Familienrecht

Vaterschaftsfeststellung während des Unterhaltsverfahrens

Aktenzeichen  527 F 3766/17

Datum:
16.11.2017
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 155110
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 237
BGB § 1601, § 1603, § 1610, § 1612

 

Leitsatz

1. Nachdem die Vaterschaft rechtskräftigfestgestellt ist, ist es nicht mehr gerechtfertigt und prozessökonomisch, dieVerteidigungsmöglichkeiten des Vaters einzuschränken und ihn auf eineAbänderungsverfahren zu verweisen. Die Beschränkung des § 237 Abs. 3 S. 3FamFG ist nicht mehr anwendbar. (Rn. 9 – 10) (red. LS Axel Burghart)
2. Ist der Unterhaltspflichtige durch wechselndeArbeitszeiten nicht in der Lage, eine Nebentätigkeitauszuüben, ist er verpflichtet, sich eine andere Vollzeitstelle zu suchen. (Rn. 14 – 15) (red. LS Axel Burghart)

Tenor

1. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller für das Kind … geboren am … ab dem 01.12.2017 einen monatlichen, jeweils monatlich im Voraus fälligen Kindesunterhalt in Höhe von 152,00 € zu bezahlen.
2. Der Antragsgegner wird verpflichtet, an den Antragsteller für das Kind …, geboren am … rückständigen Kindesunterhalt für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis 30.11.2017 in Höhe von 2.986 € zu bezahlen.
3. Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsgegner.
4. Die sofortige Wirksamkeit wird angeordnet.
5. Der Verfahrenswert wird auf 5.628,00 € festgesetzt.

