Familienrecht

Umfang der Prüfung des Insolvenzgerichts bei zulässigem Antrag des Schuldners auf Feststellung der Erlangung der Restschuldbefreiung

Aktenzeichen  11 T 4173/17

Datum:
13.7.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
ZVI – 2018, 198
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Nürnberg-Fürth
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
InsO § 287a Abs. 1 S. 1, § 290 Abs. 1 Nr. 5, § 295

 

Leitsatz

Die Entscheidung des Insolvenzgerichts über den zulässigen Antrag auf Feststellung der Erlangung der Restschuldbefreiung gem. § 287a Abs. 1 InsO umfasst nicht die Prüfung, ob bereits Versagungsgründe vorliegen oder in Zukunft vorliegen könnten.  (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

IN 611/16 2017-05-04 Bes AGFUERTH AG Fürth

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde der Schuldnerin wird der Beschluss des Amtsgerichts Fürth vom 04.05.2017, Az. IN 611/16, aufgehoben.

Gründe

I.
Das Amtsgericht Fürth hat mit Beschluss vom 04.05.2017 auf den zulässigen Restschuldbefreiungsantrag der Schuldnerin eine Feststellung abgelehnt, dass sie Restschuldbefreiung erlangen kann, weil die Voraussetzungen für eine Versagung gemäß § 290 Abs. 1 Nr. 5 InsO vorliegen (Bl. 124 ff. d.A.). Dieser Beschluss wurde der Schuldnerin am 13.05.2017 zugestellt. Gegen diesen Beschluss hat die Schuldnerin zur Niederschrift der Urkundsbeamtin am Amtsgericht Fürth am 19.05.2017 sofortige Beschwerde eingelegt und sich zur Begründung auf ihr Schreiben vom 30.03.2017 bezogen (Bl. 130 d.A.). Mit Schreiben vom 23.05.2017 (Bl. 131 d.A.) hat die Schuldnerin die Beschwerde, wie bereits angekündigt, weiter begründet.
Mit Schreiben vom 31.05.2017 (Bl. 132 d.A.) stellte RA F… als Insolvenzverwalter betreffend das Vermögen des Ehemannes L… O… Gläubiger der Schuldnerin, den Antrag auf Versagung der Restschuldbefreiung gemäß § 290 Abs. 1 Ziffer 1 InsO, da diese aufgrund der mündlichen Verhandlung vor dem Amtsgericht Nürnberg vom 19.10.2016 zu eine Straftat nach den §§ 283 bis 283 c StGB zu einer Freiheitsstrafe von deutlich mehr als einem Jahr verurteilt wurde. Er gehe davon aus, dass dieses Urteil rechtskräftig sei.
Mit Beschluss vom 19.06.2017 (Bl. 133 ff. d.A.) hat das Amtsgericht der Beschwerde nicht abgeholfen, in Hinblick auf die Beschwerdebegründung allerdings in den Gründen neu gefasst und die Akte dem Landgericht Nürnberg-Fürth zur Entscheidung vorgelegt.
II.
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin ist zulässig und begründet.
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
Sie ist insbesondere nach § 6 InsO i.V.m. § 287 a Abs. 1 Satz 3 InsO analog statthaft. Auch wenn das Amtsgericht mit dem Beschluss vom 04.05.2016 eine vom Gesetz eigentlich nicht vorgesehene Entscheidung getroffen hat, so muss diesbezüglich eine Beschwerdemöglichkeit gegeben sein, da für solche Situationen § 6 InsO nicht weiterhilft, vgl. Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, 8. Auflage, § 6 InsO, Rn 26; LG Berlin, ZInsO 2004, 987. Dies gilt insbesondere dann, wenn der Gesetzgeber – wie hier durch die Vorschrift des § 287 a Abs. 1 Satz 3 InsO – zu erkennen gegeben hat, dass in diesem Verfahrensabschnitt eine Beschwerdemöglichkeit existieren soll.
Die sofortige Beschwerde wurde rechtzeitig eingelegt (§ 4 InsO i.V.m. § 569 Abs. 1 S. 1 ZPO).
2. Die sofortige Beschwerde ist auch begründet.
