Aktenzeichen Au 3 K 19.148
SGB X § 33 Abs. 2, § 42
BGB § 1632
FamFG § 89, § 90
VwGO § 113 Abs. 1 S. 4
GG Art. 6 Abs. 2 S. 1, Art. 6 ABs. 3
Leitsatz
§ 1692 BGB weist den Herausgabeanspruch dem bzw. den Inhabern der Personensorge zu. Konkret kommt es auf die tatsächliche Personensorge- und dabei auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht an. Inhaber des Anspruchs kann auch der Ergänzungspfleger sein. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass die mündlich vom Landratsamt … angeordnete Inobhutnahme vom 23. Januar 2019 des am … 2019 geborenen Kindes … rechtswidrig war.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leisten.
Gründe
Die Klage hat Erfolg.
I.
Sie ist zulässig.
1. Die zuletzt klägerseitig verfolgte Fortsetzungsfeststellungsklage i.S.v. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist statthaft. Da die Erledigung nach Klageerhebung eingetreten ist, ergibt sich die Statthaftigkeit aus der direkten Anwendung des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO.
Nach § 42 Abs. 4 Nr. 2 SGB VIII endet die Inobhutnahme mit der Entscheidung über die Gewährung von Hilfen nach dem Sozialgesetzbuch. Mit dem am 5. Februar 2019 ergangenen Bescheid des Beklagten über die Gewährung von Hilfen für das Kind der Kläger wurde die Inobhutnahme demnach beendet. Dementsprechend haben die Bevollmächtigten der Kläger am 20. Februar 2019 die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts umgestellt.
2. Die Kläger sind auch klagebefugt nach § 42 Abs. 2 VwGO analog. Zwar war im vorliegenden Fall zum Zeitpunkt der Inobhutnahme den Klägern das Aufenthaltsbestimmungsrecht durch familiengerichtlichen Beschluss entzogen und der Ergänzungspflegerin übertragen worden. Dies lässt die Klagebefugnis indes nicht entfallen. Denn eine Inobhutnahme tangiert nicht ausschließlich das Aufenthaltsbestimmungsrecht, sondern darüber hinaus auch diejenigen Teile der elterlichen Sorge, die im vorliegenden Fall bei den Klägern verblieben waren, so die Gesundheitsfürsorge für das Kind, sowie vor allem das von Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG umfasste Recht, das Kind zu erziehen (BayVGH, B.v. 9.1.2017 – 12 CS 16.2181 – JAmt 2017, 132).
3. Ein besonderes Interesse i.S.d. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO kann den Klägern in Anbetracht einer möglichen tiefgreifenden Verletzung ihrer sich aus Art. 6 Abs. 2 und 3 GG ergebenden Grundrechte nicht abgesprochen werden. Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG umfasst materiell das Recht der Eltern, Pflege und Erziehung ihres Kindes nach eigenen Vorstellungen zu gestalten. Es beinhaltet die freie Entscheidung über die Pflege, das heißt über die Sorge für das körperliche Wohl, wie auch die freie Gestaltung der Erziehung, also der wertbezogenen Sorge für die seelisch-geistige Entwicklung des Kindes (BayVGH, B.v. 9.1.2017 – 12 CS 16.2181 – JAmt 2017, 132). Die Schwere des Eingriffs in das durch Art. 6 Abs. 2 Satz 1 GG geschützte Recht dürfte bei der Inobhutnahme von Kindern auf der Hand liegen (vgl. OVG Münster, B.v. 05.03.2019 – 12 E 805/18 – BeckRS). Es ist jedenfalls möglich, dass durch die Inobhutnahme eine tiefgreifende Verletzung dieses Rechts eingetreten ist.
II.
Die Klage ist auch begründet.
