Familienrecht

Streit wegen Rückforderung von Kindergeld ab September 2015

Aktenzeichen  3 K 301/16

Datum:
20.1.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 94483
Gerichtsart:
FG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Finanzgerichtsbarkeit
Normen:
EStG § 63 Abs. 1 S. 5
FGO § 6 Abs. 1, § 93, § 100 Abs. 1

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Verfahrens hat der Kläger zu tragen.

Gründe

Die Klage hat keinen Erfolg.
Der Aufhebungs- und Rückforderungsbescheid vom 02.10.2015 und die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 01.02.2016 sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 100 Abs. 1 FGO).
I.
Das Gericht musste aufgrund des nachgereichten Schriftsatzes mit Anlagen der Prozessbevollmächtigten vom 25.01.2017 (nach Schluss der mündlichen Verhandlung) die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnen. Zum einen steht die Wiedereröffnung des Verfahrens nach Schluss der mündlichen Verhandlung grundsätzlich im Ermessen des Gerichts (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. April 2005 VIII 128/03, BFH/NV 2005, 1823; und vom 24. Oktober 2006 VIII B 189/05, BFH/NV 2007, 459; Gräber/ Herbert, Finanzgerichtsordnung, 8. Aufl., § 93 Rz. 9, m.w.N.). Zum anderen muss die mündliche Verhandlung nicht wiedereröffnet werden, wenn ein Beteiligter nachträglich Tatsachen vorträgt, die er bereits in der mündlichen Verhandlung hätte vorbringen können oder wenn er sein bisheriges Vorbringen wiederholt und zusammenfasst. Denn im finanzgerichtlichen Verfahren können nach Schluss der mündlichen Verhandlung, auf die das Urteil ergeht, Angriffs- und Verteidigungsmittel grundsätzlich nicht mehr vorgebracht werden (vgl. BFH-Beschlüsse vom 29. April 2005 VIII 128/03, BFH/NV 2005, 1823; vom 29. Juni 2006 VII R 50/04, BFH/NV 2006, 1865; Gräber/Herbert, a.a.O., § 93 Rz. 11; Brandis bei Tipke/Kruse, AO/FGO, § 93 FGO Rz. 10; Schallmoser in Hübschmann/Hepp/Spitaler, § 93 FGO Rz. 53).
Im Streitfall hatte das Gericht die mündliche Verhandlung am 20.01.2017 geschlossen und eine Schriftsatzfrist nicht eingeräumt. Gründe, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, liegen nicht vor.
Im Schreiben vom 25.01.2017 wird zum Teil das bisherige Vorbringen wiederholt und zusammenfasst. So hatte der Kläger bereits im e-mail vom 20.10.2015 ausgeführt, dass aufgrund ärztlichen Anratens A eine Auszeit wegen der häufigen Schwindelanfälle empfohlen wurde. Diese seien stressbedingt durch den Abiturabschluss entstanden. Weiter lag dem Gericht bereits das fachärztliche Attest des Dr. med. Z vom 01.03.2016 vor. Danach hat sich A vom 24.07.2015 bis zum 14.09.2015 in dessen ambulanter fachärztlicher Behandlung befunden und hat aufgrund der gesundheitlichen Störungen im Herbst 2015 nicht das angestrebte Studium aufnehmen können. Die mit dem nachgereichten Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten vom 25.01.2017 vorgelegten Rechnungen des Dr. med. Z, des Dr. med. Y, des Dr. med. X, des Prof. Dr. med. W, der Dr. med. V sowie der Heilpaktikerin U zeigen, dass sich A im Zeitraum vom 08.03.2013 bis zum 16.09.2015 und wieder ab dem 22.12.2015 unter anderem wegen Schwindel, Gleichgewichtsstörungen, Vestibulopathie, Verdacht auf Borreliose in Behandlung befand.
Es ist fraglich, ob der Schriftsatz der Prozessbevollmächtigten vom 25.01.2017 und die vorgelegten Rechnungen für das streitige Verfahren von Bedeutung sind. Jedenfalls hat die Klägerseite diese Rechnungen erstmals mit Schreiben vom 25.01.2017 vorgelegt; diese hätten aber bereits bis zum Schluss der mündlichen Verhandlung vorgelegt werden können. Eine Wiedereröffnung der mündlichen Verhandlung war daher nicht veranlasst.