a) Gemäß § 287 a Abs. 1 Satz 1 InsO stellt das Insolvenzgericht bei einem zulässigen Antrag auf Restschuldbefreiung durch Beschluss fest, dass der Schuldner Restschuldbefreiung erlangt, wenn er den Obliegenheiten nach § 295 InsO nachkommt und die Voraussetzungen für eine Versagung nach den §§ 290, 297 bis 298 nicht vorliegen. Eine Prüfung, ob bereits Versagungsgründe vorliegen könnten, findet nicht statt, vgl. hierzu Uhlenbruck, InsO, 14. Auflage, § 287 a, Rn. 6; Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, a.a.O., § 287 a, Rn. 14; Münchner Kommentar zur Insolvenzordnung, Band 3, 3. Auflage, § 287 a, Rn. 25. Sofern hierzu – wie vom Erstgericht ausgeführt – auch eine andere Auffassung vertreten wird, kann diese nicht überzeugen.
b) Ausweislich des Wortlautes des § 287 a Abs. 1 Satz 1 InsO ist Voraussetzung des feststellenden Beschlusses lediglich, dass ein zulässiger Antrag auf Restschuldbefreiung vorliegt. Anders als das Erstgericht ausführt, ist dem Wortlaut der Vorschrift auch nicht zu entnehmen, dass der bei einem zulässigen Antrag ergehende Beschluss eine Prognoseentscheidung des Gerichts bezüglich des konkreten Falles enthält. Es wird lediglich festgestellt, dass für den Fall, dass die weiteren Voraussetzungen vorliegen – sollten –, der Schuldner die Restschuldbefreiung erlangen wird. Dass das Gericht in seinem Beschluss eine Beurteilung dahingehend vornimmt, ob genau diese Voraussetzungen künftig zutreffen werden, ist dem Wortlaut der Norm nicht zu entnehmen. Vielmehr lässt sich aus einem entsprechend getroffenen Beschluss lediglich entnehmen, dass ein zulässiger Antrag auf Restschuldbefreiung vorlag. Dementsprechend enthält der feststellende Beschluss auch keine gerichtliche Prognose, sodass die hierzu ausgeführten Argumente nicht verfangen (vgl. hierzu auch AG Hamburg, Beschluss vom 18. Dezember 2015 – 67g IN 357/14 –, zitiert nach juris, NZI 2016, 226 f., das in dieser Entscheidung ausdrücklich seine noch im Beschluss vom 19.02.2015, ZinsO 2015, 821 ff., vertretene Rechtsauffassung aufgibt).
c) Hätte der Gesetzgeber eine Berücksichtigung zweifelsfrei bereits vorliegender Versagungsgründe gewollt, wäre eine entsprechende Regelung zu erwarten gewesen, zumal zu diesem Zeitpunkt die Vorwirkungsrechtsprechung des Bundesgerichtshofs bekannt war. Weder der Wortlaut der Regelung noch die Gesetzgebungshistorie oder die Systematik bzw. die Zielrichtung der Vorschrift geben irgendeinen Anhaltspunkt für eine vorgezogene Prüfung der Versagungsgründe. Der gesamte Regelungszusammenhang des § 287 a InsO als Vorschrift über einzelne Sachentscheidungsvorrausetzungen, das Verfahren und die Entscheidung über die Zulässigkeit mit einem eng geführten sachlich Anwendungsbereich spricht gegen eine derartige Extension. Zudem kollidiert eine Vorprüfung mit dem antragsabhängigen Versagungsmodell (den Gläubigern steht letztlich ein ständiges Rücknahmerecht zu, vgl. auch Hamburger Kommentar zum Insolvenzrecht, 5. Auflage, § 290 InsO Rn. 6, sodass eine hinreichend sichere Prognose des Gerichts in Hinblick auf einen künftigen Versagungsantrag gar nicht möglich ist) und dem Bestreben des Gesetzgebers, Verfahrenshürden abzubauen und eine klare Rechtsgrundlage zu schaffen, Frankfurter Kommentar zur Insolvenzordnung, a.a.O., § 287 a, Rn. 14. Dass bei einer Konstellation wie der hier vorliegenden eine entsprechende Vorprüfung zweckmäßig sein mag, ändert nichts daran, dass eine solche durch das Gesetz nicht vorgesehen ist. Ihre Einführung bleibt dem Gesetzgeber vorbehalten.

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