Aktenzeichen L 11 AS 501/17 B ER
SGG SGG § 86b Abs. 1
Leitsatz
Kein Rechtsschutzbedürfnis, weil Leistungen bereits vergleichsweise wieder vorläufig gezahlt werden. (Rn. 12)
Verfahrensgang
S 22 AS 503/17 ER 2017-05-29 Bes SGNUERNBERG SG Nürnberg
Tenor
I. Die Beschwerde gegen den Beschluss des Sozialgerichts Nürnberg vom 29.05.2017 wird verworfen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt.
Gründe
I.
Streitig ist die Zahlung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes (Arbeitslosengeld II -Alg II-) nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) ab 01.05.2017.
Der Antragsgegner (Ag) bewilligte dem Antragsteller (ASt) und dessen beiden Kindern zuletzt mit Änderungsbescheid vom 02.02.2017 Alg II iHv 703,45 € für Dezember 2016, iHv monatlich 609,50 € für Januar bis September 2017 und iHv 558,49 € für Oktober 2017. Mit Bescheid vom 12.04.2017 hob der Ag sodann den Bescheid vom 02.02.2017 in Bezug auf die Leistungsbewilligung ab 01.05.2017 auf. Der ASt legte dagegen Widerspruch ein, über den nach Aktenlage bislang nicht entschieden ist.
Am 30.06.2017 haben die Beteiligten einen Vergleich vor dem SG im Verfahren S. 22 629/17 ER geschlossen, wonach dem ASt die mit Bescheid vom 02.02.2017 bewilligten Leistungen vorläufig ab 01.06.2017 bis zum Abschluss des Widerspruchsverfahrens und eines sich ggf anschließenden Klageverfahrens, längstens bis einschließlich Oktober 2017 ausgezahlt werden. Aufgrund dessen erließ der Ag einen Ausführungsbescheid vom 07.07.2017, mit dem er die ursprünglich mit Bescheid vom 02.02.2017 bewilligten Leistungen ab 01.05.2017 vorläufig wieder gewährt.
Bereits am 04.05.2017 hat der ASt beim Sozialgericht Nürnberg (SG) einstweiligen Rechtsschutz beantragt. Das SG hat den Antrag mit Beschluss vom 29.05.2017 abgelehnt.
Dagegen hat der ASt am 03.07.2017 Beschwerde zum Bayer. Landessozialgericht eingelegt und die Bewilligung von Prozesskostenhilfe (PKH) für das Beschwerdeverfahren beantragt. Es wäre auch über die Leistungsansprüche der Kinder mitzuentscheiden gewesen, da der ASt insofern als Vertreter der Bedarfsgemeinschaft anzusehen sei. Anordnungsgrund und -anspruch seien glaubhaft gemacht worden. Es bestehe noch ein Rechtsschutzbedürfnis, da der Mai 2017 nicht in den Vergleich mit einbezogen worden sei.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf die beigezogenen Verwaltungsakten des Ag sowie die Gerichtsakten erster und zweiter Instanzauch des Verfahrens S 22 AS 629/17 ER – Bezug genommen.
II.
Die form- und fristgerecht eingelegte Beschwerde (§§ 172, 173 Sozialgerichtsgesetz -SGG-) ist unzulässig. Im Ergebnis hat das SG den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz – dabei handelte es sich richtigerweise um einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Aufhebungsbescheid vom 12.04.2017 nach § 86b Abs. 1 SGG und nicht um einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung nach § 86b Abs. 2 SGG, da in der Hauptsache eine Anfechtungsklage statthaft wäre – zu Recht abgelehnt.
Streitgegenstand des Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes ist allein ein Anspruch des ASt auf vorläufige Zahlung von Alg II. Der entsprechende Antrag beim SG wurde alleine für den ASt, nicht aber für dessen Kinder gestellt, was sich schon aus der ausdrücklichen Antragstellung des durch einen Rechtsanwalt vertretenen ASt im Schriftsatz vom 04.05.2017 ergibt. Anspruchsinhaber sind in Bezug auf das Alg II die jeweiligen Mitglieder der Bedarfsgemeinschaft selbst; es gibt keinen Gesamtanspruch der Bedarfsgemeinschaft als solcher, der hier von einem einzelnen Mitglied hätte geltend gemacht werden können (vgl dazu auch BSG, Urteil vom 07.11.2006 – B 7b AS 8/06 R – SozR 4-4200 § 22 Nr. 1). Allein für eine Übergangsfrist bis 30.06.2007 war eine großzügige Auslegung auch in Gerichtsverfahren zulässig, dass auch Anträge als von den übrigen Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft anzunehmen gewesen wären (vgl BSG aaO). Die Übergangsfrist war vorliegend bereits seit fast 10 Jahren abgelaufen und der ASt war durch einen rechtskundigen Bevollmächtigten vertreten, so dass kein Anhaltspunkt für eine Auslegung des Antrages vom 04.05.2017 dahingehend gegeben war, Leistungen könnten auch von den Kindern als weiteren Mitgliedern der Bedarfsgemeinschaft geltend gemacht würden.
Dem Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung, in den der Antrag des ASt richtigerweise auszulegen gewesen wäre, fehlt es (nunmehr) an einem Rechtsschutzbedürfnis. Mit Erlass des vorläufigen Bewilligungsbescheides vom 07.07.2017, mit dem Alg II bereits ab Mai 2017, nicht erst wie im Vergleich vereinbart ab Juni 2017, wieder vorläufig in der Höhe bewilligt wurde, wie bereits im Bescheid vom 02.02.2017 verfügt, hat der ASt sein Rechtsschutzziel erreicht. Eines Verfahrens des einstweiligen Rechtsschutzes bedarf es zum Erreichen der vorläufigen Leistungsgewährung für die Zeit ab 01.05.2017 damit nicht mehr. Im Übrigen hätte sich die Frage gestellt, ob eine Interessenabwägung im Rahmen der Prüfung der Anordnung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs gegen den Bescheid vom 12.04.2017 hinsichtlich des Monats Mai 2017 im Beschwerdeverfahren zugunsten des ASt ausgefallen wäre, da es sich insofern um Leistungen für die Vergangenheit handelt. Selbst bei offenen Erfolgsaussichten im Hinblick auf den Anfechtungswiderspruch in der Hauptsache wäre insofern eine Anordnung der aufschiebenden Wirkung nicht vorzunehmen gewesen.
Die Kostenentscheidung beruht auf der analogen Anwendung des § 193 SGG.
Aus den oben dargelegten Gründen ist die für die Bewilligung von PKH erforderliche hinreichende Erfolgsaussicht der Beschwerde gemäß § 73a SGG iVm § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) nicht gegeben. Der Antrag auf PKH war somit abzulehnen Der Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).