1. Entgegen der Auffassung des Beklagten stellt die von ihm getroffene streitgegenständliche Maßnahme eine Inobhutnahme dar. Durch die Inobhutnahme wird ein öffentlich-rechtliches, sozialrechtlich normiertes Schutz- und Sorgeverhältnis begründet; es handelt sich um einen Verwaltungsakt (Trenczek in Münder/Meysen/Trenczek, Frankfurter Kommentar SGB VIII, 8. Auflage 2019, § 42 Rn. 61). Die maßgebliche Mitarbeiterin des Beklagten hat bei ihrem Vorgehen am 23. Januar 2019 konkludent eine Inobhutnahme des Kindes der Kläger im Sinn von § 42 SGB VIII verfügt und damit hoheitlich und nicht in Ausübung des Aufenthaltsbestimmungsrechts gehandelt. Die Inobhutnahme bedarf keiner ausdrücklichen Verfügung des Jugendamts; sie kann auch konkludent erklärt werden und ist gegebenenfalls nach § 33 Abs. 2 SGB X schriftlich zu bestätigen (zum Ganzen BayVGH, B.v. 20.1.2014 – 12 ZB 12.2766 – NJW 2014, 715).
Der Beklagte selbst sprach sowohl in der Mitteilung an das Familiengericht im Vorfeld der Maßnahme von einer Inobhutnahme als auch im Nachgang im Schreiben vom 24. Januar 2019. Zwar beinhaltet das Aufenthaltsbestimmungsrecht das Recht, von Dritten nach § 1632 Abs. 1 BGB die Herausgabe eines Kindes zu fordern. Dieser zivilrechtliche Anspruch kann einem Ergänzungspfleger zustehen, sofern – wie im vorliegenden Fall – diesem die Befugnis zur Aufenthaltsbestimmung des Kindes übertragen worden ist (vgl. BVerfG, B.v.12.10.1988 – 1 BvR 818/88 – NJW 1989, 2519; näher dazu BayVGH, B.v. 20.1.2014 – 12 ZB 12.2766 – NJW 2014, 715). Weigern sich die Eltern, das Kind herauszugeben, muss der Ergänzungspfleger einen familiengerichtlichen Herausgabetitel nach § 1632 Abs. 3 BGB erwirken. Ohne familiengerichtlichen Herausgabetitel kann das Jugendamt gegen den Willen der Eltern die Herausgabe eines Kinds allein im Wege der (hoheitlichen) Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII unter den dort normierten Voraussetzungen, insbesondere einer dringenden Gefahr für das Wohl des Kindes i.S.v § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 SGB VIII, bewirken (dazu sogleich). Es handelt in diesem Fall als Verwaltungsbehörde, die einen Verwaltungsakt erlässt und vollstreckt. Ferner ermöglicht ohne familiengerichtlichen Herausgabetitel erst die Gefahrenabwehrmaßnahme der Inobhutnahme die Inanspruchnahme der Polizei zur Vollzugshilfe nach § 42 Abs. 6 SGB VIII (BayVGH, B.v. 20.01.2014 – 12 ZB 12.2766 – NJW 2014, 715).
Vorliegend bat die zuständige Mitarbeiterin des Beklagten die Polizei um Amtshilfe, nachdem zuvor die Ergänzungspflegerin erfolglos mit der Polizei telefoniert hatte. Sodann traten die Mitarbeiterinnen des Beklagten mit der Ergänzungspflegerin und der Polizei auf und teilten den Bevollmächtigten der Kläger unter Verweis auf das Kindswohl mit, dass sie das Kind in Obhut nehmen würden. Dies spricht ebenfalls für den öffentlich-rechtlichen Charakter des Vorgehens. Jedenfalls die Hinzuziehung von Polizeibeamten als Vollzugshelfer, ohne dass dies in einem familiengerichtlichen Herausgabetitel, über den der Beklagte nicht verfügt hat, ausdrücklich so bestimmt worden ist, lässt auf ein öffentlich-rechtliches Vorgehen des Beklagten schließen (so auch BayVGH, B.v. 20.1.2014 – 12 ZB 12.2766 – NJW 2014, 715). Die gerade unter Hinzuziehung von Polizeibeamten bewirkte Mitnahme des Kindes spricht nachdrücklich für eine Inobhutnahme nach § 42 SGB VIII.
