Aktenzeichen 4 W 85/17
BGB § 195, § 199, § 839a
Leitsatz
Die Vornahme eines Rückschlusses von (auch gravierenden) Fehlern eines Gutachtens auf ein vorsätzliches Handeln des Gutachters – mit der Folge einer entsprechenden Beweiserleichterung -, ist nicht möglich. (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
72 O 1041/17 2017-06-02 Bes LGWUERZBURG LG Würzburg
Tenor
1. Die sofortige Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Landgerichts Würzburg vom 02.06.2017, Az. 72 O 1041/17, wird zurückgewiesen.
Gründe
I.
Der Antragsteller begehrt Prozesskostenhilfe für eine Klage gegen den Antragsgegner, der im Rahmen eines gegen den Antragsteller gerichteten Ermittlungsverfahrens am 27.07.2009 ein psychiatrisches Sachverständigengutachten erstattet hatte. Am 03.08.2009 wurde gegen den Antragsteller durch das Amtsgericht Würzburg deshalb ein Unterbringungsbefehl erlassen, welcher unter Bezugnahme auf das Gutachten des Antragsgegners, von einer Schuldunfähigkeit bzw. verminderten Schuldfähigkeit des Antragstellers und einer hohen Wahrscheinlichkeit für die Begehung weiterer Straftaten ausging. Infolgedessen wurde gegen den Antragsteller vom 05.08.2009 bis 05.03.2010 die einstweilige Unterbringung im Bezirkskrankenhaus A. vollzogen.
Unter Berufung auf ein weiteres, im vorgenannten Ermittlungsverfahren eingeholtes psychiatrisches Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. vom 02.03.2010, welches zu dem Ergebnis kam, dass bei dem Antragsteller aus forensischpsychiatrischer Sicht keines der vier Eingangsmerkmale des § 20 StGB vorgelegen habe, trägt der Antragsteller vor, dass der Antragsgegner das Gutachten vom 27.07.2009 vorsätzlich falsch erstattet habe. Der Antragsteller ist der Auffassung, dass es sich bei diesem Gutachten um ein vorsätzlich falsch erstattetes Gefälligkeitsgutachten zugunsten der Staatsanwaltschaft Würzburg gehandelt habe, um dieser die Möglichkeit zu verschaffen, den Antragsteller „dauerhaft wegzusperren“. Der Antragsteller ist der Auffassung, dass ihm wegen der Unterbringung und der sich hieraus ergebenden Stigmatisierung ein Schadensersatz- und Schmerzensgeldanspruch in Höhe von insgesamt 342.400 € zustehe und begehrt mit seinem, bei dem Landgericht Würzburg am 30.05.2017 eingegangenen Antrag, Prozesskostenhilfe und die Beiordnung eines Rechtsanwalts für eine entsprechende Klage.
Das Landgericht hat den Antrag ohne Anhörung des Antragsgegners mit Beschluss vom 02.06.2017 zurückgewiesen und ausgeführt, dass dieser keinen konkreten Sachvortrag für den Vorwurf der vorsätzlichen Erstattung eines falschen Gutachtens erkennen lasse; der Antrag enthalte vielmehr lediglich Vermutungen und Verdächtigungen ohne objektive Grundlage.
Der form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde des Antragstellers vom 12.06.2017 hat das Landgericht mit Beschluss vom 04.09.2017 nicht abgeholfen. Nach Aufhebung dieses Nichtabhilfebeschlusses durch Beschluss des Oberlandesgerichts vom 21.09.2017, hat das Landgericht mit weiterem Beschluss vom 15.12.2017 der sofortigen Beschwerde des Antragstellers erneut nicht abgeholfen.
Hierauf wurde dem Antragsgegner gem. § 118 Abs. 1 S. 1 ZPO Gelegenheit zur Stellungnahme zur beabsichtigen Klageerhebung gegeben, welche er mit Schriftsatz vom 12.04.2018 genutzt hat. Zu den Vorwürfen des Antragstellers hat er erklärt, dass er – wie auch im Fall des Antragstellers – die von ihm anzufertigenden wissenschaftlichen Gutachten nach bestem Wissen und Gewissen erstatte. Die inhaltliche Divergenz zu dem Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. sei fachlicher Natur und beruhe nicht auf einem Schädigungsvorsatz des Antragsgegners. Auch den Vorwurf einer groben Fahrlässigkeit weist er zurück und erhebt vorsorglich die Einrede der Verjährung.
Hierzu hat der Antragssteller mit Schreiben vom 02.05.2018 erneut Stellung genommen.
Die zulässige Beschwerde ist unbegründet.
Soweit der Antragsteller die beabsichtigte Klage auf den Vorwurf der vorsätzlichen Erstattung eines falschen Gutachtens stützt, hat diese keine Aussicht keine Aussicht auf Erfolg; die für eine derartige Klage beantragte Prozesskostenhilfe war damit nicht zu gewähren (§ 114 Abs. 1 ZPO).
