Familienrecht

Verfahrenswert bei gleichzeitiger Regelung von elterlicher Sorge und Vormundschaft

Aktenzeichen  11 WF 413/16

Datum:
7.4.2016
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
FamRZ – 2016, 2148
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
RVG RVG § 23 Abs. 1 S. 2
FamGKG FamGKG § 33 Abs. 1 S. 1, § 42 Abs. 2, § 45 Abs. 1

 

Leitsatz

1. Zur Bestimmung des Verfahrenswerts bei gleichzeitiger Regelung von elterlicher Sorge und Vormundschaft. (amtlicher Leitsatz)
2.  Wird in einem in § 45 FamGKG genannten Kindschaftsverfahren Vormundschaft oder Pflegschaft angeordnet und kein über § 45 FamGKG hinausgehender Verfahrenswert festgesetzt, ist dies nur dann vertretbar, wenn sich die Anordnung der Vormundschaft oder Pflegschaft allein als notwendige Folge der Regelung der Kindschaftssache darstellt und über die Auswahl des Vormunds oder Pflegers kein Streit besteht.  (redaktioneller Leitsatz)
3. Andernfalls ist für die Vormundschaftssache nach § 42 Abs. 2 FamGKG ein Einzelwert zu bestimmen und zum Wert der Kindschaftssache nach § 33 Abs. 1 S 1 BGB zu addieren.   (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 F 974/15 2016-02-26 Bes AGSCHWABACH AG Schwabach

Tenor

1. Auf die Beschwerden der Verfahrensbevollmächtigten der weiteren Beteiligten wird in Abänderung von Ziffer 5 des Beschlusses des Amtsgerichts – Familiengerichts – Schwabach vom 20.1.2016 und des Beschlusses vom 26.02.2016 der Verfahrenswert auf 6.000,00 € festgesetzt.

