Familienrecht

Zur Zustellung einer Entscheidung in Betreuungssachen (hier: formlose Bekanntgabe)

Aktenzeichen  13 T 38/18

Datum:
21.3.2018
Rechtsgebiet:
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 29274
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Deggendorf
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
FamFG § 63 Abs. 1, § 68 Abs. 2 S. 2, § 303 Abs. 2 Nr. 1
ZPO § 15 Abs. 2 S. 1, S. 2

 

Leitsatz

1 Gemäß § 63 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde binnen einer Frist von einem Monat einzulegen; die Frist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an den Beteiligten, § 63 Abs. 3 S. 1 FamFG. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)
2 Gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 ZPO kann die Bekanntgabe dadurch bewirkt werden, dass das jeweilige Schriftstück unter der Anschrift des Adressaten zur Post gegeben wird; bei Bekanntgabe im Inland gilt das Schriftstück drei Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, § 15 Abs. 2 S. 2 FamFG. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
3 Für den Lauf der Beschwerdefrist kommt es ausschließlich auf die an die Betroffene selbst bewirkte formlose Bekanntgabe an. (Rn. 13) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Beschwerde der Betroffenen vom 15.03.2018 (Bl. 152/153 d.A.) gegen den Beschluss des Amtsgerichts Deggendorf vom 09.01.2018, Az. XVII 402/17 (Bl. 147/148 d.A.), wird als unzulässig verworfen.
2. Von der Erhebung der Kosten wird abgesehen.