Gründe

Der Antragsgegner ist der Vater der Antragsstellerin. Dies wurde durch das Amtsgericht München unter dem Aktenzeichen 527 F 3765/17 mit Beschluss vom 29.05.2017 festgestellt.
Das Kind wohnt bei der Mutter.
Der Antragsgegner arbeitet seit 01.07.2016 bei der Firma … als Chauffeur. Bis November 2016 hat er dort im zeitlichen Umfang von 40 Stunden für ein Bruttogehalt von € 2.400,00 gearbeitet, von 01.12.2016 bis 31.12.2016 in einem Zeitumfang von 20 Stunden pro Woche für ein Bruttogehalt von € 1.200,00 und seit 01.01.2017 in einem Zeitumfang von 30 Stunden pro Woche zu einem Bruttogehalt von € 1.500,00.
Die Antragsstellerin ist der Ansicht, dass Einwendungen wegen eingeschränkter oder fehlender Leistungsfähigkeit des Antragsgegners im vorliegenden Verfahren wegen § 237 Abs. III S. 3 FamFG nicht zu berücksichtigen seien.
Sie beantragt:
1.Der Antragsgegner wird verpflichtet, an die Antragsstellerin zu Händen des jeweiligen gesetzlichen Vertreters einen monatlichen, im Voraus fälligen Unterhalt zu bezahlen.
a)ab dem 01.07.2016 bis 31.08.2017 den jeweiligen Mindestunterhalt der ersten Altersstufe gemäß § 1612 a Abs. 1 BGB abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind,
b)ab 01.09.2017 bis 31.08.2023 den jeweiligen Mindestunterhalt der zweiten Altersstufe gemäß § 1612 a Abs. 1 BGB abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind und
c)ab 01.09.2023 den jeweiligen Mindestunterhalt der dritten Altersstufe gemäß § 1612 a Abs. 1 BGB abzüglich des hälftigen Kindergeldes für ein erstes Kind.
2.Der Antragsgegner hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
2.
Der Antragsgegner beantragt
Antragsabweisung.
Er beruft sich auf seine fehlende Leistungsfähigkeit.
Das antragsstellende Kind hat einen Anspruch auf Kindesunterhalt nach §§ 1601, 1603, 1610, 1612 BGB.
Nachdem die Vaterschaft des Antragsgegners seit Juli 2017 rechtskräftig festgestellt ist, ist die Beschränkung des § 237 Abs. III. S. 3 FamFG nicht mehr anwendbar, der Antragsgegner kann sich auch im vorliegenden Verfahren auf eine fehlende oder eingescgränkte Leistungsfähigkeit berufen. Die Beschränkung des § 237 III S. 3 FamFG verfolgt den Zweck, das Abstammungsverfahren nicht mit langwierigen Auseinandersetzungen im Unterhaltsbereich zu verzögern und dem Kind einen schnellen Titel zu verschaffen.
Wenn aber, wie hier, aufgrund einer rechtskräftigen Vaterschaftsfeststellung kein Bedürfnis mehr für diesen besonderen Schutz mehr besteht, ist es nicht mehr gerechtfertigt und prozeßökonomisch, die Verteidigungsmöglichkeiten des bereits rechtskräftig festgestellten Vaters einzuschränken und ihn auf eine Abänderungsverfahren zu verweisen. Die Situation des Kindes unterscheidet sich nicht mehr von der Situation anderer minderjähriger Unterhaltsberechtigter. (Vergleiche hierzu Zöller § 237 FamFG Rd.-Nr. 7, OLG Nürnberg, 04.05.2016, 7 UF 362/16, OLG Hamm, 11.05.2011, 8 UF 257/10, anderer Ansicht OLG Hamm, 30.04.2015, 12 UF 33/15; die Beschlüsse des OLG München unter anderem vom 05.12.2014, 33 UF 1738/14 betreffen den Fall, dass Unterhaltsverfahren und Vaterschaftsfeststellungsverfahren in einem Verfahren entschieden werden.)
Der Antragsgegner kann seine fehlende Leistungsfähigkeit deshalb nach allgemeinen Grundsätzen entgegenhalten. Dabei ist er jedoch nach § 1603 Abs. II BGB zum Einsatz aller verfügbaren Mittel verpflichtet und für eine fehlende Leistungsfähigkeit darlegungs- und beweispflichtig.
Im Zeitraum vom 01.07.2016 bis 30.11.2016 war der Antragsgegner in vollem Umfang leistungsfähig für einen Unterhalt in der zweiten Einkommensgruppe, da in diesem Zeitraum € 2.400,00 brutto verdient hat.
Berechnung des Einkommens:
Name der Variante II: WEST_2016_01.VUZ
gültig in den alten Bundesländern und Berlin (West),
erster Gültigkeitstag 01.01.2016
allgemeine Lohnsteuer
Monatstabelle
Steuerjahr 2016
Bruttolohn:
2.400,00 Euro
LSt-Klasse 1
Zusatzbeitrag zu KV (%)
0,9
Lohnsteuer:
-292,16 Euro
Solidaritätszuschlag
-16,06 Euro
Rentenversicherung (18,7 % / 2)
-224,40 Euro
Arbeitslosenversicherung (3,0 % / 2)
-36,00 Euro
Krankenversicherung: (14,6 % / 2 + 0.9 %)
-196,80 Euro
Pflegeversicherung (AN-Anteil 1,175 %)
-28,20 Euro
Nettolohn:
1.606,38 Euro
abzüglich pauschaler berufsbedingter Aufwendungen
-80,32 Euro
unterhaltsrechtliches Einkommen
1.526,06 Euro