II.
Der Bescheid der Familienkasse vom 02.10.2015 sowie die hierzu ergangene Einspruchsentscheidung vom 01.02.2016 sind nicht rechtswidrig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten.
1. A hatte im Klagezeitraum von September 2015 bis Februar 2016 ihren inländischen Wohnsitz nach Auffassung des Gerichts im Inland und ist daher ein für das Kindergeld zu berücksichtigendes Kind.
a) Kinder, die weder einen Wohnsitz noch ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland, in einem Mitgliedstaat der Europäischen Union oder in einem Staat, auf den das Abkommen über den Europäischen Wirtschaftsraum Anwendung findet, haben, werden nicht berücksichtigt, es sei denn, sie leben im Haushalt eines Berechtigten im Sinne des § 62 Absatz 1 Satz 1 Nummer 2 Buchstabe a (§ 63 Abs. 1 Satz 6 EStG).
b) Die Grundsätze, nach denen sich bestimmt, ob jemand einen Wohnsitz (§ 8 der Abgabenordnung …AO…) im Inland hat, sind durch langjährige Rechtsprechung geklärt. Nach § 8 AO hat jemand einen Wohnsitz dort, wo er eine Wohnung unter Umständen innehat, die darauf schließen lassen, dass er die Wohnung beibehalten und benutzen wird. Ob diese Voraussetzungen gegeben sind, ist nach den objektiven Umständen zu beurteilen. Melderechtliche Angaben sind unerheblich.
Ein Umstand, der auf die Beibehaltung und Benutzung der Wohnung schließen lässt, ist die voraussichtliche Nutzungsdauer. Als Anhaltspunkt für die Beibehaltung und Nutzung ist regelmäßig auf die Sechsmonatsfrist des § 9 Satz 2 AO zurückzugreifen, da in dieser Frist zum Ausdruck kommt, ab welcher Zeitdauer ein Aufenthalt nicht mehr nur vorübergehend ist. Dies ist auch für § 8 AO maßgebend, weil eine nur vorübergehende Nutzung einer Wohnung keinen Wohnsitz begründet (BFH-Beschluss vom 19. September 2013 III B 53/13, BFH/NV 2014, 38, Rn. 11).
Bei von vornherein auf mehr als ein Jahr angelegten Auslandsaufenthalten reichen kurzzeitige Besuche und sonstige kurzfristige Aufenthalte zu Urlaubs-, Berufs- oder familiären Zwecken, die nicht einem Aufenthalt mit Wohncharakter gleichkommen und daher nicht „zwischenzeitliches Wohnen“ in der bisherigen Wohnung bedeuten, nicht für die Annahme aus, der Inlandswohnsitz werde aufrechterhalten. Denn nicht nur die objektiven Wohnverhältnisse müssen die Möglichkeit eines längeren Wohnens bieten. Insbesondere darf die Anwesenheit im Inland nicht nur Besuchscharakter haben (BFH-Beschluss vom 19. September 2013 III B 53/13, BFH/NV 2014, 38, Rn. 12).
c) Im Streitfall hat A ihren inländischen Wohnsitz nach Auffassung des Gerichts im Klagezeitraum (September 2015 bis Februar 2016) nicht aufgegeben. Nach den Angaben der Prozessbevollmächtigten ist sie am 11.12.2015 in den Haushalt der Eltern zurückgekehrt. Somit dauerte der Aufenthalt in den U.S.A. vom 15.09.2015 bis zum 11.12.2015 keine 6 Monate, sondern nicht einmal drei Monate. Es ist nichts vorgetragen und es sind auch keine Anhaltspunkte dafür da, dass A für den ca. 3 monatigen Aufenthalt in den U.S.A. den inländischen Wohnsitz aufgegeben hätte. Deshalb ist der Aufenthalt in den U.S.A. vom 15.09.2015 bis zum 11.12.2015 nur vorübergehend. Zudem spricht auch für die Beibehaltung des inländischen Wohnsitzes, dass A ab dem 22.12.2015 die Behandlung durch Ärzte und Heilpraktiker im Inland wieder aufgenommen hat.
