Aktenzeichen III R 45/14
Leitsatz
NV: Die Fiktion des Art. 60 Abs. 1 Satz 2 der VO Nr. 987/2009 kann dazu führen, dass der Anspruch auf Kindergeld nach §§ 62 ff. EStG nicht dem in Deutschland, sondern vorrangig dem im EU-Ausland lebenden Elternteil zusteht (Anschluss an die Senatsurteile vom 4. Februar 2016 III R 17/13, BFHE 253, 134, BStBl II 2016, 612, und vom 28. April 2016 III R 68/13, BFH/NV 2016, 1514).
Verfahrensgang
vorgehend Finanzgericht Berlin-Brandenburg, 13. November 2014, Az: 10 K 10240/11, Urteil
Tenor
Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Finanzgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. November 2014 10 K 10240/11 aufgehoben.
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des gesamten Verfahrens hat der Kläger zu tragen.
Tatbestand
1
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) ist der Vater des im Januar 1993 geborenen Sohnes F. F lebte seit Januar 2003 mit der Kindsmutter in Italien.
2
Der Kläger, der deutscher Staatsangehöriger ist, lebt in der Bundesrepublik Deutschland (Deutschland) und ist hier als Arzt nichtselbständig tätig. Die Kindsmutter, die in Italien als Ärztin selbständig tätig war, bezog weder in Deutschland noch in Italien Familienleistungen für F. F besuchte im streitigen Zeitraum (Februar 2011 bis August 2011) bis Juni 2011 ein Gymnasium in Schweden (Auslandsjahr) und setzte anschließend seine Schulausbildung an einem Gymnasium in Italien fort. Einkünfte oder Bezüge hatte er nicht.
3
Der Kläger bezog für F bis einschließlich Januar 2011 laufend Kindergeld. Seinen Antrag auf Weiterzahlung des Kindergeldes für F lehnte die Beklagte und Revisionsklägerin (Familienkasse) mit Bescheid vom 11. Juli 2011 ab, da die in Italien lebende Kindsmutter, die das Kind in ihren Haushalt aufgenommen habe, vorrangig zum Bezug von Kindergeld berechtigt sei. Der dagegen gerichtete Einspruch hatte keinen Erfolg (Einspruchsentscheidung vom 3. August 2011).
4
Mit der hiergegen gerichteten Klage begehrte der Kläger inländisches Kindergeld für F. Das Finanzgericht (FG) gab der Klage mit Urteil vom 13. November 2014 10 K 10240/11 statt und verpflichtete die Familienkasse zur Festsetzung von Kindergeld in gesetzlicher Höhe für den Zeitraum Februar 2011 bis August 2011.
5
Mit der vom FG zugelassenen Revision rügt die Familienkasse die sich aus einer unzutreffenden Auslegung des § 64 des Einkommensteuergesetzes (EStG) ergebende Verletzung materiellen Rechts.
6
Die Familienkasse beantragt,das Urteil des FG Berlin-Brandenburg vom 13. November 2014 10 K 10240/11 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
7
Der Kläger beantragt,die Revision zurückzuweisen.