Nach alledem stellt sich die Maßnahme des Beklagten vom 23. Januar 2019 als Inobutnahme dar.
2. Die Inobhutnahme war wegen eines Verstoßes gegen die Regelungen zur örtlichen Zuständigkeit formell rechtswidrig.
Nach § 87 Satz 1 SGB VIII ist für die Inobhutnahme das Jugendamt örtlich zuständig, in dessen Bereich sich der Minderjährige vor Beginn der Maßnahme tatsächlich aufhält. Da das Kind vorliegend in einem Krankenhaus im Stadtgebiet … zur Welt gekommen war, ist das Jugendamt der Stadt … örtlich zuständig gewesen. Der Beklagte war demnach örtlich unzuständig.
Die Erheblichkeit dieses Verfahrensfehlers bestimmt sich nach § 42 SGB X. Diese Vorschrift ist auch im Rahmen der Sachprüfung eines Fortsetzungsfeststellungsantrags von Bedeutung, da der Rechtsschutz nach § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO nicht weiter reicht als bei einer Anfechtungs- oder Verpflichtungsklage. Die Fortsetzungsfeststellungsklage soll nur der spezifischen Situation des Wegfalls der Beschwer bzw. der unmöglich gewordenen Erreichbarkeit des ursprünglich verfolgten Ziels Rechnung tragen, den Klägern aber nicht mehr Rechtsschutz als im Falle des noch zulässigen Primärantrags verschaffen (zur vergleichbaren Vorschrift des Art. 46 BayVwVfG: BayVGH, U.v. 31.3.2003 – 4 B 00.2823 – NVwZ-RR 2003, 771; vgl. auch OVG Münster, U.v. 19.6.2015 – 6 A 589/12 – BeckRs; a.A. Sachs in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 9. Auflage 2018, § 46 Rn. 10 f.; offen gelassen BVerwG, U.v. 22.3.2012 – 3 C 16/11 – NJW 2012, 2823, Rn. 19). Infolgedessen lag zwar ein Verstoß gegen die Regelungen über die örtliche Zuständigkeit vor. Dieser ist aber nach § 42 Satz 1 SGB X unbeachtlich, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Das kann aber letztlich dahinstehen.
3. Die Inobhutnahme war auch in materieller Hinsicht rechtswidrig. Nach § 42 Abs. 1 SGB VIII ist das Jugendamt berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen, wenn u. a. (Nr. 2.) eine dringende Gefahr für das Wohl des Kindes oder des Jugendlichen die Inobhutnahme erfordert und a) die Personensorgeberechtigten nicht widersprechen oder b) eine familiengerichtliche Entscheidung nicht rechtzeitig eingeholt werden kann.
a) Der Inobhutnahme wurde widersprochen. Zwar war die Ergänzungspflegerin, der die Personensorge mit Beschluss des Familiengerichts zum Teil übertragen worden war, mit der Inobhutnahme einverstanden. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung ist aber davon auszugehen, dass ein Widerspruch gegen die Inobhutnahme durch die Eltern vorlag, denen noch Teile der Personensorge verblieben waren (Gesundheitsfürsorge, Recht zur Erziehung). Bereits vor der Entlassung aus dem Krankenhaus wurde deutlich, dass die Eltern mit einer Inobhutnahme nicht einverstanden waren, weil sie das Neugeborene nicht aus den Händen geben wollten und auch die U2-Untersuchung verweigerten. Für den Tag der Entlassung schilderten die Bevollmächtigten der Kläger, dass sie bei dem Zusammentreffen aller Beteiligten vor dem Krankenhaus erklärt hätten, dass das Kind nicht herausgegeben werde. Sie hätten auch betont, dass der Beklagte einen Herausgabebeschluss benötige. Nachdem deutlich geworden sei, dass ein solcher Beschluss nicht noch am selben Tag ergehen würde, hätten die Eltern schließlich den Säugling herausgegeben; um zu vermeiden, dass die anwesenden Polizeibeamten diesen wegnehmen würden. Dies sei erst geschehen, nachdem ihnen ihre Bevollmächtigte mitgeteilt habe, dass sie keine Alternative hätten.
