entscheidungserheblichkeit der behaupteten Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör nicht hinreichend dargelegt wird. Der Schuldner kommt in seinen Ausführungen lediglich zu dem Ergebnis, dass ihm das Verfassen einer Beschwerdeschrift wie auch die Mandatierung eines Anwalts vor dem 11.02.2018 nicht möglich war, weil ihm der Inhalt des Schreibens erst am 15.02.2018 vorgelegen habe. Auch die Bevollmächtigung eines Besuchers sei nicht möglich gewesen, weil Besuche erst ab dem 16.02.2018 wieder zugelassen worden seien. Inwieweit dies entscheidungserheblich gewesen wäre, wird nicht dargelegt.
2. Überdies ist die Anhörungsrüge in jedem Fall unbegründet, weil keine Verletzung des rechtlichen Gehörs des Schuldners vorliegt.
Dabei ist zwar zu berücksichtigen, dass der Begriff des rechtlichen Gehörs i.S.v. § 321 a Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO großzügig auszulegen ist. Das Gebot des rechtlichen Gehörs verpflichtet die Gerichte dazu, das Vorbringen der Beteiligten zur Kenntnis zu nehmen und bei der Entscheidungsfindung in Erwägung zu ziehen. Das rechtliche Gehör in dem von Art. 103 Abs. 1 GG gewährleisteten Rahmen verlangt auch, dass den von der Entscheidung betroffenen Beteiligten Gelegenheit gegeben wird, sich zu sämtlichen entscheidungserheblichen Fragen zu äußern. Das Gericht darf daher seiner Entscheidung nur solche Tatsachen und Beweisergebnisse zugrunde legen, zu denen die Parteien vorher Stellung nehmen konnten. Insbesondere ist das Gericht verpflichtet, Anträge und Vorbringen zur Kenntnis zu nehmen und in Erwägung zu ziehen (vgl. Vollkommer in Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 321 a ZPO Rn. 7 m.w.N.).
Vorliegend wurde dem Schuldner mit Verfügung des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 10.04.2018 u.a. Gelegenheit dazu gegeben innerhalb einer Frist von zwei Wochen, etwaige Gründe glaubhaft zu machen, die ohne sein Verschulden verhindert haben, dass er die Frist zur Einlegung der Beschwerde einhalten konnte. Diese Gelegenheit nahm der Schuldner auch wahr und verwies in seinem Schreiben vom 27.04.2018 erneut auf die Verzögerungen wegen seiner Verlegung von der JVA Nürnberg in die JVA Bayreuth und wegen der Briefkontrolle. Weiterhin wies er darauf hin, dass er in der Haft keinen Internetzugang habe. Ausführungen dazu, dass er den Beschluss des Gerichts tatsächlich erst am 15.02.2018 zur Kenntnis nehmen konnte, weil er ihm am 09.02.2018 gleich wieder abgenommen worden sei, finden sich hier nicht. Gleiches gilt dafür, dass Besuche in der JVA erst am 16.02.2018 wieder zugelassen gewesen seien. Dies wird nun erstmals in dem Schreiben vom 09.05.2018 vorgetragen und konnte daher vom Gericht bei Erlass des Beschlusses am 03.05.2018 nicht berücksichtigt werden. In seinem als Wiedereinsetzungsantrag auszulegenden Schreiben vom 07.03.2018 hat der Schuldner vielmehr explizit ausgeführt, die Post des Gerichts habe ihn am 09.02.2018 erreicht. Inwieweit der Vortrag zu der Nichtzulassung von Besuchen in der JVA konkret für den Beschluss vom 03.05.2018 entscheidungserheblich hätte sein können, erschließt sich zudem nicht.
Schon eine Verletzung des rechtlichen Gehörs liegt demnach nicht vor. Das Gericht hat den Vortrag des Schuldners zum damaligen Zeitpunkt umfassend berücksichtigt und hatte ihm auch ausreichende Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Die Anhörungsrüge kann nicht dazu dienen, immer neuen Sachvortrag nachzuschieben. Dies würde die grundsätzliche Unanfechtbarkeit der Entscheidung konterkarieren und zu einer nicht hinnehmbaren Durchbrechung der Rechtskraft führen. Die Anhörungsrüge eröffnet nicht die Fortsetzung des bereits beendeten Beschwerdeverfahrens, sondern dient lediglich der Überprüfung der ergangenen gerichtlichen Entscheidung.
3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.

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