Aktenzeichen 7 UF 348/17
Leitsatz
1. Ein Vollstreckungsgegenantrag gegen Kostenfestsetzungsbeschlüsse, welche in einem Unterhaltsverfahren ergehen, ist als Familienstreitsache zu qualifizieren. (Rn. 24)
2. Der Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist in einer Familienstreitsache muss innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist bei dem Beschwerdegericht eingehen. (Rn. 28)
3. Die Entscheidung über den Antrag auf Verlängerung einer richterlichen Frist kann mit der Sachentscheidung erfolgen, wenn der Verlängerungsantrag so spät gestellt wird, dass über ihn vor Ablauf der Frist im gewöhnlichen Geschäftsbetrieb nicht mehr entschieden werden kann. (Rn. 31)
4 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist nicht von Amts wegen zu gewähren. (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
103 F 1933/16 2016-12-06 Bes AGNUERNBERG AG Nürnberg
Tenor
1. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den 2. Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Nürnberg vom 6.12.2016 wird als unzulässig verworfen.
2. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
3. Der Verfahrenswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 11.880,34 € festgesetzt.
4. Gegen diese Entscheidung findet die Rechtsbeschwerde statt.
Gründe
I.
Die Antragstellerin hat mit Schriftsatz ihrer Bevollmächtigten vom 2.6.2016 bei dem Amtsgericht – Familiengericht – Nürnberg Vollstreckungsgegenantrag erhoben, mit welchem sie begehrt hat, die Zwangsvollstreckung aus folgenden Kostenfestsetzungsbeschlüssen des Amtsgerichts – Familiengericht – Nürnberg für unzulässig zu erklären:
Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7.1.2016 – Az. 103 F 1069/11, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 7.1.2016 – Az. 103 F 1069/11, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.2.2016 – Az. 103 F 990/12, Kostenfestsetzungsbeschluss vom 11.2.2015 – Az. 103 F 990/12.
Zugleich hat sie beantragt, den Antragsgegner zu verpflichten, die genannten Titel herauszugeben und die Vollstreckung aus den Titeln bis zur Rechtskraft der begehrten Entscheidung einstweilen einzustellen.
Den genannten Beschlüssen lagen Rechtsstreitigkeiten zu Grunde, welche zwischen den Beteiligten über Ehegattenunterhalt für die Dauer des Getrenntlebens geführt wurden. Im Verfahren 103 F 1069/11 wurde Trennungsunterhalt im Wege der einstweiligen Anordnung geltend gemacht, im Verfahren 103 F 990/12 im Hauptsacheverfahren.
Der Vollstreckungsgegenantrag ist dem Antragsgegner am 10.6.2016 zugestellt worden.
Mit im schriftlichen Vorverfahren gemäß § 113 FamFG, § 331 Abs. 3 ZPO erlassenen Versäumnisbeschluss vom 16.9.2016 hat das Amtsgericht – Familiengericht – Nürnberg den Anträgen der Antragstellerin vom 2.6.2016 in vollem Umfang stattgegeben.
Gegen diese Entscheidung, welche dem Bevollmächtigten des Antragsgegners am 21.9.2016 zugestellt worden ist, hat der Antragsgegner mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 5.10.2016, eingegangen bei dem Amtsgericht Nürnberg per Fax am 5.10.2016, Einspruch eingelegt.
Zu dem von dem Amtsgericht mit Verfügung vom 19.10.2016 festgesetzten Verhandlungstermin am 6.12.2016 sind trotz Zustellung der Ladungen am 24.10.2016 (Bevollmächtigter) bzw. 21.10.2016 (Antragsgegner) unentschuldigt weder der Antragsgegner noch sein Bevollmächtigter erschienen.
Das Amtsgericht hat daraufhin mit 2. Versäumnisbeschluss vom 6.12.2016 den Einspruch des Antragsgegners gegen den Versäumnisbeschluss vom 16.9.2016 verworfen und dem Antragsgegner die Kosten des Verfahrens auferlegt.
Diese Entscheidung ist dem Bevollmächtigten des Antragsgegners am 13.12.2016 zugestellt worden.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 13.1.2017, eingegangen bei dem Amtsgericht Nürnberg an diesem Tag, hat der Antragsgegner gegen den 2. Versäumnisbeschluss vom 6.12.2016 Beschwerde eingelegt.
Mit Schriftsatz vom 13.2.2017, gerichtet an das Amtsgericht Nürnberg und per Fax dort eingegangen am 13.2.2017 um 15.53 Uhr, hat der Antragsgegner beantragt, die Beschwerdebegründungsfrist um einen Monat bis zum 13.3.2017 zu verlängern. Auf Grund Anordnung des Amtsgerichts vom 22.3.2017 ist die Akte dem Oberlandesgericht Nürnberg zur Entscheidung vorgelegt worden und hier am 23.3.2017 eingegangen.
Mit Verfügung der Vorsitzenden des Senats vom 5.4.2017 ist der Antragsgegner darauf hingewiesen worden, dass die von ihm eingelegte Beschwerde unzulässig sei. Zur Stellungnahme wurde ihm eine Frist von zwei Wochen gesetzt. Diese Verfügung wurde dem Bevollmächtigten des Antragsgegners am 10.4.2017 zugestellt.
Antragsgemäß wurde die Frist zur Stellungnahme mit Verfügung der Vorsitzenden des Senats am 25.4.2017 bis 15.5.2017 verlängert.
Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 15.5.2017, eingegangen bei dem Oberlandesgericht Nürnberg am 15.5.2017, 17.38 Uhr, hat der Antragsgegner die weitere Verlängerung der Frist zur Stellungnahme um zwei Wochen bis 29.5.2017 beantragt.
Mit Verfügung vom 16.5.2017 ist der Verlängerungsantrag der Gegenseite zur Stellungnahme zugeleitet worden. Diese hat sich mit Schriftsatz vom 17.5.2017 gegen eine weitere Verlängerung der Frist zur Stellungnahme ausgesprochen.
II.
Die statthafte Beschwerde des Antragsgegners gegen den 2. Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Nürnberg vom 6.12.2016 ist als unzulässig zu verwerfen.
1. Gegen den 2. Versäumnisbeschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – Nürnberg vom 6.12.2016 findet gemäß §§ 58 ff., 117 Abs. 1 FamFG die Beschwerde statt.
1.1. Die Beschwerde ist form- und fristgerecht erhoben worden.
Die Zustellung des 2. Versäumnisbeschlusses vom 6.12.2016 an den Bevollmächtigten des Antragsgegners erfolgte am 13.12.2016.
Die Frist zur Einlegung der Beschwerde beträgt gemäß § 63 Abs. 1 FamFG einen Monat und beginnt gemäß § 63 Abs. 3 FamFG mit der Zustellung der angegriffenen Entscheidung. Die Beschwerdeeinlegungsfrist endete damit im konkreten Fall am 13.1.2017. Sie wurde mit Schriftsatz des Bevollmächtigten des Antragsgegners vom 13.1.2017, gerichtet an das Amtsgericht Nürnberg, gewahrt, weil das statthafte Rechtsmittel der Beschwerde gegen den Beschluss vom 16.12.2016 gemäß § 64 Abs. 1 Satz 1 FamFG bei dem Amtsgericht Nürnberg einzulegen war.
Die Erhebung des Rechtsmittels ist auch im Übrigen formgerecht erfolgt.
1.2. Dennoch ist die Beschwerde unzulässig, weil sie nicht fristgerecht begründet worden ist.
Entscheidungen auf Grund eines Vollstreckungsgegenantrages gemäß § 767 ZPO unterliegen grundsätzlich dem nach allgemeinen Grundsätzen geltenden Rechtsmittel (Schmidt/Brinkmann in Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Aufl., Rn 99 zu § 767). Wird von einem Beteiligten geltend gemacht, die weitere Zwangsvollstreckung aus Kostenfestsetzungsbeschlüssen, welche ihre Grundlage in Unterhaltsverfahren haben, sei unzulässig, handelt es sich um Familienstreitsachen gemäß § 112 Nr. 1 i.V.m. § 231 Abs. 1 FamFG. Ergehen in einem Unterhaltsstreit Kostenfestsetzungsbeschlüsse, teilt auch das Vollstreckungsverfahren aus diesen Beschlüssen und damit zusammenhängende Vollstreckungsgegenanträge die rechtliche Qualifizierung als Familienstreitsache, §§ 113 Abs. 1, 120 Abs. 1 FamFG, §§ 103 Abs. 2, 767 ZPO (vgl. Keidel/Weber, FamFG, 18. Aufl., Rn 10 zu § 111, Rn 2 zu § 112, Rn 16 zu § 231; BGH FamRZ 1981, 19).
Gemäß § 117 Abs. 1 Satz 1 FamFG muss der Beschwerdeführer in Ehesachen und Familienstreitsachen zur Begründung der Beschwerde einen bestimmten Sachantrag stellen und diesen begründen. Die Begründung ist bei dem Beschwerdegericht einzureichen. Die Frist zur Begründung der Beschwerde beträgt zwei Monate und beginnt mit der schriftlichen Bekanntgabe des angefochtenen Beschlusses, § 117 Abs. 1 Satz 3 FamFG. Sie ist im konkreten Fall am 13.02.2017 abgelaufen, weil der angegriffene Beschlusses an den Bevollmächtigten des Antragsgegners am 13.12.2016 zugestellt wurde.
Da eine Begründung der Beschwerde des Antragsgegners bis zum heutigen Tage nicht erfolgt ist, muss das Rechtsmittel gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i. V. mit § 522 Abs. 1 Sätze 1 und 2 ZPO als unzulässig verworfen werden.
Dem Antragsgegner kann auch nicht Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist eingeräumt werden. Der Antragsgegner hat weder einen Wiedereinsetzungsantrag gestellt noch bis zum heutigen Tage die Begründung nachgeholt.
Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist auch nicht von Amts wegen zu gewähren. Da die Beschwerdebegründung bei dem Beschwerdegericht hätte eingereicht werden müssen, hätte der Antragsgegner seinen Antrag auf Verlängerung der Beschwerdebegründungsfrist vom 13.2.2017 bei dem Oberlandesgericht Nürnberg stellen müssen. Gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i. V. mit § 520 Abs. 2 Sätze 2 und 3 ZPO wäre die Fristverlängerung allerdings nur möglich gewesen, wenn der Verlängerungsantrag vor Ablauf der Begründungsfrist bei dem für die Verlängerung zuständigem Beschwerdegericht eingegangen wäre (vgl. BGH MDR 2009, 582; Zöller/Heßler, ZPO, 31. Aufl., Rn. 16 a zu § 520). Tatsächlich ist das Fristverlängerungsgesuch des Antragsgegners bei dem Oberlandesgericht Nürnberg jedoch erst am 23.3.2017, also lange nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist am 13.2.2017, eingegangen.
Der Umstand, dass die Vorlageanordnung durch das Amtsgericht erst am 22.3.2017 erfolgte, obwohl der Fristverlängerungsantrag dort am 13.2.2017 eingegangen war, ändert nichts. Das Fristverlängerungsgesuch ist am letzten Tag der Beschwerdebegründungsfrist, also am 13.2.2017, um 15.53 Uhr, bei der Geschäftsstelle des Amtsgerichts eingegangen. Bei einer Bearbeitung im gewöhnlichen Geschäftsgang konnte daher ein fristgerechter Eingang des Verlängerungsgesuchs bei dem Oberlandesgericht Nürnberg durch das Amtsgericht nicht mehr veranlasst werden.
Sonstige Umstände, welche eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdebegründungsfrist rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich. Es bestand keine Veranlassung, die dem Antragsgegner eingeräumte Frist zur Stellungnahme zum Hinweis des Senats vom 5.4.2017 erneut zu verlängern. Die pauschale Berufung darauf, der Bevollmächtigte des Antragsgegners müsse eine „Fülle auswärtiger Gerichtstermine“ wahrnehmen und sei durch die Erledigung „entsprechender Fristsachen völlig ausgelastet“ genügt nicht, um eine weitere Fristverlängerung rechtfertigen zu können, zumal sich die Gegenseite einer weiteren Fristverlängerung widersetzt hat. Der Hinweis des Senats vom 5.4.2017 ist dem Bevollmächtigten des Antragsgegners am 10.4.2017 zugestellt worden. Bis zum Ablauf der verlängerten Stellungnahmefrist hatte er also 5 Wochen Zeit, um zu der mit Verfügung des Senats aufgezeigten, sehr übersichtlichen Problematik Stellung zu nehmen. Weshalb der Bevollmächtigte des Antragsgegners vor Abgabe dieser Stellungnahme darauf angewiesen gewesen sein sollte, umfangreiche Rücksprache mit dem Beschwerdeführer zu halten und diese nicht möglich war, ist nicht ersichtlich. Dass der Antragsgegnervertreter nicht in der Lage gewesen sein sollte, sich innerhalb der zur Verfügung stehenden Zeit von 5 Wochen den für erforderlich gehaltenen Rat eines Fachanwalts für Familienrecht einzuholen, erscheint ausgeschlossen.
Der erneute Antrag auf Verlängerung der Stellungnahmefrist kann zusammen mit der Entscheidung über das Rechtsmittel abgelehnt werden, weil der Verlängerungsantrag so spät eingereicht worden ist, dass eine Entscheidung vor Fristablauf nicht mehr möglich war. Zwar ist der Verlängerungsantrag vom 15.5.2017 an diesem Tag um 17.38 Uhr bei der Geschäftsstelle des Oberlandesgerichts Nürnberg per Fax eingegangen. Eine Entscheidung vor dem Ablauf der – verlängerten – Stellungnahmefrist mit dem Ende des 15.5.2017 war jedoch nicht möglich, weil der Senat gemäß § 225 Abs. 2 ZPO vor einer Entscheidung die Gegenseite anhören musste (vgl. Zöller/Stöber, a.a.O., Rn. 2 zu § 225).
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Entscheidung zum Verfahrenswert beruht auf §§ 40, 42 Abs. 1 FamGKG.
Gegen diese Entscheidung findet gemäß § 117 Abs. 1 Satz 4 FamFG i. V. mit § 522 Abs. 1 Satz 4 ZPO die Rechtsbeschwerde gem §§ 70 ff FamFG statt.