Gemessen an diesen schlüssigen Ausführungen, denen der Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht entgegengetreten ist, wird deutlich, dass kein Einverständnis der Eltern mit der Wegnahme des Kindes bestand, sondern sich diese vielmehr unter dem Druck des Beklagten und angesichts der anwesenden Polizeibeamten gezwungen sahen, das Kind an die Mitarbeiterinnen des Beklagten zu übergeben. Sie wollten damit eine gewaltsame Wegnahme mit Hilfe der Polizei vermeiden.
b) Eine familiengerichtliche Entscheidung nach § 42 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 Buchst. b SGB VIII hätte indes in den folgenden Tagen noch eingeholt werden können, ohne dass eine dringende Gefährdung des Kindswohls eingetreten wäre.
Der Ergänzungspflegerin stand gegen die Eltern nach § 1632 Abs. 1 BGB ein Herausgabeanspruch zu. Die Norm weist den Herausgabeanspruch dem bzw. den Inhabern der Personensorge zu. Konkret kommt es auf die tatsächliche Personensorge und dabei auf das Aufenthaltsbestimmungsrecht an (Huber in Münchner Kommentar BGB, 8. Auflage 2020, § 1632 Rn. 7). Inhaber des Anspruchs kann auch der Ergänzungspfleger sein, wie sich auch aus §§ 1631 Abs. 1, 1915 Abs. 1, 1800 Satz 1 BGB ergibt (BayObLG, B.v. 22.5.1990 – BReg. 1 a Z 16/90 – NJW-RR 1990, 1287). Das Aufenthaltsbestimmungsrecht wurde mit Beschluss des Familiengerichts vom 16. Januar 2019 der Ergänzungspflegerin übertragen.
Ein Herausgabetitel nach § 1632 Abs. 3 BGB wäre nach § 89 FamFG und nicht mit den Mitteln der Verwaltungsvollstreckung durchzusetzen gewesen (siehe dazu BayVGH, B.v. 20.1.2014 – 12 ZB 12.2766 – NJW 2014, 715).
Zwar wurden vorliegend bereits vor der Geburt des Kindes familiengerichtliche Maßnahmen nach den §§ 1666, 1666a BGB zur Abwendung einer Gefahr für das Kind getroffen. Allerdings lag ein Beschluss, der die Herausnahme des Kindes erlaubt hätte, nicht vor. Wie die Ergänzungspflegerin im Aktenvermerk vom 2. Juli 2020 ausführt, versuchte sie noch am Tag der Entlassung aus dem Krankenhaus, einen solchen Beschluss zu erwirken. Der vertretungsweise agierende Richter des Familiengerichts teilte mit, dass ein solcher Beschluss „auf jeden Fall“ ergehen werde, aber wahrscheinlich nicht mehr an diesem Tag.
Das Gericht ist nach dem Gesamtergebnis der mündlichen Verhandlung zu der Überzeugung gekommen (§ 108 Abs. 1 VwGO), dass ein Zuwarten noch möglich gewesen wäre, ohne dass eine dringende Gefahr für das Kindswohl bestanden hätte. Ein Herausgabebeschluss nach § 1632 Abs. 3 BGB wäre auch ein paar Tage später noch rechtzeitig ergangen.