2. Jedoch liegt kein Berücksichtigungstatbestand für Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG vor, denn A hat den Ausbildungsplatz zurückgegeben und die vorgesehene Ausbildung zum 01.10.2015 nicht begonnen.
a) Ein Kind wird für Zwecke des Kindergeldes über das 18. Lebensjahr hinaus nach den §§ 62 Abs. 1, 63 Abs. 1, 32 Abs. 4 EStG nur dann berücksichtigt, wenn einer der in § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG genannten Tatbestände vorliegt. Danach wird ein Kind beim Kindergeld unter anderem dann berücksichtigt, wenn es für einen Beruf ausgebildet wird (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG), sich in einer Übergangszeit von höchstens vier Monaten zwischen zwei Ausbildungsabschnitten befindet (Nr. 2 b), eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen kann (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2c EStG), wenn es wegen körperlicher, geistiger oder seelischer Behinderung außerstande ist, sich selbst zu unterhalten (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 3 EStG) oder nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und bei der Agentur für Arbeit als Arbeitssuchender gemeldet ist (§ 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 EStG). Die objektive Beweislast dafür trägt der Kindergeldberechtigte.
b) In Berufsausbildung i.S. des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. a EStG befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernsthaft und nachhaltig darauf vorbereitet. Dieser Vorbereitung dienen alle Maßnahmen, bei denen Kenntnisse, Fähigkeiten und Erfahrungen erworben werden, die als Grundlage für die Ausübung des angestrebten Berufs geeignet sind (ständige Rechtsprechung, etwa BFH-Urteile vom 10. Mai 2012 VI R 72/11, BFHE 237, 499, BStBl. II 2012, 895, m.w.N.; vom 17. Juni 2010 III R 49/09, BFH/NV 2010, 2244), und zwar unabhängig davon, ob die Ausbildungsmaßnahmen in einer Ausbildungsordnung oder Studienordnung vorgeschrieben sind (BFH-Urteile vom 18. März 2009 III R 26/06, BFHE 225, 331, BStBl. II 2010, 296; vom 9. Juni 1999 VI R 33/98, BFHE 189, 88, BStBl. II 1999, 701). Bei dem Begriff der Berufsausbildung handelt es sich um einen eigenständigen Begriff, der grundsätzlich weit auszulegen ist (BFH-Urteil vom 2. April 2009 III R 85/08, BFHE 224, 546, BStBl. II 2010, 298). Nach ständiger Rechtsprechung des BFH ist unter Berufsausbildung die Ausbildung zu einem zukünftigen Beruf zu verstehen. In Berufsausbildung befindet sich, wer sein Berufsziel noch nicht erreicht hat, sich aber ernstlich darauf vorbereitet.
c) A kann im Streitfall nicht als ein Kind in Berufsausbildung berücksichtigt werden. Zwar ist eine Unterbrechung der Ausbildung infolge Erkrankung oder Mutterschaft grundsätzlich unschädlich. Hat ein Kind einen Ausbildungsplatz und ist ausbildungswillig, aus objektiven Gründen aber zeitweise nicht in der Lage, die Ausbildung fortzusetzen, ist es ebenso zu behandeln wie ein Kind, das sich ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, einen solchen aber nicht findet und deshalb nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG zu berücksichtigen ist (BFH, Urteil vom 20. Juli 2006 III R 69/04, Rn. 14, BFH/NV 2006, 2067). Dem liegt der Gedanke zugrunde, dass das Kind in solchen Fällen den Willen hat, sich der Ausbildung zu unterziehen, aber aus objektiven Gründen …wegen Erkrankung… daran gehindert ist, weil ihm die Durchführung der Ausbildungsmaßnahme nicht möglich oder nicht zumutbar ist.
d) Im Streitfall hatte A ab September 2015 jedoch keinen Studienplatz oder anderen Ausbildungsplatz. A hatte das Gymnasium im Juni 2015 abgeschlossen und die Zulassung zum Studium im August 2015 zurückgezogen. A hat auch nicht die bei der Universität 1 bestehende Möglichkeit der Beurlaubung für 1 Semester gewählt, sondern hat den Studienplatz zurückgegeben. Damit liegt nicht die Konstellation einer Unterbrechung der Ausbildung infolge Erkrankung vor, denn es gibt ja seit Abschluss der Schule im Juni 2015 gar keine Ausbildung mehr. Erforderlich ist ein tatsächlich im Klagezeitraum bestehendes Ausbildungsverhältnis, bei dem dann gegebenenfalls wegen Erkrankung keine aktive Studientätigkeit stattfindet.
