Familienrecht

Keine erneuter Fristlauf für die Verfassungsbeschwerde durch Entscheidung über offensichtlich unzulässige Rechtsbehelfe

Aktenzeichen  Vf. 5-VI-16

Datum:
12.4.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BayVBl – 2018, 86
Gerichtsart:
VerfGH
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Verfassungsgerichtsbarkeit
Normen:
BV Art. 91 Abs. 1
VfGHG Art. 17 Abs. 1, Art. 51 Abs. 2 S. 2
SGG § 98 S. 2, § 178a Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 5

 

Leitsatz

1. Durch die Einlegung einer offensichtlich unzulässigen Anhörungsrüge oder eines anderen offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfs und die darauf ergehende gerichtliche Entscheidung wird keine neue Verfassungsbeschwerdefrist in Lauf gesetzt.
2. Die Verfassungsbeschwerde gegen einen die Nachholung rechtlichen Gehörs ablehnenden Beschluss ist unzulässig, weil diese Entscheidung allenfalls eine bereits durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Verletzung rechtlichen Gehörs fortbestehen lässt, aber keine eigenständige Beschwer schafft.
3 Mit der Begründung, die vom Gericht vertretene Auffassung sei unrichtig, kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs nicht begründet werden (stRspr, vgl. BayVerfGH BeckRS 2012, 51351). (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

S 6 R 910/15 RG 2015-12-07 Bes SGWUERZBURG LSG München

Tenor

1. Die Verfassungsbeschwerde wird abgewiesen.
2. Der Beschwerdeführerin wird eine Gebühr von 750 € auferlegt.

Gründe

I.
Die Verfassungsbeschwerde richtet sich gegen
– den Verweisungsbeschluss des Sozialgerichts Würzburg wegen örtlicher Unzuständigkeit vom 24. September 2015 Az. S 6 R 394/14,
– den Beschluss des Sozialgerichts Würzburg vom 7. Dezember 2015 Az. S 6 R 910/15 RG, durch den die Anhörungsrüge gegen den Verwei-sungsbeschluss als unbegründet zurückgewiesen wurde, und
– den Beschluss des Bayerischen Landessozialgerichts vom 7. Dezember 2015 Az. L 14 R 775/15 B, durch den die Beschwerde gegen den Verwei-sungsbeschluss verworfen wurde.
1. Die Beschwerdeführerin betreibt Arbeitnehmerüberlassung nach dem Arbeitnehmerüberlassungsgesetz. Ihren Sitz hatte sie ursprünglich in S. (…). Auf der Grundlage einer Betriebsprüfung erließ die Deutsche Rentenversicherung … am 22. Februar 2013 einen Bescheid, mit dem Beiträge zur Kranken-, Pflege-, Renten- und Arbeitslosenversicherung und zu den Arbeitgeberumlagen sowie Säumniszuschläge in Höhe von insgesamt 309.306,65 € nachgefordert wurden. Der hiergegen erhobene Widerspruch wurde zurückgewiesen. Am 28. April 2014 erhob die Beschwerdeführerin beim Sozialgericht Würzburg Anfechtungsklage gegen den Nachforderungsbescheid.
2. Bereits am 19. März 2014 hatte die Gesellschafterversammlung der Beschwerdeführerin eine Änderung des Gesellschaftsvertrags beschlossen, wonach Sitz der Gesellschaft künftig A. (Landkreis A1.) sei. Mit Wirkung vom 15. März 2014 wurden dort Gewerberäume angemietet. Am 22. April 2014 ging beim Amtsgericht der elektronisch übermittelte Antrag auf Eintragung der Änderung in das Handelsregister ein. Die elektronische Übermittlung der Dokumente durch das Registergericht S. folgte am 5. Mai 2014, diejenige der Akten in Papierform am 6. Mai 2014. Am 13. Mai 2014 wurde die Änderung in das Handelsregister eingetragen.