Ab 01.12.2016 war die Arbeitszeit des Antragsgegners durch den Arbeitgeber reduziert worden, zunächst für Dezember 2016 auf 20 Stunden, ab dann auf 30 Stunden. Unter Berücksichtigung dieses Einkommens wäre der notwendige Selbstbehalt bei Zahlung des Mindestunterhaltes nicht mehr gewahrt.
Der Antragsgegner ist dabei durch die wechselnden Arbeitszeiten nicht in der Lage ist, neben dieser Tätigkeit, eine Nebentätigkeit auszuüben, die ihm ein Zusatzeinkommen ermöglicht, um der Mindestunterhalt zu bezahlen.
Unter diesen Umständen ist der Antragsgegner jedoch verpflichtet, sich eine andere Vollzeitstelle zu suchen. Dass derartige Bewerbungsversuche erfolgt sind, hat der Antragsgegner nicht vorgetragen. Es ist auch von einer realen Erwerbschance auszugehen, allerdings angesichts des Alters und der Erwerbsbiografie des Antragsgegners nur in Höhe des jeweiligen Mindestunterhaltes, also zu einem Stundenlohn bis 31.12.2016 in Höhe von € 8,50 brutto, ab 01.01.2017 in Höhe vor € 8,84 brutto bei einer Gesamtwochenarbeitszeit von 48 Stunden.
Das ergibt einen laufenden Unterhaltsanspruch in Höhe von € 152,00.
Berechnung des Einkommens von …:
Name der Variante II: WEST_2017_01.VUZ
gültig in den alten Bundesländern und Berlin (West),
erster Gültigkeitstag 01.01.2017
allgemeine Lohnsteuer
Monatstabelle
Steuerjahr 2017
Bruttolohn:
Stundenlohn:
8,84 Euro
Stundenzahl:
208
insgesamt:
1.838,72 Euro
LSt-Klasse 1
Zusatzbeitrag zu KV (%)
1,1
Lohnsteuer:
-156,58 Euro
Solidaritätszuschlag
-8,61 Euro
Rentenversicherung (18,7 % / 2)
-171,92 Euro
Arbeitslosenversicherung (3,0 % / 2)
-27,58 Euro
Krankenversicherung: (14,6 % /2 + 1.1 %)
-154,45 Euro
Pflegeversicherung (AN-Anteil 1,275 %)
-23,44 Euro
Nettolohn:
1.296,14 Euro
abzüglich pauschaler berufsbedingter Aufwendungen
-64,81 Euro
unterhaltsrechtliches Einkommen
1.231,33 Euro
… bleibt 1.231,33 – 297 =
934,33 Euro
Das ist weniger als der notwendige Selbstbehalt von
1.080,00 Euro
Defizit: 1.080 – 934,33 =
145,67 Euro
Daher ist zu kürzen:
vorrangiger Kindesunterhalt
297,00 Euro
verfügbar 297 – 145,67 =
151,33 Euro
Mangelquote: 151,33/297 * 100 =
50,953 %
… 297 * 50,953 %
151,33 Euro
also um 145,67 Euro weniger.
Das Resteinkommen erhöht sich damit auf 934,33 + 145,67 =
1.080,00 Euro
Für den Dezember 2016 ergibt dies ein Unterhaltsanspruch von € 114,00.
Berechnung des Einkommens:
Name der Variante II: WEST_2017_01.VUZ
gültig in den alten Bundesländern und Berlin (West),
erster Gültigkeitstag 01.01.2017
allgemeine Lohnsteuer
Monatstabelle
Steuerjahr 2017
Bruttolohn:
Stundenlohn:
8,50 Euro
Stundenzahl:
208
insgesamt:
1.768,00 Euro
LSt-Klasse 1
Zusatzbeitrag zu KV (%)
1,1
Lohnsteuer:
-141,41 Euro
Solidaritätszuschlag
-7,77 Euro
Rentenversicherung (18,7 % / 2)
-165,31 Euro
Arbeitslosenversicherung (3,0 % / 2)
-26,52 Euro
Krankenversicherung: (14,6 % /2 + 1.1 %)
-148,51 Euro
Pflegeversicherung (AN-Anteil 1,275 %)
-22,54 Euro
Nettolohn:
1.255,94 Euro
abzüglich pauschaler berufsbedingter Aufwendungen
-62,80 Euro
unterhaltsrechtliches Einkommen
1.193,14 Euro
gegenüber …
Tabellenunterhalt DT 1/2
393,00 Euro
abzüglich Kindergeld
-96,00 Euro
297,00 Euro
… bleibt 1.193,14 – 297 =
896,14 Euro
Das ist weniger als der notwendige Selbstbehalt von
1.080,00 Euro
Defizit: 1.080 – 896,14 =
183,86 Euro
Daher ist zu kürzen:
vorrangiger Kindesunterhalt
297,00 Euro
verfügbar 297 – 183,86 =
113,14 Euro
Mangelquote: 113,14/297 * 100 =
38,094 %
Joana: 297 * 38,094 %
113,14 Euro
also um 183,86 Euro weniger.
Das Resteinkommen erhöht sich damit auf
896,14 + 183,86 =
1.080,00 Euro
Kosten und Nebenentscheidungen
Die Kostenentscheidung beruht auf § 243 Satz 1 und 2 Nr. 1 FamFG. Abweichend von den Vorschriften der Zivilprozessordnung über die Kostenentscheidung entscheidet das Gericht in Unterhaltssachen nach billigem Ermessen über die Verteilung der Kosten des Verfahrens auf die Beteiligten. Vorliegend ist hierbei insbesondere das Verhältnis von Obsiegen und Unterliegen der Beteiligten einschließlich der Dauer der Unterhaltsverpflichtung zu berücksichtigen. Angesichts des aufgelaufenen Rückstandes und der Dauer der Unterhaltsverpflichtung entspricht es der Billigkeit, dem Antragsgegner die vollen Kosten aufzuerlegen.
Die Anordnung der sofortigen Wirksamkeit beruht auf § 116 Abs. 3 Satz 2 FamFG.
Die Festsetzung des Verfahrenswertes beruht auf § 51 FamGKG. Dabei handelt es sich im Antrag bei dem Zeitraum bis März 2017 um Rückstände (2.160 €), ab dann um laufenden Unterhalt (3.468 €).

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