Familienrecht

Kindesunterhalt – Darlegung berufsbedinger Aufwendungen

Aktenzeichen  2 UF 458/17

Datum:
25.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2018, 433
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 128 Abs. 2 S. 1, § 538 Abs. 2 Nr. 1
BGB § 1751 Abs. 4 S. 1

 

Leitsatz

1 Beruft sich der Unterhaltspflichtige auf eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit, muss er die seine eigene Lebensstellung bestimmenden Tatsachen wie die Höhe seines Einkommens, Werbungskosten, Aufwendungen, Betriebsausgaben oder sonstige einkommensmindernde Abzugsposten vortragen und ggf. beweisen. (Rn. 10) (red. LS Axel Burghart)
2 Das steuerrechtlich und das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen sind nicht immer identisch. Unterhaltsrechtlich sind enge Grenzen zu ziehen. Es ist Sache des Unterhaltspflichtigen, die Berufsbedingtheit von Anschaffungen und Betriebsausgaben darzulegen und nachzuweisen. (Rn. 12) (red. LS Axel Burghart)

Verfahrensgang

5 F 773/16 2017-02-07 Bes AGSTARNBERG AG Starnberg

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Antragsgegners wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Starnberg vom 07.02.2017 in Ziffer 1 des Tenors dahingehend abgeändert, dass der Antragsgegner verpflichtet wird, an den Antragsteller rückständigen Kindesunterhalt von 8.298,– € zuzüglich Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszins aus 7.730,– € für die Zeit von 16.09.2015–12.08.2016 sowie seit 12.08.2016 aus 8.298,– € zu Händen der Kindesmutter zu bezahlen. Im Übrigen wird die Beschwerde des Antragsgegners zurückgewiesen.
2. Der Antragsgegner hat die Kosten des Beschwerdeverfahrens zu tragen.

Gründe

Auf die tatsächlichen Feststellungen der angefochtenen Entscheidung wird Bezug genommen. Zur Begründung der Entscheidung ist auszuführen (§ 117 Abs. 4 FamFG):
Die Beschwerde des Antragsgegners ist nur zum geringen Teil begründet.
1. Mit seiner Beschwerde erstrebt der Antragsgegner die Aufhebung des Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengericht – Starnberg vom 07.02.2017 in Ziffer 1 des Tenors und Zurückweisung der Verpflichtung zur Zahlung rückständigen Unterhalts. Der Antragsteller beantragt die Zurückweisung der Beschwerde mit der Maßgabe, dass lediglich die Zahlung eines Unterhaltsrückstandes von lediglich 8.298,– € geltend gemacht wird.
2. Die Beschwerde des Antragsgegners hat nur zum geringen Teil Erfolg.
a) Der Antragsgegner weist allerdings zutreffend darauf hin, dass das Verfahren beim Amtsgericht an einem wesentlichen Mangel litt und eine schriftliche Sachentscheidung nicht hätte ergehen dürfen. Im Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.11.2016 bestimmte das Amtsgericht einen Termin zur Verkündung einer Entscheidung auf den 13.12.2016. An diesem Tag erging dann ein Hinweisbeschluss des Amtsgerichts an beide Beteiligte und eine ergänzende Verfügung, dass die Beteiligten gebeten werden mitzuteilen, ob eine Entscheidung im schriftlichen Verfahren ergehen kann. Der Antragsgegner stimmte daraufhin einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zu. Der Antragsteller aber nicht. Mit Beschluss vom 07.02.2017 verpflichtete das Amtsgericht den Antragsgegner zur Zahlung rückständigen und laufenden Kindesunterhalts.
Gemäß § 113 Abs. 1 FamFG i.V.m. § 128 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann mit Zustimmung beider Parteien das Gericht eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung treffen. Nach Satz 2 der Vorschrift bestimmt das Gericht den Zeitpunkt, bis zu dem Schriftsätze eingereicht werden können und den Termin zur Verkündung der Entscheidung. Das Amtsgericht hätte daher, da nur die Zustimmung eines Beteiligten vorlag, keine schriftliche Entscheidung treffen dürfen. Zudem hätte das Amtsgericht beiden Beteiligten eine Frist zur Einreichung von Schriftsätzen gewähren müssen. Der Beschwerdeführer rügt daher zu Recht, dass mangels Fristsetzung das rechtliche Gehör verletzt worden ist und ein Verfahrensmangel vorliegt.
Gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 FamFG, § 538 Abs. 2 Ziffer 1 ZPO ist eine Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht vorliegend aber dennoch nicht möglich. Nach der genannten Vorschrift darf das Beschwerdegericht die Sache, soweit ihre weitere Verhandlung erforderlich ist, unter Aufhebung der erstinstanzlichen Entscheidung an das Gericht des ersten Rechtszugs nur zurückverweisen, soweit das Verfahren im ersten Rechtszug an einem wesentlichen Mangel leidet und aufgrund dieses Mangels eine umfangreiche oder aufwendige Beweisaufnahme notwendig ist. Hiervon ist im vorliegenden Fall aber nicht auszugehen. Denn das Verfahren ist entscheidungsreif, eine Beweisaufnahme ist nicht durchzuführen (vgl. die weiteren Ausführungen unten b) und c)).
b) Das Amtsgericht ist für seine Unterhaltsberechnung zutreffend von einem Einkommen des Antragsgegners gemäß der Gruppe 10 der Düsseldorfer Tabelle ausgegangen.
Grundsätzlich hat jeder Beteiligte die Voraussetzungen der für ihn günstigen Normen darzulegen und zu beweisen. Nach dieser Grundregel richtet sich auch die Darlegungs- und Beweislast im Unterhaltsrecht. Der Unterhaltsberechtigte ist beweispflichtig für die Tatbestandsvoraussetzungen der Normen, auf die er seinen Unterhaltsanspruch stützt, für die maßgeblichen Lebensverhältnisse, nach denen sich sein Unterhaltsbedarf bemisst und für seine Bedürftigkeit. Der Unterhaltspflichtige trägt die Beweislast für die Beschränkung seiner Leistungsfähigkeit und für Einwendungen gegen den Unterhaltsanspruch (Wendl/Dose, Das Unterhaltsrecht in der familienrichterlichen Praxis, 9. Aufl., § 6, Rn. 700, 701).
Der Unterhaltspflichtige hat also die Darlegungs- und Beweislast für seine Leistungsunfähigkeit. Beruft sich der Unterhaltspflichtige auf eine eingeschränkte oder fehlende Leistungsfähigkeit muss er zunächst die seine eigene Lebensstellung bestimmenden Tatsachen wie die Höhe seines Einkommens, Werbungskosten, Aufwendungen, Betriebsausgaben oder sonstige einkommensmindernde Abzugsposten vortragen und ggf. beweisen (BGH FamRZ 1988, 930).
Auch die Notwendigkeit und Höhe seiner berufsbedingten Aufwendungen ist vom Unterhaltsschuldner substantiiert darzulegen (BGH FamRZ 2009, 404).
Steuerrechtlich relevante Einkommen und das unterhaltsrechtlich relevante Einkommen sind nicht immer identisch (BGH FamRZ 2003, 741). Unterhaltsrechtlich sind enge Grenzen zu ziehen, vor allem wenn die Kfz-Aufwendungen in einem unangemessenen Verhältnis zu den Einnahmen und dem verbleibenden Gewinn stehen. Es ist Sache des Unterhaltspflichtigen, die Berufsbedingtheit von Anschaffungen und Betriebsausgaben darzulegen und nachzuweisen (Wendl/Spieker, a.a.O., § 1, Rn. 330).
Der Antragsteller hat substantiiert vorgetragen, welchen steuerrechtlichen Gewinn der Antragsgegner in den Jahren ab 2011 erzielt hat und welche Betriebsausgaben aus seiner Sicht unterhaltsrechtlich nicht anzuerkennen sind, nämlich vor allem die steuerrechtlich erfolgte Absetzung der Aufwendungen für einen zweiten nach Ansicht des Antragstellers nicht benötigten Pkw des Antragsgegners. Der Antragsgegner wäre seinerseits verpflichtet, die Notwendigkeit der Betriebsausgaben für einen weiteren Pkw aus unterhaltsrechtlicher Sicht substantiiert darzulegen und nachzuweisen. Die vom Antragsteller angegebenen Gewinne des Antragsgegners wurden nicht bestritten. Hinsichtlich der Abzüge hat der Antragsgegner zuletzt vorgetragen, dass er ein Fahrzeug betrieblich benötigt, um größere IT-Geräte zu transportieren, ein weiteres als Repräsentationsfahrzeug für Kundenbesuche. Nach Überzeugung des Senats können beide betrieblichen Zwecke ohne weiteres auch mit nur einem Fahrzeug erfüllt werden. Da der Antragsgegner zur Zahlung von Unterhalt für ein minderjähriges Kind verpflichtet ist, ist aus unterhaltsrechtlicher Sicht der Abzug von Aufwendungen für die betriebliche Nutzung von gleich zwei Fahrzeugen nicht möglich. Der Antragsgegner ist mit seinem Nettoeinkommen daher in die Gruppe 10 der jeweiligen Düsseldorfer Tabelle einzustufen.
c) Gemäß Ziffer 11.2. der Unterhaltsrechtlichen Leitlinien der Familiensenate in Süddeutschland sind die Tabellensätze der Düsseldorfer Tabelle auf den Fall zugeschnitten, dass der Unterhaltspflichtige zwei Unterhaltsberechtigten Unterhalt zu gewähren hat. Bei einer größeren oder geringeren Anzahl Unterhaltsberechtigter sind in der Regel Ab- oder Zuschläge durch Einstufung in eine niedrigere oder höhere Einkommensgruppe vorzunehmen. Der Antragsteller hat bei seiner Unterhaltsberechnung, der das Amtsgericht gefolgt ist, bei zwei Unterhaltsberechtigten keinen Abschlag vom Tabellenbetrag vorgenommen, bei jedem weiteren Unterhaltsberechtigten einen Abschlag von je einer Gruppe. Dies ist nicht zu beanstanden. Dabei ging der Antragsteller davon aus, dass der Antragsgegner neben den minderjährigen Kindern auch seiner Ehefrau zum Unterhalt verpflichtet ist.
Unstreitig ist der Antragsgegner nicht nur gegenüber dem Antragsteller unterhaltspflichtig, sondern neben seiner Ehefrau auch gegenüber zwei ehelichen Kindern und infolge von durchgeführten Adoptionen zuletzt insgesamt 5 Adoptivkindern.
Gemäß § 1751 Abs. 4 Satz 1 BGB ist bei einer Adoption der Annehmende dem Kind zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet, sobald die Eltern des Kindes die erforderliche Einwilligung erteilt haben und das Kind in die Obhut des Annehmenden mit dem Ziel der Annahme aufgenommen ist. Nach Satz 2 der genannten Vorschrift sind die Ehegatten einem Kind zur Gewährung des Unterhalts verpflichtet, wenn ein Ehegatte ein Kind seines Ehegatten annehmen will, sobald die erforderlichen Einwilligungen der Eltern des Kindes erteilt und das Kind in die Obhut der Ehegatten aufgenommen worden ist. Die Einwilligung des Elternteils steht deren Ersetzung gleich (Palandt/Götz, BGB, 76. Aufl., § 1751, Rn. 7). Vor Einwilligung des leiblichen Elternteils bzw. vor rechtskräftiger gerichtlicher Ersetzung der Einwilligung besteht keine Unterhaltspflicht des Annehmenden, so dass für diese Zeiträume vor Einwilligung bzw. Ersetzung auch keine Herabstufung gemäß der Düsseldorfer Tabelle vorgenommen werden kann.
Der Antragsgegner ist darlegungs- und beweispflichtig, ab wann das Adoptivkind bei ihm gelebt hat und ab wann die Einwilligung des leiblichen Elternteils zur Adoption erteilt bzw. ab wann das Gericht die Einwilligung durch gerichtliche Entscheidung ersetzt hat. Dem ist der Antragsgegner nunmehr nachgekommen, so dass von einer Unterhaltspflicht des Antragsgegners für das adoptierte Kind Moritz ab Januar 2014 und für die weiteren Kinder ab November 2014 (und nicht, wie das Amtsgericht zugrunde gelegt hat, ab August 2014 bzw. Dezember 2014) besteht.
d) Die vom Antragsteller vorgenommene Berechnung des Unterhaltsrückstandes und Berücksichtigung der geleisteten Zahlungen, die das Amtsgericht übernommen hat, hat der Antragsgegner im Übrigen nicht bestritten. Da auch unstreitig eine erstmalige Aufforderung des Antragsgegners zur Erteilung der Auskunft über seine Einkommens- und Vermögensverhältnisse im März 2011 erfolgt ist und später für die folgenden Zeitabschnitte erneuert wurde, besteht der Unterhaltsanspruch auch, wie vom Antragsteller gefordert, ab März 2011, so dass die Unterhaltsnachforderungen auch aus zeitlicher Sicht gerechtfertigt sind.
e) Das Amtsgericht hat somit zu Recht den Antragsteller zur Unterhaltsnachzahlung ab März 2011 und zur Bezahlung laufenden Unterhalts ab August 2016 verpflichtet, allerdings reduziert sich der Unterhaltsrückstand wegen der um sechs Monate früheren Herabstufung wegen der Unterhaltspflicht für Moritz und der um einen Monat früheren Herabstufung wegen der Unterhaltspflicht für die weiteren adoptierten Kinder um 319,– € auf lediglich 8.298,– €, so dass der Beschluss des Amtsgerichts vom 07.02.2017 in Ziffer 1 des Tenors insoweit abzuändern war. Im Übrigen war die Beschwerde zurückzuweisen.
Die Entscheidung über die Kosten des Beschwerdeverfahrens beruht auf § 243 FamFG.
Die gesetzlichen Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde liegen nicht vor.

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