3. Mit Schreiben vom 6. August 2015 teilte das Sozialgericht Würzburg den Beteiligten mit, dass beabsichtigt sei, den Rechtsstreit an das Sozialgericht Dortmund zu verweisen. Nach § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG sei örtlich das Gericht zuständig, in dessen Bezirk der Kläger zur Zeit der Klageerhebung seinen Sitz oder Wohnsitz oder in Ermangelung eines solchen seinen Aufenthaltsort habe. Die Änderung des Sitzes der Beschwerdeführerin stelle gemäß §§ 3, 4 a GmbHG eine Abänderung des Gesellschaftsvertrags dar, die nach § 54 Abs. 3 GmbHG erst mit Eintragung in das Handelsregister rechtliche Wirkung habe. Die Eintragung sei erst am 13. Mai 2014 erfolgt, weshalb die Beschwerdeführerin bei Klageerhebung am 28. April 2014 ihren Sitz noch in S. gehabt habe, das zum Zuständigkeitsbereich des Sozialgerichts Dortmund gehöre.
Die Beschwerdeführerin erwiderte, es komme bei der Anwendung des § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG auf den tatsächlichen Sitz an, nicht auf eine rechtliche Fiktion. Außerdem dürfe eine Eintragungsverzögerung nicht zulasten der Beschwerdeführerin gehen. Sie habe das Erforderliche rechtzeitig unternommen und den Eintragungsantrag am 22. April 2014 durch den Notar elektronisch übermitteln lassen. Der Richter hätte nach § 25 Abs. 1 der Verordnung über die Einrichtung und Führung des Handelsregisters (HRV) unverzüglich über die Eintragung in das Handelsre 4 gister entscheiden müssen. Die Entscheidung über die Eintragung und deren Vollzug hätten allenfalls einen Werktag in Anspruch nehmen dürfen.
Mit dem angegriffenen Beschluss vom 24. September 2015 erklärte sich das Sozialgericht Würzburg für örtlich unzuständig und verwies den Rechtsstreit an das Sozialgericht Dortmund. Dieses sei (aus den bereits im Schreiben vom 6. August 2015 genannten Gründen) gemäß § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG örtlich zuständig. Mit ihrem Einwand, § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG stelle auf den tatsächlichen Sitz der Gesellschaft ab, dringe die Beschwerdeführerin nicht durch. Der Gesetzgeber unterscheide in § 57 SGG zwischen dem Sitz juristischer Personen und dem Wohnsitz beziehungsweise dem Aufenthaltsort natürlicher Personen. Bei Wohnsitz und Aufenthaltsort handle es sich um etwas Tatsächliches, nämlich den Mittelpunkt der Lebensverhältnisse beziehungsweise den Ort faktischer Anwesenheit. Im Gegensatz dazu werde der Sitz einer juristischen Person in erster Linie durch Gesetz, Satzung oder Vertrag bestimmt und sei demgemäß nicht in erster Linie etwas Tatsächliches. Der Verwaltungssitz und der Ort des satzungsmäßig bestimmten Sitzes könnten verschieden sein. Beim Auseinanderfallen von Verwaltungssitz und Rechtssitz sei im Verhältnis zu Dritten der Rechtssitz maßgeblich. Nach dem gemäß § 202 SGG entsprechend anwendbaren § 17 Abs. 1 Satz 2 ZPO gelte der Verwaltungssitz nur dann als Sitz der juristischen Person, „wenn sich nichts anderes ergibt“. Damit gelte der Ort des Verwaltungshandelns nur sekundär als „Sitz“, wenn nämlich durch Gesetz oder Satzung ein Sitz nicht bestimmt sei. Nach alle-dem sei bei einer juristischen Person der rechtlich bestimmte Sitz maßgebend. Nur wenn es an einer solchen Festlegung fehle, komme es auf den Ort an, an welchem die juristische Person handle.