e) Entgegen der Auffassung der Klägerseite ist die Situation im Streitfall auch nicht der vorübergehenden Unterbrechung eines Studiums aus gesundheitlichen Gründen vergleichbar oder kann A wegen der Erkrankung einem Kind in Ausbildung gleichgestellt werden. Gegen eine solche Gleichstellung spricht zunächst der Wortlaut des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2a EStG („für einen Beruf ausgebildet wird“), aber auch die Systematik der Berücksichtigungstatbestände des § 32 Abs. 4 Satz 1 EStG, die eine Erkrankung an sich mit Ausnahme der Behinderung nach der Nr. 3 nicht als Berücksichtigungstatbestand vorsehen (BFH-Urteil vom 07. Juli 2016 III R 19/15, BFH/NV 2016, 1810 zu ähnlicher Problematik).
Im übrigen würde eine Berücksichtigung während einer Erkrankung voraussetzen, dass diese Erkrankung und deren voraussichtliches Ende durch eine Bescheinigung des behandelnden Arztes nachgewiesen wird. Das vom Kläger vorgelegte ärztliche Attest des Dr. med. Z vom 01.03.2016 ist erst nach Abschluss des Klagezeitraums erstellt worden. Aus dem Attest ergibt sich auch nicht, weshalb A bei der schon seit längerer Zeit bestehenden gesundheitlichen Beeinträchtigung ab September 2015 dann nicht mehr in der Lage ist, eine Ausbildung zu machen. Es ist nicht erkenntlich, welche gesundheitliche Verschlechterung ihres Zustandes im Vergleich zu dem Zeitraum vom 08.03.2013 bis 30.06.2015 eintrat, die nunmehr eine Ausbildung nicht mehr zuließ.
3. Es liegt auch nicht der Berücksichtigungstatbestand für Kindergeld nach § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG vor. Danach kann ein Kind berücksichtigt werden, das eine Berufsausbildung mangels Ausbildungsplatz nicht beginnen oder fortsetzen kann.
a) Nach ständiger Rechtsprechung erfordert die Berücksichtigung eines Kindes gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG, dass sich dieses ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat. Das Bemühen um einen Ausbildungsplatz ist glaubhaft zu machen. Pauschale Angaben, das Kind sei im fraglichen Zeitraum ausbildungsbereit gewesen, habe sich ständig um einen Ausbildungsplatz bemüht oder sei stets beim Arbeitsamt bzw. bei der Agentur für Arbeit als ausbildungssuchend gemeldet gewesen, reichen nicht aus (BFH-Urteile vom 26. August 2014 XI R 14/12, BFH/NV 2015, 322; vom 19. Juni 2008 III R 66/05, BStBl. II 2009, 1005). Um einer missbräuchlichen Inanspruchnahme des Kindergeldes entgegenzuwirken (BFH-Beschluss vom 21. Juli 2005 III S 19/04, BFH/NV 2005, 2207; Felix, in: Kirchhof/Söhn/Mellinghoff, EStG, § 63 Rz D 55) muss sich die Ausbildungsbereitschaft des Kindes durch belegbare Bemühungen um einen Ausbildungsplatz objektiviert haben. Die Nachweise für die Ausbildungswilligkeit des Kindes und für sein Bemühen, einen Ausbildungsplatz zu finden, hat der Kindergeldberechtigte beizubringen, ihn trifft die Feststellungslast für die entsprechenden Bemühungen des Kindes. Die besondere Mitwirkungspflicht unter Einbeziehung des über 18 Jahre alten Kindes sieht § 68 Abs. 1 EStG ausdrücklich vor. Es liegt auch im Einflussbereich des Kindergeldberechtigten, Vorsorge für die Nachweise der Ausbildungswilligkeit des Kindes zu treffen (BFH-Urteile vom 22.09.2011 III R 35/08, BFH/NV 2012, 232; vom 19.06.2008 III R 66/05, BStBl. II 2009, 1005; BFH-Beschluss vom 22.01.2010 III B 24/09, BFH/NV 2010, 873). Der Berücksichtigungstatbestand ist nicht nur dann gegeben, wenn das Kind trotz ernsthaften Bemühens noch keinen Ausbildungsplatz gefunden hat, sondern auch dann, wenn ihm ein Ausbildungsplatz bereits zugesagt wurde, es diesen aber aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten kann (z.B. BFH-Urteile vom 26. August 2014 XI R 14/12, BFH/NV 2015, 322; vom 15. Juli 2003 VIII R 77/00, BFHE 203, 98, BStBl II 2003, 845; vom 15. September 2005 III R 67/04, BFHE 211, 452, BStBl II 2006, 305, unter II.2.; BFH-Urteil vom 17. Juni 2010 III R 34/09, BFHE 230, 61, BStBl II 2010, 982, Rn. 9; Schmidt/Loschelder, EStG, 35. Auflage, § 32 Rz. 32).