Gründe

I. Mit seiner Beschwerde wendet sich der Bevollmächtigte des beteiligten Kindesvaters gegen die Festsetzung des Verfahrenswerts in einer Kindschaftssache.
Nach dem Tod der allein sorgeberechtigten Mutter des Kindes beantragte der im Testament als Vormund benannte Partner der Mutter seine Bestellung als Vormund des Kindes, während der Vater die Übertragung der elterlichen Sorge auf sich begehrte. Das Familiengericht wies nach Bestellung eines Verfahrensbeistands für das Kind und Anhörung der Beteiligten den Antrag des Vaters ab und bestellt den Partner der Mutter als Vormund.
In Ziffer 5 dieses Beschlusses vom 20.01.2016 wurde der Verfahrenswert auf 3.000,00 € festgesetzt und zur Begründung ausgeführt, die Entscheidung resultiere aus § 45 FamGKG.
Mit seiner am 04.02.2016 beim Amtsgericht eingegangenen Beschwerde beantragt der Bevollmächtigte des Partners der Mutter im eigenen Namen den Verfahrenswert auf 8.000,00 € – hilfsweise auf 5.000,00 € – heraufzusetzen. Dem Verfahren seien zwei Verfahrensgegenstände zugrunde gelegen, deren Werte gemäß § 33 FamGKG zusammenzurechnen seien. Der Verfahrensgegenstand „elterliche Sorge“ sei eine bestimmte Kindschaftssache gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG. Für diesen Gegenstand sei ein Teilverfahrenswert von 3.000,00 € festzusetzen. Der Antrag des sonstigen Beteiligten gehöre zum Verfahrensgegenstand „Vormundschaft“. Der Wert dieses Gegenstands sei gemäß §§ 23 Abs. 1 Satz 2 RVG, 42 Abs. 3 FamGKG auf 5.000,00 € festzusetzen. Sollte das Gericht die Rechtsmeinung vertreten, dass der Verfahrenswert entgegen § 33 FamGKG aus dem höheren Wert der einzelnen Verfahrensgegenstände zu berechnen sei, so wäre der Verfahrenswert hilfsweise auf mindestens 5.000,00 € festzusetzen.
Der Bevollmächtigte des Vaters hat sich im eigenen Namen der Beschwerde angeschlossen.
Das Amtsgericht hat im Weg der teilweisen Abhilfe ohne weitere Begründung den Verfahrenswert auf 5.000,00 € festgesetzt.
II. Die im eigenen Namen erhobenen und gemäß § 32 Abs. 2 RVG, § 59 Abs. 1 FamGKG zulässigen Beschwerden der Verfahrensbevollmächtigten sind teilweise begründet, der „Anschluss“ an die Beschwerde durch den Bevollmächtigten des Vaters stellt eine eigenständige Beschwerde dar. Der Verfahrenswert ist auf 6.000,00 € festzusetzen.
Sowohl das Amtsgericht als auch die Beschwerde gehen davon aus, dass der Verfahrenswert für die Entscheidung über die elterliche Sorge gemäß § 45 Abs. 1 Nr. 1 FamGKG 3.000,00 € beträgt. Das Amtsgericht ist auch zutreffend davon ausgegangen, dass eine Billigkeitskorrektur gemäß § 45 Abs. 3 FamGKG nicht in Betracht kommt. Besondere Umstände, die die Festsetzung des Regelwertes als unbillig erscheinen lassen (vgl. hierzu Bundestags-Drucksache 16/6308 S. 306) liegen nicht vor. Solche besonderen Umstände wären insbesondere anzunehmen, wenn das Verfahren besonders umfangreich und schwierig gewesen wäre, an eine Reduzierung wäre zu denken, wenn die Beteiligten nur über ein geringes Einkommen verfügen und das Verfahren sich einfach gestaltet hätte. Im vorliegenden Verfahren sprächen die wirtschaftlichen Verhältnisse des Vaters, dem Verfahrenskostenhilfe bewilligt wurde, zunächst für eine Reduzierung des Regelwertes, der Umfang der Angelegenheit schließt eine solche Reduzierung aber aus. Andererseits ist der Umfang aber nicht so außergewöhnlich, dass der Regelwert zu erhöhen wäre. Es wurde lediglich ein Anhörungstermin durchgeführt und kein Sachverständigengutachten eingeholt.