Die in diesem Fall zuständige Sozialpädagogin führte in der mündlichen Verhandlung aus, dass bereits im Verfahren betreffend den Halbbruder des Säuglings verschiedene Umstände festgestellt worden wären, die ein hohes Risiko für eine Kindswohlgefährdung darstellten. So habe die Klägerin zu 2. vorrangig ihre Bedürfnisse im Blick und vernachlässige dadurch das Kind. Dies sei bei einem Säugling besonders gravierend. Überdies sei sie bereits vor der Geburt ihres ersten Kindes in eine Mutter-Kind-Einrichtung aufgenommen worden und habe insgesamt drei Jahre lang unterstützt werden müssen. Sie habe mit dem älteren Kind nie außerhalb einer Mutter-Kind-Einrichtung allein gelebt. Nachdem die letzte Einrichtung, in der sie gelebt hatten, zu dem Schluss gekommen sei, dass ein weiterer Verbleib des Sohns bei der Mutter schädlich für das Kindswohl sei, sei dieser in einer Pflegefamilie untergebracht worden. Problematisch sei auch, dass die Klägerin zu 2. ihr Kind Dritten überlasse und sich mit ihrem Handy beschäftige, anstatt auf das Kind zu achten. Sie könne ihm keine Alltagsstruktur bieten. Auch der Sachverständige kommt in seinem den Halbbruder des Säuglings betreffenden Gutachten zu der Einschätzung, dass „eine hohe Problembelastung der Mutter, ein Risiko für Vernachlässigung und psychischen Missbrauch sowie mangelhaftes Fürsorge- und Erziehungsverhalten“ zusammenwirken würden.
Diese Einschätzungen können zwar Auskunft über eine mittel- oder langfristig zu erwartende Beeinträchtigung des Wohls des Kindes geben. Allerdings sind sie insgesamt nicht geeignet, die Notwendigkeit der Inobhutnahme damit zu begründen, dass eine familiengerichtliche Entscheidung nicht mehr möglich gewesen sei. Vielmehr ist davon auszugehen, dass ohnehin in den nächsten Tagen ein Herausgabebeschluss ergangen wäre, so dass ein längerfristiger Verbleib des Kindes bei den Eltern nicht zu erwarten war. Es erscheint unwahrscheinlich, dass eine nachhaltige Beeinträchtigung des Kindswohls eingetreten wäre, wenn die Eltern das Kind aus der Klinik mit nach Hause genommen hätten. Denn nach übereinstimmender Aussage der Bevollmächtigten der Kläger und der zuständigen Sozialpädagogin hatte die betreuende Hebamme festgestellt, dass bei der Versorgung des Säuglings durch die Eltern keine Auffälligkeiten auftraten. Die Hebamme hatte auch angeboten, täglich bei den Klägern vorbeizukommen. Vor dem Hintergrund dieses Angebots und dem Umstand, dass auch der Beklagte über Möglichkeiten verfügt, Eltern von Neugeborenen durch das Programm Frühe Hilfen (KoKi) zu unterstützen, vermag das Gericht nicht zu erkennen, weshalb das Kind nicht noch bis zum Erlass eines Herausgabebeschlusses bei den Eltern hätte verbleiben können, zumal dieser wahrscheinlich spätestens nach ein paar Tagen ergangen wäre. Die Grundversorgung des Säuglings wäre dabei gesichert gewesen. Hinzu kommt, dass die bei der Klägerin zu 2. benannten Defizite in der Erziehungsfähigkeit zwar wohl eine längerfristige Betreuung nicht erlauben, ohne dass eine Gefahr für das Kindswohl eintritt. Dass diese Probleme jedoch innerhalb weniger Tage eine solche Gefahr begründen, ist nicht ersichtlich. Es handelt sich vielmehr um Probleme, die sich bei einer längerfristigen Betreuung nachteilig auf das Kindswohl auswirken. Allerdings können Faktoren wie mangelnde Alltagsstruktur, das übermäßige Beschäftigen mit einem Smartphone sowie emotionale Vernachlässigung oder gar psychischer Missbrauch kaum innerhalb weniger Tage derart gravierend werden, dass ein sofortiges Herausnehmen des Neugeborenen aus der Familie geboten ist.
4. Aufgrund der Rechtswidrigkeit der Inobhutnahme wurden die Kläger in ihren grundrechtlich geschützten Rechten aus Art. 6 Abs. 2 und 3 GG verletzt.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO. Das Verfahren ist gerichtskostenfrei (§ 188 Satz 2 VwGO). Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 ff. ZPO.