Der Einwand der Beschwerdeführerin, der am 22. April 2014 elektronisch übermittelte Antrag auf Eintragung sei verzögert behandelt worden, sei ohne Belang. Im Übrigen erweise sich der Eintrag am 13. Mai 2014 auf einen elektronisch am 22. April 2014 übermittelten Antrag als schnell im Vergleich zu der bereits am 19. März 2014 erfolgten Änderung des Gesellschaftsvertrags und der erst am 22. April 2014 erfolgten elektronischen Antragstellung. Der Beschluss sei nach § 98 Satz 2 SGG unanfechtbar.
4. Gegen diesen ihr am 5. Oktober 2015 zugegangenen Beschluss erhob die Beschwerdeführerin Anhörungsrüge nach § 178 a SGG und vorsorglich, soweit sich die Anwendung von § 98 Satz 2 SGG als rechtswidrig darstelle, sofortige Beschwerde nach § 17 a Abs. 4 GVG. Zur Begründung brachte sie unter Wiederholung der bereits zuvor erhobenen Einwände ergänzend vor, das Sozialgericht erhebe einen Verschuldensvorwurf, soweit es darauf abhebe, die Eintragung der Sitzänderung im Handelsregister sei schnell erfolgt im Vergleich zur Änderung des Gesellschaftsvertrags und der anschließenden elektronischen Antragstellung. Auf eine solche tragende Erwägung sei zuvor nicht hingewiesen worden. Es gehe im Übrigen nicht an, dass ein bayerisches Unternehmen dem Schutzbereich der Verfassung des Freistaates Bayern entzogen und der Rechtsprechung im Bundesland Nordrhein-Westfalen unterworfen werde. Wegen einer Diskrepanz der obergerichtlichen Rechtsprechung in Bayern einerseits und Nordrhein-Westfalen andererseits bestehe die latente Gefahr einer Ungleichbehandlung bayerischer Unternehmen durch verschiedene Gerichtszuständigkeiten.
Durch den angegriffenen Beschluss vom 7. Dezember 2015 wies das Sozialgericht die Anhörungsrüge als unbegründet zurück.
Die Rüge sei statthaft, weil gegen den angegriffenen Beschluss ein Rechtsmittel gemäß § 98 Satz 2 SGG nicht gegeben sei. Ob sie im Übrigen zulässig sei, könne dahinstehen, weil sie sich als jedenfalls unbegründet erweise. Das Gericht habe den Anspruch auf rechtliches Gehör nicht verletzt, erst recht nicht in entscheidungserheblicher Weise. Die Beschwerdeführerin trage keine neuen, im Entscheidungszeitpunkt nicht bekannten Gesichtspunkte vor und bezeichne auch kein Vorbringen, das das Gericht bei seiner Entscheidung nicht in seine Erwägungen einbezogen habe. Ein Verschuldensvorwurf gegenüber der Beschwerdeführerin sei nicht erhoben worden. Die Zeitspanne zwischen Änderung des Gesellschaftsvertrags, Beantragung der Eintragung und tatsächlicher Eintragung sei nur zur 8. Abrundung aufgezeigt worden. Dieser Gesichtspunkt stelle auch keine tragende Erwägung dar. Der Hinweis, die Beschwerdeführerin werde nunmehr dem Schutzbereich der Bayerischen Verfassung entzogen, könne eine Gehörsverletzung nicht begründen. Eine derartige Argumentation sei zum einen bislang von der Beschwerdeführerin nicht vorgetragen worden. Zum anderen ändere die besondere Berücksichtigung der Verfassung des Freistaates Bayern nichts an dem angefochtenen Beschluss.
5. Die Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss verwarf das Bayerische Landessozialgericht durch den ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 7. Dezember 2015.
Die Beschwerde sei nicht statthaft und daher unzulässig. Beschlüsse entsprechend § 17 a Abs. 2 und 3 GVG seien nach § 98 Satz 2 SGG unanfechtbar. Ein Ausnahmefall, bei dem die Rechtsprechung die sofortige Beschwerde nach § 17 a Abs. 4 Satz 3 GVG entgegen § 98 Satz 2 SGG für zulässig erachtet habe, liege nicht vor. Der Verweisungsbeschluss sei nicht willkürlich. Willkür sei auch nicht gerügt. Soweit die Rechtsprechung in Fällen der Verletzung des rechtlichen Gehörs eine Beschwerdemöglichkeit bejaht habe, sei dies im Hinblick auf die Einführung der Anhörungsrüge überholt.
