Familienrecht

Vollstreckbarerklärung eines schweizerischen Unterhaltsvertrages bei Rechtsnachfolge

Aktenzeichen  12 UF 829/19

Datum:
16.8.2019
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2019, 43658
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
AUG § 1 Abs. 1 Nr. 2b, § 39 Abs. 1, § 57
HUVÜ 73 Art. 13, Art. 23
LugÜ Art. 67 Abs. 1, Abs. 5
Schweizer ZGB Art. 289 Abs. 2

 

Leitsatz

1. Die Vollstreckbarerklärung eines schweizerischen Unterhaltsvertrages richtet sich nach dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 2.10.1973 (HUVÜ 73); ergänzend ist das Gesetz zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Verkehr mit ausländischen Staaten (AuslandsunterhaltsG – AUG) vom 23.5.2011 anwendbar.  (Rn. 10 und 12) (redaktioneller Leitsatz)
2. Tritt nach Erlass des ausländischen Titels Rechtsnachfolge ein, so hat das deutsche Gericht im Exequaturverfahren darüber zu entscheiden (BGH BeckRS 2011, 6781). (Rn. 16) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

542 F 1840/19 2019-06-04 Bes AGMUENCHEN AG München

Tenor

1. Der Antrag der Antragstellerin zu 1), ihr für das Beschwerdeverfahren Verfahrenskostenhilfe zu bewilligen, wird zurückgewiesen, da die Antragstellerin zu 1) mit Schriftsatz vom 15.07.2019, eingegangen beim Oberlandesgericht München am 23.07.2019, ihre Beschwerde zurückgenommen hat.
2. Auf die Beschwerde der Antragstellerin zu 2) wird der Beschluss des Amtsgerichts – Familiengericht – München vom 04.06.2019, Az. 542 F 1840/19, in Ziffer 1 aufgehoben und neu gefasst wie folgt:
Der Unterhaltsvertrag der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde W. vom 24.01.2015 i. V.m. dem Genehmigungsbeschluss Nr. …15/51 der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde W. – Dossier-Nr. …14-210 vom 04.02.2015, durch den der Antragsgegner verpflichtet wurde, für L. M. ab dem 6. Altersjahr bis zur Vollendung des 12. Altersjahres einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 565,00 CHF und anschließend ab 23.01.2021 bis zur Volljährigkeit einen monatlichen Unterhalt in Höhe von 630,00 CHF jeweils zzgl. Indexierung zu zahlen; befindet sich das Kind bei Erreichen der Volljährigkeit noch in Ausbildung, so gilt die Unterhaltsverpflichtung von 630,00 CHF zzgl. Indexierung bis zum ordentlichen Abschluss der Ausbildung oder bis zum Zeitpunkt der vorzeitigen Beendigung der Ausbildung weiter, wird für vollstreckbar erklärt und ist gemäß § 41 AUG mit der Vollstreckungsklausel zu versehen mit der Maßgabe, dass der Antragsgegner verpflichtet wird,
a) der Antragstellerin zu 1) ab 01.06.2019 laufenden monatlichen Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 565,00 CHF zzgl. Indexierung und ab 23.01.2021 einen Betrag in Höhe von 630,00 CHF zzgl. Indexierung zu zahlen, wobei sich die Indexierung wie folgt berechnet:
Unterhaltsbeitrag x neuer Indexstand (Punkte) ./. Indexstand (98,6 Punkte).
(Der Unterhaltsbeitrag beruht auf dem amtlichen Landesindex der Konsumentenpreise von 98,6 Punkten (Stand Dezember 2014). Er wird jährlich auf den 01. Januar dem Stand per 01. November (Oktoberindex) des Vorjahres angepasst und auf den nächsten Franken aufgerundet);
b) der Antragstellerin zu 2) aus übergegangenem Recht für den Zeitraum vom 01.02.2015 bis 31.05.2019 27.162,28 CHF zu zahlen
3. Gerichtskosten für das Beschwerdeverfahren werden nicht erhoben.
4. Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Die Antragstellerin zu 1) ist die am 23.01.2009 geborene Tochter des Antragsgegners und hat ihren gewöhnlichen Aufenthalt in der Schweiz.
Durch den im Tenor genannten Unterhaltsvertrag der Kindes- und Erwachsenenschutzbehörde W. i.V.m. dem Genehmigungsbeschluss vom 04.02.2015 wurde der Antragsgegner zur Kindesunterhaltszahlung an die Antragstellerin zu 1) im genannten Umfang verpflichtet.
Da der Antragsgegner dieser Unterhaltsverpflichtung nicht vollumfänglich nachkommt, so dass per 31.05.2019 ein Unterhaltsrückstand in Höhe von 27.162,28 CHF bestand, erhält die Antragstellerin zu 1) seit 01.02.2015 staatliche Leistungen in der Schweiz durch die Antragstellerin zu 2), sog. Unterhaltsbevorschussung, in Höhe von 565,00 CHF monatlich. Gemäß Art. 289 Abs. 2 Schweizerisches Zivilgesetzbuch tritt die Antragstellerin zu 2) dadurch in die Unterhaltsforderung gegen den Unterhaltspflichtigen in Höhe des jeweils ausgezahlten Unterhaltsvorschusses ein.
Vertreten durch das Bundesamt für Justiz haben die Antragstellerinnen beantragt, den o.g. Unterhaltsvertrag mit der Maßgabe für vollstreckbar zu erklären und mit der Vollstreckungsklausel gem. § 41 AUG zu versehen, dass der Antragsgegner verpflichtet wird
a) der Antragstellerin zu 1) ab 01.06.2019 laufenden Kindesunterhalt in Höhe von monatlich 565,00 CHF zzgl. Indexierung und ab 23.01.2021 einen Betrag in Höhe von 630,00 CHF zzgl. Indexierung zu zahlen,
und
b) der Antragstellerin zu 2) aus übergegangenem Recht für den Zeitrum ab 01.02.2015 bis 31.05.2019 monatlich 565,00 CHF zzgl. Indexierung zu zahlen.
Das Original des schweizerischen Unterhaltstitels wie auch die Unterhaltsbevorschussungsbescheide für den Zeitraum 01.02.2015 bis 31.05.2019 wurden von den Antragstellerinnen mit dem Antrag vorgelegt.
Das Amtsgericht – Familiengericht – München hat mit Beschluss lediglich ausgesprochen, dass der o.g. Unterhaltsvertrag mit der Vollstreckungsklausel zu versehen ist, und hat seine Entscheidung allein mit dem Hinweis auf die EG-VO Nr. 4/2009 (EU-UntVO) und den vorgelegten Unterhaltstitel begründet. Über den Antrag der Antragstellerin zu 2) wurde keine Entscheidung getroffen. Allerdings sind beide Antragstellerinnen im Rubrum aufgeführt.
Gegen diesen, ihm am 13.06.2019 zugestellten, Beschluss hat das Bundesamt für Justiz namens beider Antragstellerinnen am 28.06.2019 Beschwerde eingelegt mit der Begründung, der Beschluss sei nicht wie beantragt erlassen worden, da das Gericht weder die Rechtsnachfolge auf die Antragstellerin zu 1) (richtig wohl Antragstellerin zu 2)) noch die sich daraus ergebende Beschränkung auf bestimmte Zeiträume im Ausspruch über die Vollstreckbarkeit berücksichtigt habe. Dadurch seien die Antragstellerinnen beschwert. Sie seien nicht Gesamtgläubigerinnen der gesamten titulierten Unterhaltsforderung, sondern es stünden ihnen die Ansprüche aus unterschiedlichen Zeiträumen jeweils alleine zu. Die nach Erlass der ausländischen Unterhaltsentscheidung eingetretene Rechtsnachfolge gem. Art. 289 Abs. 2 Schweizer.ZGB sei zu berücksichtigen.
Ergänzend wurde darauf hingewiesen, dass sich die Vollstreckbarerklärung – mangels Mitgliedschaft der Schweiz in der Europäischen Union – nach dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 02.10.1973 (HUVÜ 73) richte und nicht nach der EU-Unterhaltsverordnung.
Auf den Hinweis der Vorsitzenden vom 04.07.2019, dass nach Ansicht des Senats die Antragstellerin zu 1) durch den amtsgerichtlichen Beschluss nicht beschwert und daher ihre Beschwerde als unzulässig zurückzuweisen sei, nahm diese ihre Beschwerde mit Schriftsatz vom 15.07.2019, beim Oberlandesgericht München eingegangen am 23.07.2019, unter Verwahrung gegen die Kostentragungslast zurück.
II.
Die zulässige Beschwerde der Antragstellerin zu 2) hat auch in der Sache Erfolg, da das Amtsgericht die eingetretene Rechtsnachfolge nicht beachtet und fehlerhaft über den Antrag der Antragstellerin zu 2) nicht entschieden hat.
1. Entgegen der Begründung des Amtsgerichts richtet sich die Vollstreckbarerklärung im Verhältnis zur Schweiz, die nicht Mitglied der EU ist und für die daher die EU-Unterhaltsverordnung nicht anwendbar ist, nach dem Haager Übereinkommen über die Anerkennung und Vollstreckung von Unterhaltsentscheidungen vom 02.10.1973 (HUVÜ 73). Dieses Abkommen ist für die Bundesrepublik am 01.04.1987 unter anderem im Verhältnis zur Schweiz in Kraft getreten, während dessen Nachfolger, das Haager Übereinkommen über die internationale Geltendmachung der Unterhaltsansprüche von Kindern und anderen Familienangehörigen vom 23.11.2007 (HUÜ 2007), zwar am 01.08.2014 in Deutschland in Kraft getreten ist (BGBl.I, 2013,273), nicht jedoch in der Schweiz (https://www.hcch.net/de/instruments/conventions/statustable/?cid=131).
Das Übereinkommen wird auch nicht durch das Luganer Gerichtsstands- und Vollstreckungsübereinkommen (LugÜ) verdrängt, weil dieses Übereinkommen gem. Art. 67 Abs. 1 und 5 LugÜ dem HUVÜ 73 den Vorrang einräumt. Nur wenn nach dem HUVÜ 73 keine Anerkennung und Vollsteckung möglich ist, kann auf das anerkennungsfreundlichere LugÜ zurückgegriffen werden (Art. 23 HUVÜ 73).
Ergänzend ist das Gesetz zur Geltendmachung von Unterhaltsansprüchen im Verkehr mit ausländischen Staaten (AuslandsunterhaltsG – AUG) vom 23.05.2011 anwendbar (§ 1 Abs. 1 Nr.2 b AUG).
2. Das eingelegte Rechtsmittel ist nach Art. 13 HUVÜ 73 i.V.m. §§ 57 AUG, 58 FamFG statthaft sowie auch im Übrigen zulässig. Es wurde form- und fristgerecht eingelegt und begründet (§§ 117 Abs. 1 FamFG, 43 AUG).
3. Die Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.
Das Amtsgericht hat fehlerhaft über den Antrag der Antragstellerin zu 2) bezüglich der auf sie nach Art. 289 Abs. 2 Schweizer.ZGB übergegangenen Unterhaltsansprüche nicht entschieden.
Tritt nach Erlass des ausländischen Titels Rechtsnachfolge ein, so hat das deutsche Gericht im Exequaturverfahren darüber zu entscheiden (Zöller/Geimer, ZPO, 32. Aufl., Rn. 64 zu § 722; BGH, Beschluss vom 02.03.2011, XII ZB 156/09 -juris, Rn. 17, 18, 20, 21).
Das Verfahren bestimmt sich nach §§ 57, 39 Abs. 1 AUG.
Die Rechtsnachfolge der Antragstellerin zu 2) ergibt sich aus der schweizerischen Vorschrift in Art. 289 Abs. 2 Schweizer. ZGB. Die Unterhaltsforderung der Antragstellerin zu 1) ist aufgrund der ihr von der Antragstellerin zu 2) geleisteten Unterhaltsvorschüsse auf diese übergegangen.
Die Antragstellerin zu 2) hat die nach § 39 Abs. 1 AUG erforderlichen Nachweise für die von ihr erbrachten Unterhaltsvorschussleistungen vorgelegt.
Auf ihren Antrag war daher die Vollstreckbarkeitserklärung mit der Maßgabe auszusprechen, dass Zahlung für die Unterhaltsrückstände für den Zeitraum der erbrachten Unterhaltsvorschussleistungen (01.02.2015 bis 31.05.2019) nicht an die Antragstellerin zu 1), sondern an die Antragstellerin zu 2) zu leisten sind.
4. Die Kostenentscheidung folgt hinsichtlich der Gerichtskosten aus § 20 FamGKG. Das Amtsgericht hat fehlerhaft über den Antrag der Antragstellerin zu 2) nicht entschieden und dadurch das Beschwerdeverfahren und die dadurch verursachten Kosten erforderlich gemacht.
5. Gründe, die Rechtsbeschwerde gem. § 70 FamFG zuzulassen, sind nicht ersichtlich. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung, noch dient eine Entscheidung des Rechtsmittelgerichts der Fortbildung des Rechts oder der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 70 Abs. 2 FamFG.
 Übergabe an die Geschäftsstelle am 19.08.2019. … Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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