Isoliert betrachtet ist für den Verfahrensgegenstand Vormundschaft für die Anwaltsgebühren gemäß § 42 Abs. 2 FamGKG (in Verb. m. § 23 Abs. 1 Satz 2 RVG) ebenfalls ein Verfahrenswert von 3.000,00 € festzusetzen. Wie mit der Beschwerde zutreffend ausgeführt, handelt es sich bei einem Verfahren nach § 151 Nr. 4 FamFG um eine in § 45 FamGKG nicht erwähnte Kindschaftssache, für die auch § 46 FamGKG (entgegen der missverständlichen Überschrift) nicht einschlägig ist. Es kommt demnach nur eine Bewertung entsprechend der Auffangvorschrift des § 42 FamGKG in Betracht (vgl. zu Vormundschaftssachen: Thiel in Schneider/Herget, Streitwert Kommentar für Zivilprozess und FamFG-Verfahren, 14. Aufl., Rn. 9018; ders. in Schneider/Volpert/Fölsch, FamGKG, 2. Aufl., § 42 FamGKG Rn. 151). Für nichtvermögensrechtliche Angelegenheiten ist der Auffangwert unter Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalls, insbesondere des Umfangs und der Bedeutung der Sache und der Vermögens- und Einkommensverhältnisse der Beteiligten nach billigem Ermessen zu bestimmen. Da das Ausgangsgericht seine Ermessenserwägungen nicht genannt hat, hat das Beschwerdegericht nach eigenem Ermessen zu entscheiden. Bezüglich der Kindschaftssachen ist dabei stets zu beachten, dass die Regelung in § 45 Abs. 1 FamGKG mit dem Festwert von 3.000,00 € nicht ohne Auswirkung auf die Wertermittlung für nach § 42 Abs. 2 FamGKG zu bewertende sonstige nichtvermögensrechtliche Kindschaftssachen sein kann (Klüsener in Prütting/Helms, FamFG, 3. Aufl., § 42 FamGKG Rn. 18). Eine Überschreitung des Werts nach § 45 Abs. 1 FamGKG erscheint deshalb nur gerechtfertigt, wenn auch in einer Kindschaftssache nach § 45 Abs. 1 FamGKG die Billigkeitskorrektur nach § 45 Abs. 3 FamGKG zu einem höheren Wert führen würde (Klüsener a. a. O.; im Ergebnis ebenso OLG Frankfurt, Beschluss vom 19.02.2014, Az. 6 UF 28/14, juris Rn. 18; Dürbeck in Heilmann, Praxiskommentar Kindschaftsrecht, § 80 FamFG Rn. 23). Solche besonderen Umstände liegen im vorliegenden Verfahren nicht vor (vgl. oben). Vielmehr zielte der Antrag des Partners der Mutter ebenso wie derjenige des Vaters auf die Übernahme der Verantwortung für das Kind ab, weshalb eine identische Bewertung naheliegt. Für die Anwendung des § 42 Abs. 3 FamGKG besteht deshalb kein Anlass.
Das Beschwerdegericht geht davon aus, dass im vorliegenden Verfahren die beiden Werte gemäß § 33 Abs. 1 Satz 1 FamGKG zu addieren sind. In der Praxis wird allerdings für die Anordnung und Auswahl des Vormunds oder Pflegers etwa in Verfahren nach § 1666 BGB oder § 1674 BGB kein über § 45 FamGKG hinausgehender Wert für die Anwaltsgebühren festgesetzt (vgl. zuletzt etwa OLG Brandenburg, FuR 2016, 178; juris Rn. 41), ohne dass dies begründet würde. Vertretbar dürfte dies allerdings nur dann sein, wenn sich die Anordnung der Vormundschaft oder Pflegschaft allein als notwendige Folge der Regelung der elterlichen Sorge darstellt und über die Auswahl des Vormunds oder Pflegers kein Streit besteht.
Auch der Rechtsgedanke des (auf vermögensrechtliche Ansprüche zugeschnittenen) § 39 Abs. 1 Satz 2 FamGKG führt im vorliegenden Verfahren zu keinem anderen Ergebnis. Allerdings standen sich die „Anträge“ in einem Verhältnis gegenüber, dass das Familiengericht nicht beiden stattgeben konnte, vielmehr die Stattgabe des einen Antrags die Abweisung des anderen Antrags nach sich zog (vgl. hierzu Klüsener a. a. O. § 39 FamGKG Rn. 3). Für Verfahren zur elterlichen Sorge nach § 1671 BGB wird bei wechselseitigen Anträgen von einem einheitlichen Gegenstand ausgegangen (OLG Celle FamRZ 2012, 1746; Meyer, GKG/FamGKG, 15. Aufl., § 39 FamGKG Rn. 1). Gleichwohl zeigt die Regelung des § 45 Abs. 1 FamGKG (in Verb. m. § 33 Abs. 1 Satz 1 FamGKG), dass für dasselbe Kind bei Regelung mehrerer Teilbereiche Einzelwerte festzusetzen sind, auch wenn sich eine Entscheidung als Folge einer anderen Entscheidung darstellt, wie dies etwa bei der Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts verbunden mit der Anordnung der Herausgabe des Kindes häufig der Fall ist. Das Beschwerdegericht geht deshalb auch davon aus, dass im vorliegenden Verfahren die Werte nach § 33 Abs. 1 Satz 1 FamGKG zusammenzurechnen sind.
III. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Auslagen werden nicht erstattet (§ 59 Abs. 3 FamGKG).
Die Entscheidung ist nicht anfechtbar (§ 59 Abs. 1 S. 5 i. V. m. § 57 Abs. 7 FamGKG).
H., JHSekr’in, Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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