Ungeachtet dessen bestünden vorliegend keinerlei Anhaltspunkte für eine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. Das Sozialgericht habe den Verwei-sungsbeschluss auf dieselbe Begründung gestützt wie zuvor bei der Anhörung zur beabsichtigten Verweisung. Im Verweisungsbeschluss sei das Gericht auf sämtliche von der Beschwerdeführerin im Anhörungsverfahren erhobenen Einwände eingegangen. Die ergänzende Anmerkung zum Zeitablauf zwischen Änderung des Gesellschaftsvertrags, Stellung des Eintragungsantrags und Eintragung stelle ganz offenkundig keine die Verweisung tragende Erwägung dar. Aus welchen Gründen die Eintragung verzögert erfolgt sei und wer das zu vertreten habe, sei nach den Darlegungen des Sozialgerichts ohne Relevanz und daher kein die Entscheidung tragender Gesichtspunkt. Die vom Bevollmächtigten der Beschwerde 11 führerin in diesem Zusammenhang erhobene Rüge einer Gehörsverletzung sei als abwegig zu bezeichnen.
II.
1. Mit ihrer am 13. Januar 2016 eingegangenen Verfassungsbeschwerde rügt die Beschwerdeführerin Verletzungen der Grundrechte auf den gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV) und auf rechtliches Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV), der sachlichen richterlichen Unabhängigkeit (Art. 85 BV), der staatlichen Pflicht zum Schutz der Einwohner (Art. 99 BV), des Rechts auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 101 BV), des Willkürverbots (Art. 118 Abs. 1 BV), des Verfassungsauftrags zur Förderung von Klein- und Mittelstandsbetrieben (Art. 153 BV) und des Gebots effektiven Rechtsschutzes.
a) aa) Der Verweisungsbeschluss entziehe die Beschwerdeführerin ihrem gesetzlichen Richter (Art. 86 Abs. 1 Satz 2 BV). Das Sozialgericht habe die Zuständigkeitsregelung in § 57 SGG willkürlich ausgelegt und angewendet, weil es verkannt habe, dass vorliegend die Satzungsänderung und der tatsächliche Sitz der Beschwerdeführerin für die örtliche Zuständigkeit maßgebend seien, nicht die Eintragung in das Handelsregister.
bb) Die Auffassung des Gerichts bewirke eine mit dem Gleichbehandlungsgebot aus Art. 118 Abs. 1 BV unvereinbare willkürliche Ungleichbehandlung juristischer und natürlicher Personen, weil es bei natürlichen Personen auf den tatsächlichen Aufenthalt, bei juristischen Personen hingegen nicht auf die tatsächliche Sitznah-me, sondern auf eine Fiktion ankommen solle.
cc) Im Ergebnis werde dadurch auch die allgemeine Handlungsfreiheit (Art. 101 BV) verletzt. Die Verweisung des Rechtsstreits stelle sich als Verweigerung effektiven Rechtsschutzes dar. In Nordrhein-Westfalen gelte noch Besatzungsrecht in Gestalt des Kontrollratsgesetzes Nr. 35 vom 20. August 1946 betreffend Aus 14 gleichs- und Schiedsverfahren in Arbeitsstreitigkeiten. Es finde dort – anders als in Bayern – auch Anwendung. Die Verweisung komme einer Auslieferung in den Anwendungsbereich des Besatzungsrechts gleich. Auch die Rechtsprechung und die Verwaltungspraxis zur Nachbeitragserhebung im sozialversicherungsrechtlichen Bereich gewährten Unternehmen in Nordrhein-Westfalen einen wesentlich geringeren Schutz als in Bayern.
dd) Der Verweisungsbeschluss entziehe die Beschwerdeführerin dem Schutz des Art. 153 BV. Nordrhein-Westfalen kenne keine vergleichbare Verbürgung zur Förderung und zum Schutz unternehmerischer Belange.
ee) Daraus, dass der Verweisungsbeschluss gegen das Sozialgerichtsgesetz, das Handelsrecht, die Handelsregisterverordnung, die Gewerbeordnung und das Gesetz betreffend die Gesellschaften mit beschränkter Haftung verstoße, folgten Verletzungen des Art. 85 BV (sachliche richterliche Unabhängigkeit) und der Schutzpflicht aus Art. 99 BV (Pflicht zum Schutz der Einwohner).
ff) Das Gericht habe auch das rechtliche Gehör (Art. 91 Abs. 1 BV) verletzt, weil es die Hinweise der Beschwerdeführerin auf die vorbezeichneten Gesetzesverstöße nicht ernsthaft erwogen habe.
b) Die Beschwerdeentscheidung des Landessozialgerichts verletze die Beschwerdeführerin in ihren Grundrechten und grundrechtsgleichen Rechten, indem sie den Verweisungsbeschluss im Prinzip bestätige.
c) Der auf die Anhörungsrüge ergangene Beschluss des Sozialgerichts erwäge die Hinweise der Beschwerdeführerin zur unterschiedlichen Reichweite des Rechtsschutzes in Bayern einerseits, Nordrhein-Westfalen andererseits nicht ernsthaft und korrigiere die unterlaufenen Verstöße nicht.
2. Das Bayerische Staatsministerium für Arbeit und Soziales, Familie und Integration hält die Verfassungsbeschwerde für unzulässig.
IV.
Die Verfassungsbeschwerde ist unzulässig.
1. Soweit sich die Verfassungsbeschwerde gegen den Verweisungsbeschluss vom 24. September 2015 richtet, hat die Beschwerdeführerin die Zweimonatsfrist des Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG nicht eingehalten.
Die Frist beginnt mit dem Tag, an dem die im Ausgangsverfahren nicht mehr anfechtbare Entscheidung der Beschwerdeführerin oder ihrem befugten Vertreter in schriftlicher Form bekannt gegeben worden ist (vgl. VerfGH vom 13.3.1981 VerfGHE 34, 47/49; vom 11.5.2011 BayVBl 2012, 94; vom 2.10.2013 VerfGHE 66, 179/184). Vorliegend ist auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des gemäß § 98 Satz 2 SGG unanfechtbaren Verweisungsbeschlusses am 5. Oktober 2015 abzustellen. Die Beschwerdefrist des Art. 51 Abs. 2 Satz 2 VfGHG lief gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 Alt. 1 BGB i. V. m. Art. 17 Abs. 1 VfGHG am Montag, dem 7. Dezember 2015, und damit vor Eingang der Verfassungsbeschwerde am 13. Januar 2016 ab.
a) Weder die Erhebung der Anhörungsrüge noch die Einlegung der Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss konnte die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde offenhalten, da beide Rechtsbehelfe offensichtlich unzulässig waren.
Durch die Einlegung einer offensichtlich unzulässigen Anhörungsrüge oder eines anderen offensichtlich unzulässigen Rechtsbehelfs und die darauf ergehende gerichtliche Entscheidung wird nach ständiger Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs keine neue Beschwerdefrist in Lauf gesetzt (vgl. VerfGH vom 14.4.1989 VerfGHE 42, 50/52; vom 25.2.2010 VerfGHE 63, 28/30; vom 25.5.2011 VerfGHE 64, 61/65). Die Frage der offensichtlichen Unzulässigkeit eines Rechtsbehelfs prüft der Verfassungsgerichtshof eigenständig und ohne Bindung an die Entscheidung des Fachgerichts (VerfGH vom 19.10.2010 VerfGHE 63, 182/187; VerfGHE 27 64, 61/66; vom 7.8.2013 VerfGHE 66, 144/147 f.; vom 23.9.2015 BayVBl 2016, 49 Rn. 28). Dass das Sozialgericht die Anhörungsrüge gegen den Verweisungsbe-schluss als eine der Endentscheidung vorausgehende Entscheidung ungeachtet der Regelung des § 178 a Abs. 1 Satz 2 SGG für statthaft gehalten und die Zulässigkeit der Rüge im Übrigen offengelassen hat, ist deshalb für deren verfassungsgerichtliche Beurteilung ohne Belang.