b) A kann im Streitfall nicht als Kind, das sich gemäß § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 c EStG ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht, berücksichtigt werden. Zwar ist nach der Rechtsprechung des BFH ein Kind auch dann als ausbildungsplatzsuchend im Sinne des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c EStG anzusehen, wenn ihm ein Ausbildungsplatz bereits zugesagt wurde, es diesen aber aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen erst zu einem späteren Zeitpunkt antreten kann. Beim Hinausschieben des möglichen Ausbildungsbeginns auf eigenen Wunsch gilt das Kind zu dem Zeitpunkt als ausbildungswillig, ab dem es eine Zusage für die Aufnahme einer Ausbildung erhalten hat und aus schul-, studien- oder betriebsorganisatorischen Gründen die Ausbildung erst zum nächstmöglichen Zeitpunkt aufnehmen kann (BFH-Urteile vom 26. August 2014 XI R 14/12, BFH/NV 2015, 322; vom 28. Mai 2013 XI R 38/11, BFH/NV 2013, 1774).
A war zum WS 2015/16 zum Studium an der Fernuniversität 1 zugelassen worden. Diese Zulassung hat sie zurückgezogen. Im Streitfall wird vorgetragen, dass die Ausbildung wegen einer Erkrankung nicht aufgenommen werden konnte und ein Studienbeginn zum Sommersemester 2016 geplant war. Es wurde jedoch nicht vorgetragen, dass sich A um einen Studienplatz zum Sommersemester 2016 beworben oder sogar einen erhalten hatte. Insbesondere wurde vom hierfür beweispflichtigen Kläger weder ein Nachweis für die Bewerbung für eine Zulassung zum Studium zum Sommersemester 2016 noch für die Zulassung erbracht. Die Einlassung der Klägerseite, dass A sich ab Mai 2016 dauerhaft in den U.S.A. aufgehalten hat, spricht dagegen. Der U.S.A. Aufenthalt steht auch der Ausbildungsbereitschaft entgegen. Bei der vorzunehmenden Gesamtwürdigung der Umstände des Einzelfalles ist das Gericht nicht überzeugt davon, dass A sich im Klagezeitraum ernsthaft um einen Ausbildungsplatz bemüht hat.
4. Rechtsgrundlage für die Aufhebungsentscheidung ist § 70 Abs. 2 EStG. Hiernach ist die Festsetzung des Kindergeldes aufzuheben, soweit in den Verhältnissen, die für die Zahlung des Kindergeldes erheblich sind, Änderungen eingetreten sind. Die Aufhebung hat mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse, also ggf. auch rückwirkend zu erfolgen. Ein Ermessensspielraum steht der Familienkasse im Rahmen des § 70 Abs. 2 EStG nicht zu (vgl. BFH-Urteil vom 14.10.2003 VIII R 56/01, BStBl II 2004, 123).
5. Da die Kindergeldfestsetzungen für das streitbefangene Monat September 2015 gemäß § 70 Abs. 2 EStG aufgehoben wurden, hat der Kläger das Kindergeld ohne rechtlichen Grund erhalten und deshalb gemäß § 37 Abs. 2 AO zu erstatten. Ist eine Steuer, eine Steuervergütung, ein Haftungsbetrag oder eine steuerliche Nebenleistung ohne rechtlichen Grund gezahlt oder zurückgezahlt worden, so hat derjenige, auf dessen Rechnung die Zahlung bewirkt worden ist, nach § 37 Abs. 2 Satz 1 AO an den Leistungsempfänger einen Anspruch auf Erstattung des gezahlten oder zurückgezahlten Betrags. Dies gilt nach § 37 Abs. 2 Satz 2 AO auch dann, wenn der rechtliche Grund für die Zahlung oder Rückzahlung später wegfällt.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 135 Abs. 1 FGO.

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