Gründe

I.
Mit Beschluss vom 22.09.2016 (Bl. 83/88 d.A.), hat das Amtsgericht Viechtach für die Betroffene Betreuung mit den im vorgenannten Beschluss näher bezeichneten Aufgabenkreisen angeordnet. Nachdem die Betroffene in das Wohnheim der Lebenshilfe in Deggendorf umgezogen war, wurde das Betreuungsverfahren an das Amtsgericht Deggendorf abgegeben. Am 29.03.2017 ist erstmals ein Schreiben mit Datum vom 25.03.2017 eingegangen, welches von der Betroffenen handschriftlich unterschrieben war und auszugsweise folgenden Inhalt hatte:
„Bin gesund und möchte wieder bei meinen Eltern zuhause in wohnen.“
Am 26.06.2017 ist ein weiteres Schreiben mit Datum vom 20.06.2017 eingegangen, welches wiederum von der Betroffenen handschriftlich unterschrieben war und auszugsweise folgenden Inhalt hatte:
„(…) Zur Vorbereitung des Aufhebungsverfahrens zu meiner Rückführung (…) Rückführung an folgende Adresse: …
Mit weiterem Schreiben vom 11.12.2017, eingegangen bei dem Amtsgericht Deggendorf am 12.12.17 und wiederum handschriftlich von der Betroffenen unterschrieben, erklärte dieselbe die „Kündigung“ der Betreuung; die Betroffene sei gesund und wolle zu ihren Eltern zurück ziehen.
Der Betreuer der Betroffenen hat sich mit schriftlicher Stellungnahme vom 18.12.2017 für eine Fortführung der Betreuung ausgesprochen (Bl. 145 d.A.). Seit der Aufnahme in dem Wohnheim der Lebenshilfe habe sich die Betroffene positiv entwickelt. Die Betroffene benötige ein geordnetes Umfeld mit einer geregelten Tagesstruktur. Dies sei im familiären Umfeld jedoch nicht gegeben.
Das Amtsgericht Deggendorf hat das Schreiben der Betroffenen vom 11.12.2017 als Antrag auf Aufhebung der Betreuung ausgelegt und diesen mit Beschluss vom 09.01.2018 zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Amtsgericht Deggendorf ausgeführt, dass eine Betreuung zwar aufzuheben sei, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen in Wegfall geraten sind. Dies sei gegenständlich aber nicht der Fall. Das Amtsgericht hat sich insoweit auf die im Betreuungsverfahren bereits eingeholten Gutachten vom 11.08.2012 sowie vom 06.05.2016 und 05.08.2016 gestützt. Im Übrigen ist das Amtsgericht davon ausgegangen, dass die Betroffene selbst gar nicht in der Lage gewesen sein könne, das Schreiben vom 11.12.2017 eigenständig zu verfassen. Das Amtsgericht ist infolgedessen davon ausgegangen, dass das Schreiben von den Eltern vorgefertigt und von der Betroffenen lediglich unterschrieben worden ist.
Der vorbezeichnete Beschluss wurde formlos durch Aufgabe zur Post am 09.01.2018 bekannt gegeben. Am 12.02.2018 wurde den Eltern der Betroffenen ebenfalls formlos eine Ausfertigung des Beschlusses übersandt (hierzu Bl. 150 d.A.). Am 16.03.2018 ist bei dem Amtsgericht Deggendorf ein u.a. von der Betroffenen unterschriebenes Beschwerdeschreiben mit Datum vom 15.03.2018 eingegangen. Dieses Schreiben hat auszugsweise folgenden Inhalt:
„(…) Erheben wir in Vollmacht von Beschwerde gegen oben genannten Beschluss vom 09.01.2018 (…)“
Mit Beschluss vom 20.03.2018 hat das Amtsgericht Deggendorf der Beschwerde nicht abgeholfen und die Sache dem Landgericht Deggendorf zur weiteren Entscheidung vorgelegt.
Zur Ergänzung wird im Übrigen auf den gesamten weiteren Akteninhalt Bezug genommen.
II.
Das eingelegte Rechtsmittel der Beschwerde ist bereits unzulässig und deshalb zu verwerfen, § 68 Abs. 2 S. 2 FamFG.
1. Gemäß § 63 Abs. 1 FamFG ist die Beschwerde binnen einer Frist von einem Monat einzulegen. Diese Frist beginnt jeweils mit der schriftlichen Bekanntgabe des Beschlusses an den Beteiligten, § 63 Abs. 3 S. 1 FamFG.
Gemäß § 15 Abs. 2 S. 1 ZPO kann die Bekanntgabe auch dadurch bewirkt werden, dass das jeweilige Schriftstück unter der Anschrift des Adressaten zur Post gegeben wird. Bei Bekanntgabe im Inland gilt das Schriftstück drei Tage nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben, § 15 Abs. 2 S. 2 FamFG.
Ausgehend hiervon ist die am 16.03.2018 eingegangene Beschwerde verfristet. Unerheblich ist dabei, ob die Beschwerde von der Betroffenen selbst eingelegt worden ist, oder – wofür der Inhalt des Beschwerdeschreibens nebst eingereichter Vollmacht spricht – von deren Eltern in Ausübung einer diesen von der Betroffenen zu diesem Zweck erteilten Vollmacht.
Insoweit kommt es für den Lauf der Beschwerdefrist ausschließlich auf die am 09.01.2018 bewirkte formlose Bekanntgabe an die Betroffene selbst an. Im Hinblick auf die eigene Beschwerdebefugnis der Betroffenen selbst (§ 59 Abs. 1 FamFG) ist hinsichtlich der entsprechenden Beschwerdefrist ausschließlich auf die Bekanntgabe des angegriffenen Beschlusses an die Betroffene selbst abzustellen. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang deshalb, dass das Amtsgericht Deggendorf am 12.02.2018 die Bekanntgabe des angegriffenen Beschlusses an die Eltern der Betroffenen mit gesonderter Beschwerdebelehrung bewirkt hat. Die Beschwerdefrist gem. § 63 FamFG bemisst sich für jeden Beteiligten gesondert.
2. Es ist deshalb allenfalls denkbar, dass die formlose Bekanntgabe des angegriffenen Beschlusses eine gesonderte Beschwerdefrist für die Eltern der Betroffenen in Gang gesetzt hat. Dies kommt aber ohnehin nur insoweit in Betracht, als diese selbst beschwerdebefugt sind. Eine Beschwerdebefugnis der Eltern ist gegenständlich aber nicht gegeben; sie folgt insbesondere nicht aus § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG. Denn die Eltern der Betroffenen sind im ersten Rechtszug nicht förmlich beteiligt worden. Überdies scheitert eine Beschwerdebefugnis nach § 303 Abs. 2 Nr. 1 FamFG schon daran, dass die Eltern der Betroffenen die Beschwerde nicht in eigenem Namen eingelegt haben, sondern im Namen der Betroffenen unter Berufung auf eine entsprechende Vollmacht.
3. Aus den dargestellten Gründen erweist sich die Beschwerde als unzulässig.
III.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 81 Abs. 1 S. 2 FamFG.

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