Die von der Beschwerdeführerin eingelegten Rechtsbehelfe waren kraft ausdrücklicher gesetzlicher Regelung unstatthaft. Dies folgt hinsichtlich der Anhörungsrüge aus § 178 a Abs. 1 Satz 2 SGG, bezüglich der Beschwerde aus § 98 Satz 2 SGG. Ihre Unzulässigkeit war offenkundig.
Die Anhörungsrüge war darüber hinaus auch deshalb offensichtlich unzulässig, weil sie den Anforderungen des § 178 a Abs. 2 Satz 5 SGG nicht genügte. Danach muss die Rüge das Vorliegen der in § 178 a Abs. 1 Nr. 2 SGG genannten Voraussetzungen darlegen, also schlüssig dartun, aufgrund welcher konkreten Umstände der Anspruch auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt wurde (vgl. Curkovic in Hennig, SGG, § 178 a Rn. 19). Das lässt sich dem Rügevorbringen nicht entnehmen.
aa) Soweit die Anhörungsrüge darauf gestützt wird, dass das Gericht der Beurteilung der örtlichen Zuständigkeit nicht den tatsächlichen, sondern den rechtlichen Sitz der Beschwerdeführerin zugrunde gelegt und die entsprechende Eintragung im Handelsregister als maßgeblich erachtet hat, wird nicht das Übergehen entsprechenden Vortrags beanstandet, sondern eine vermeintlich fehlerhafte Auslegung und Anwendung des § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG. Mit der Begründung, die vom Gericht vertretene Auffassung sei unrichtig, kann eine Verletzung des rechtlichen Gehörs aber nicht begründet werden (vgl. VerfGH vom 8.3.2004 VerfGHE 57, 16/24; vom 7.5.2012 – Vf. 103-VI-11 – juris Rn. 25).
bb) Soweit zur Begründung der Anhörungsrüge vorgebracht wird, die Beschwerdeführerin werde als bayerisches Unternehmen dem Schutzbereich der Verfas 29 sung des Freistaates Bayern entzogen und der Anwendung von Besatzungsrecht ausgesetzt, ist weder dargetan noch sonst ersichtlich, dass ein entsprechender Vortrag dem Sozialgericht schon vor Erlass des Verweisungsbeschlusses unterbreitet, vom Gericht aber übergangen worden wäre.
cc) Das Rügevorbringen, das Sozialgericht habe die Verweisung des Rechtsstreits überraschend auf einen Verschuldensvorwurf gegenüber der Beschwerdeführerin gestützt, ist offensichtlich nicht geeignet, einen Gehörsverstoß oder die Entscheidungserheblichkeit der vermeintlichen Gehörsverletzung darzutun. Der Vergleich der Zeiträume vom Zustandekommen des Gesellschaftsbeschlusses bis zu dessen Anmeldung zur Eintragung einerseits, von der Anmeldung bis zur Eintragung ins Handelsregister andererseits ist ersichtlich nicht dazu bestimmt, die Entscheidung zu tragen. Die Ausführungen des Gerichts zur Frage der örtlichen Zuständigkeit schließen mit der Bemerkung, der Einwand verzögerter Behandlung des Eintragungsantrags könne an dem rechtlich aufgezeigten Rahmen nichts ändern. Erst danach („Im Übrigen…“) wird angemerkt, das Amtsgericht habe nach dem Eingang der Anmeldung für die Eintragung weniger lang gebraucht als die Beschwerdeführerin für die Anmeldung des Beschlusses. Dieser Hinweis steht nicht in inhaltlichem Zusammenhang mit der vorangegangenen Auslegung und Anwendung des § 57 Abs. 1 Satz 1 SGG.
b) Die Verfassungsbeschwerde gegen den Verweisungsbeschluss wäre auch dann verfristet, wenn sich die unstatthafte Beschwerde zum Landessozialgericht als außerordentlicher Rechtsbehelf zur Behebung groben prozessualen Unrechts auffassen ließe. Auch ein derartiger Rechtsbehelf wäre hier offensichtlich unzulässig.
Ob, unter welchen Zulässigkeitsvoraussetzungen und mit welchen rechtlichen Folgen ein außerordentlicher Rechtsbehelf in Fällen eines Ausschlusses der Anhörungsrüge nach § 178 a Abs. 1 Satz 2 SGG in Betracht kommt, ist in der fachgerichtlichen Rechtsprechung und der Fachliteratur nicht abschließend geklärt (vgl. BSG vom 3.12.2009 – B 12 SF 18/09 S – juris Rn. 7; vom 25.4.2016 33 B 9 SF 1/16 S – BeckRS 2016, 69548 Rn. 6; BayLSG vom 20.7.2016 – L 15 RF 24/16 – BeckRS 2016, 71270; Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl. 2014, § 98 Rn. 7 a; Curkovic, a. a. O., Rn. 9). Die Frage bedarf vorliegend nicht der Entscheidung, weil auch ein solcher Rechtsbehelf offensichtlich unzulässig und deshalb nicht geeignet gewesen wäre, die Frist zur Erhebung der Verfassungsbeschwerde offenzuhalten. Selbst vor Einführung der Anhörungsrüge in die Fachverfahrensordnungen kam ein außerordentlicher Rechtsbehelf nach einhelliger Auffassung nämlich nur in Betracht, wenn Verletzungen von Verfahrensgrundrechten oder des Willkürverbots dargetan wurden, die grobes prozessu-ales Unrecht begründet haben konnten, das auf andere Weise nicht zu beseitigen war (vgl. Leitherer, a. a. O.; Curkovic, a. a. O., Rn. 4).
Gegenüber dem Landessozialgericht hat die Beschwerdeführerin keinen Fall der Willkür gerügt. Einen Gehörsverstoß hat sie, wie bereits ausgeführt, nicht schlüssig und substanziiert dargetan, eine Verletzung anderer Verfahrensgrundrechte nicht behauptet.
2. Ebenfalls unzulässig ist die Verfassungsbeschwerde, soweit sie sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts über die Anhörungsrüge und gegen die Beschwerdeentscheidung des Landessozialgerichts richtet. Diese Beschlüsse entfalten keine eigenständige Beschwer.
a) Die eine Nachholung rechtlichen Gehörs (hier nach § 178 a SGG) ablehnende Entscheidung des Sozialgerichts schuf keine eigenständige Beschwer. Sie hätte allenfalls eine bereits durch die Ausgangsentscheidung eingetretene Verletzung des rechtlichen Gehörs fortbestehen lassen, indem die „Selbstkorrektur“ durch das Fachgericht unterblieben wäre (VerfGH vom 7.10.2014 – Vf. 110-VI-13 – juris Rn. 11).
b) Auch der Beschluss des Landessozialgerichts, durch den die Beschwerde gegen den Verweisungsbeschluss als nicht statthaft und daher unzulässig verworfen wurde, enthält keine eigenständige Beschwer. Die Verwerfung erfolgte ohne in 39 haltliche Prüfung des Verweisungsbeschlusses allein wegen dessen gesetzlich bestimmter Unanfechtbarkeit. Soweit sich die Gründe der Entscheidung mit dem Willkürverbot und dem rechtlichen Gehör befassen, geschieht dies ausschließlich zur Erläuterung der Voraussetzungen, unter denen die fachgerichtliche Rechtsprechung vor Einführung der Anhörungsrüge ausnahmsweise entgegen § 98 Satz 2 SGG eine sofortige Beschwerde für zulässig erachtet hat.
V.
Es ist angemessen, der Beschwerdeführerin eine Gebühr von 750 € aufzuerlegen (Art. 27 Abs. 1 Satz 2 VfGHG).

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