Die Anforderungen an die hinreichende Aussicht auf Erfolg der beabsichtigten Rechtsverfolgung oder -verteidigung im Sinne von § 114 Abs. 1 ZPO dürfen vor dem Hintergrund der verfassungsrechtlich geschützten Rechte des Art. 3 Abs. 1 i.V.m. Art. 20 Abs. 3 GG zwar nicht überspannt werden, um den Zweck der Prozesskostenhilfe, auch dem wirtschaftlich Unbemittelten den weitgehend gleichen Zugang zu Gericht zu ermöglichen, nicht zu verfehlen (vgl. BVerfG, Kammerbeschl. v. 26.06.2003 – 1 BvR 1152/02). Eine solche Erfolgsaussicht besteht deshalb schon dann, wenn der von einer Partei vertretene Rechtsstandpunkt zumindest vertretbar erscheint und in tatsächlicher Hinsicht die Möglichkeit einer Beweisführung besteht (BGH, Urt. v. 16.09.1987 – IVa ZR 76/86 – juris Tz. 10).
Jedoch kann auch unter Zugrundelegung der vorgenannten, maßvollen Anforderungen, für die zu treffende Prognoseentscheidung bzgl. des Ausgangs des Rechtsstreits, der beabsichtigten Klage des Antragsstellers eine ausreichende Erfolgsaussicht nicht attestiert werden.
Voraussetzung für einen Anspruch nach § 839a BGB ist neben der objektiven Unrichtigkeit des erstatteten Gutachtens, dass sich der Sachverständige bewusst über die bei der Erstattung des Gutachtens zu beachtenden Sorgfaltsanforderungen und sonstigen Verpflichtungen hinwegsetzt. Zum Vorsatz gehört nicht nur die Kenntnis der Tatsachen, aus denen die Pflichtverletzung sich objektiv ergibt, sondern auch das Bewusstsein der Pflichtwidrigkeit, d. h. das Bewusstsein, gegen die spezifische Sachverständigenpflicht zu verstoßen. Zumindest muss der Sachverständige mit der Möglichkeit eines Verstoßes rechnen und diesen billigend in Kauf nehmen (Staudinger/Heinz Wöstmann (2013), BGB, § 839a, Rn. 11). Nach den allgemeinen Grundsätzen hat der Geschädigte auch die gesamten Haftungsvoraussetzungen des § 839a Abs. 1 BGB sowohl in objektiver als auch in subjektiver Hinsicht zu beweisen. Beweiserleichterungen nach § 287 ZPO sind hierbei denkbar. So wird die Art des Fehlers, der zur objektiven Unrichtigkeit des Gutachtens geführt hat, mitunter den Rückschluss auf grobe Fahrlässigkeit zulassen (Staudinger, a.a.O., Rn. 28).
Die Vornahme eines Rückschlusses von (auch gravierenden) Fehlern eines Gutachtens auf ein vorsätzliches Handeln des Gutachters – mit der Folge einer entsprechenden Beweiserleichterung -, ist jedoch nicht möglich. Vielmehr obliegt es dem Antragsteller, den Vollbeweis für eine derartige Behauptung zu führen, wofür der Vortrag im vorliegenden Fall jedoch nicht ausreicht.
Beweismittel für die Behauptung des Antragstellers, der Antragsgegner habe entsprechend dem Ziel der Staatsanwaltschaft, den Antragssteller in die einstweilige Unterbringung zu nehmen, „wunschgemäß“ ein falsches Gutachten erstellt, werden nicht angeboten. Der Vortrag des Antragstellers zu einer persönlichen und wirtschaftlichen Abhängigkeit von Gerichtsgutachtern im Verhältnis zu den sie beauftragenden Entscheidern der Justiz im Allgemeinen, und bzgl. des Antragsgegners im Besonderen, führt, anders als der Antragsteller meint, nicht zwingend zu der Schlussfolgerung, dass sich der Antragsgegner bewusst, also vorsätzlich, über die ihm obliegenden Pflichten eines Sachverständigen hinweggesetzt hätte.
2. Auch soweit das Klagebegehren des Antragstellers dahingehend ausgelegt werden kann, dass er seine Schadensersatzansprüche zumindest hilfsweise auf die grob fahrlässige Erstattung eines falschen Gutachtens stützen möchte, hätte die beabsichtigte Klage keine Aussicht auf Erfolg.
Bereits aufgrund der vom Antragsgegner mit Schriftsatz vom 12.04.2018 erhobenen Einrede der Verjährung, zu der sich der Antragsteller nicht geäußert hat, fehlt es an den hinreichenden Erfolgsaussichten. Anders als im Falle einer vorsätzlichen Falscherstattung eines Gutachtens, die in einer Freiheitsentziehung mündet, ist bei lediglich fahrlässigem Handeln nicht die dreißigjährige Verjährungsfrist des § 197 Abs. 1 Nr. 1 BGB einschlägig, sondern die Regelverjährung von drei Jahren des § 195 BGB. Wie auch vom Antragsgegner richtig dargestellt, wären evtl. bestehende Ansprüche wegen § 199 Abs. 1 BGB damit seit dem 31.12.2013 verjährt, da der Antragsteller vom Gutachten des Sachverständigen Prof. Dr. B. und damit von einer evtl. Unrichtigkeit des Gutachtens des Antragsgegners bereits im Jahr 2010 Kenntnis erlangt hat.
III.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Rechtsbeschwerde (§ 574 Abs. 2 ZPO) liegen nicht vor.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst.