Aktenzeichen III R 64/10
Leitsatz
1. NV: Eine Vollzeiterwerbstätigkeit steht der Berücksichtigung als Kind im Sinne des § 32 Abs. 4 EStG nicht entgegen. Zur Prüfung der Frage, ob der Grenzbetrag überschritten ist, sind daher auch die während der Vollzeiterwerbstätigkeit erzielten Einkünfte und Bezüge des Kindes einzubeziehen.
2. NV: Ändert sich die Rechtsauffassung der Verwaltung zur Berücksichtigungsfähigkeit von Kindern, die während des Wartens auf einen Ausbildungsplatz einer Vollzeiterwerbsstätigkeit nachgehen, mit der Folge, dass die Einkünfte aus dieser Tätigkeit bei der Prüfung der Grenzbetragsüberschreitung einzubeziehen sind, dann genügt eine derartige Änderung der Rechtsauffassung allein nicht, um die rückwirkende Korrektur der Kindergeldfestsetzung gemäß § 70 Abs. 4 EStG zu rechtfertigen.
Verfahrensgang
vorgehend FG Nürnberg, 27. Juli 2009, Az: 6 K 2008/2008, Urteil
Tatbestand
1
I. Der Kläger und Revisionsbeklagte (Kläger) bezog zunächst aufgrund einer entsprechend befristeten Festsetzung für Januar und Februar 2008 Kindergeld für seinen 1989 geborenen Sohn (S), der im Februar 2008 seine Ausbildung zum Bankkaufmann beendete. Im Februar 2008 teilte der Kläger der Beklagten und Revisionsklägerin (Familienkasse) mit, dass S bis Mitte 2008 bei der Bank beschäftigt sein werde und ab dem neuen Schuljahr, d.h. ab September 2008, die Berufsoberschule zur Erlangung des Abiturs besuchen werde. Daraufhin hob die Familienkasse die Bewilligung von Kindergeld für S im Februar 2008 ab März 2008 auf. Zur Begründung führte sie aus, dass S im Februar 2008 die Berufsausbildung beendet habe und danach kein Anspruch mehr auf Kindergeld bestehe.
2
Im Hinblick auf den beabsichtigten Ausbildungsbeginn im September 2008 und die in diesem Zusammenhang erfolgte Kündigung des Arbeitsverhältnisses bei der Bank zum 31. August 2008 beantragte der Kläger im Juni 2008 die Bewilligung von Kindergeld für S ab September 2008. Mit Bescheid vom 26. September 2008 hob die Familienkasse daraufhin die Bewilligung von Kindergeld ab Januar 2008 auf, da S im gesamten Kalenderjahr 2008 als Kind zu berücksichtigen sei und seine voraussichtlichen Einkünfte und Bezüge den Jahresgrenzbetrag überstiegen. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Klägers wies sie zurück.
3
Das Finanzgericht (FG) gab der Klage des Klägers, mit der er Kindergeld für S für die Monate Januar und Februar 2008 sowie für September bis Dezember 2008 begehrte, statt. Es entschied, dass die Monate der Vollzeiterwerbstätigkeit, d.h. die Monate März bis einschließlich August 2008, als Kürzungsmonate zu behandeln und die in diesen Monaten erzielten Einkünfte und Bezüge daher nicht zu berücksichtigen seien. Die in den Berücksichtigungsmonaten Januar, Februar und September bis Dezember 2008 erzielten Einkünfte und Bezüge überschritten den anteiligen Jahresgrenzbetrag nicht.
4
Mit ihrer Revision rügt die Familienkasse eine unzutreffende Auslegung des § 32 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Buchst. c des Einkommensteuergesetzes in der im Streitzeitraum geltenden Fassung (EStG) und nimmt auf das Senatsurteil vom 17. Juni 2010 III R 34/09 (BFHE 230, 61, BStBl II 2010, 982) Bezug.
5
Sie beantragt, das Urteil des FG aufzuheben und die Klage abzuweisen.
6
Der Kläger beantragt, die Revision zurückzuweisen.