Handels- und Gesellschaftsrecht

Anspruch auf Erstattung einer Wertminderung an einem Wohngebäude wegen eines Wasserschadens

Aktenzeichen  10 O 1403/19 Ver

Datum:
28.2.2020
Fundstelle:
BeckRS – 2020, 14768
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München II
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
VVG § 215 Abs. 1
VGB 2014 § 13 Nr. 1 a Ziff. bb

 

Leitsatz

Wählt der Versicherungsnehmer einer unter Geltung der VGB 2014 genommenen Wohngebäudeversicherung nach einem Wasserschaden eine von mehreren Reparaturmöglichkeiten, durch die der entstandene Schaden ohne Verbleib einer Wertminderung beseitigt wird, kann er neben den Reparaturkosten keine zusätzliche Wertminderung als Differenz der Kosten zwischen einer nicht gewählten kostspieligeren Schadensbeseitigung und der durchgeführten Reparatur geltend machen. (Rn. 36) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kläger haben die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 113.254,57 € festgesetzt.

Gründe

I.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Die Klage zulässig.
Das Landgericht München II ist sachlich gemäß §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG und örtlich gemäß § 215 Abs. 1 VVG zuständig, da der Streitwert über 5.000,00 € beträgt und die WEG als Versicherungsnehmerin des streitgegenständlichen Versicherungsverhältnisses, aus dem die Kläger Ansprüche gegen die Beklagte geltend machen, ihren Sitz in … hat.
2. Die Klage ist jedoch unbegründet.
Zwar hat das Gericht entgegen der Auffassung der beklagten Partei keine grundlegenden Zweifel an der Aktivlegitimation der Kläger. Aus dem von den Klägern als Anlage K8 vorgelegtem Protokoll der Eigentümergemeinschaft vom 30.11.2018 ergibt sich sowohl die Beschlussfähigkeit der Eigentümerversammlung (Ziffer 4. der protokollarischen Feststellungen der Verwalterin und Versammlungsleiterin) als auch der Beschlussantrag, wonach die hiesigen fünf Kläger von der WEG ermächtigt werden sollen, Ansprüche gegenüber der hiesigen Beklagten aus dem Wasserschaden vom 08.02.2016 im Bereich der Abrechnungseinheit O. straße 1, sowohl wegen Schäden am Gemeinschaftseigentum als auch im Sondereigentum im eigenen Namen geltend zu machen (Seite 2 des Protokolls, Ziffer 2). Aus dem Protokoll, Seite 3 oben, ergibt sich ferner, dass dieser Beschlussantrag mehrheitlich angenommen wurde.
Ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagte auf Zahlung der mit der vorliegenden Klage geltend gemachten Wertminderung besteht jedoch nicht. Der von der Klagepartei hierzu vorgebrachte Vortrag war bereits unschlüssig.
Soweit die Kläger zunächst mit der Klageschrift eine „merkantile Wertminderung“ geltend gemacht und hierzu vorgetragen haben, sie (bzw. die WEG) sei(en) als Versicherte so zu stellen, als wäre das Schadensereignis nicht eingetreten, zielte das Klagebegehren auf den Ersatz eines „negativen Interesses“ ab. Ein solches kann grundsätzlich im Rahmen eines Schadensersatzanspruches ersatzfähig sein. Vorliegend haben die Kläger gegen die Beklagte jedoch ausdrücklich Leistungen aus dem zwischen der WEG und der Beklagten bestehenden Versicherungsvertragsverhältnis verlangt und nicht etwa eine Haftung der Beklagten auf Schadensersatz behauptet.
Jedenfalls dem nachgelassenen Schriftsatz der Klagepartei vom 17.02.2020 (Bl. 53/55 d.A.) war sodann jedoch zu entnehmen, dass die Kläger mit der vorliegenden Klage von der Beklagten eine – von ihnen behauptete – durch die Reparatur nicht auszugleichende Wertminderung i.S.d. § 13 Nr. 1 lit. a) bb) VGB ersetzt verlangen. Gemäß dieser Regelung ersetzt der Versicherer bei beschädigten Gebäuden oder sonstigen beschädigten Sachen die notwendigen Reparaturkosten unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles zuzüglich einer durch die Reparatur nicht auszugleichenden Wertminderung, höchstens jedoch der Versicherungswert unmittelbar vor Eintritt des Versicherungsfalles.
Die notwendigen Reparaturkosten hat die Beklagte vorliegend unstreitig bereits vorgerichtlich ersetzt. Die von den Klägern gewählte zweite Schadensbeseitigungsmaßnahme (Trocknung und Versiegelung des Bodens) wurde unstreitig fachgerecht durchgeführt und hat die Bewohnbarkeit der betroffenen Räume wiederhergestellt.
Jedoch hat die Klagepartei keinen schlüssigen Vortrag zu Eintritt und Berechnung einer durch die Reparatur nicht auszugleichenden Wertminderung vorgebracht. Das Gericht hatte die Klagepartei im Termin vom 15.01.2020 darauf hingewiesen, dass die von der Klagepartei vorgenommene Berechnung der Klageforderung nicht korrekt sein dürfte (vgl. Sitzungsprotokoll, Seite 2 = Bl. 48 d.A.). Der Klägervertreter erklärte hierzu, dass der Vortrag der Klagepartei derart laute, dass die Kosten für eine neuwertige Herstellung der tatsächlichen Wertminderung im vorliegenden Fall entsprächen. Eine neuwertige Herstellung wäre nach dem schriftsätzlichen Vorbringen der Klagepartei nur bei Durchführung der dritten Möglichkeit zur Schadensbeseitigung gemäß der vorgerichtlich erholten gutachterlichen Stellungnahme (Anlage K3) zu erreichen gewesen. Nach dem Vortrag der Klagepartei berechne sich insoweit der bei den Klägern eingetretene Gesamtschaden aus dem Differenzbetrag hinsichtlich der Kosten für die Sanierungsarbeiten im Rahmen einer Neuerstellung in Höhe von 125.278,44 € und die Kosten für die technisch-desinfizierende Trocknung in Höhe von 12.023,87 €, somit ein Betrag in Höhe von 113.254,57 €, wobei dieser „Schadensersatzbetrag“ gedeckelt sei durch den Betrag, der durch die Wertminderung eingetreten sei. Da die Wohnungseigentumsanlage erst im Jahr 2015 errichtet worden sei, berechne sich die Wertminderung aus der Differenz der möglichen kompletten Neuherstellung der Fußböden abzüglich der Kosten für die tatsächlich durchgeführte Sanierungsmaßnahme, so dass sich die Wertminderung auf den genannten Betrag in Höhe von mindestens 113.254,57 € belaufe. Ein Abzug „neu für alt“ sei nicht vorzunehmen.
Einen solchen Anspruch auf Ersatz der „Differenzkosten“ bei einer Gegenüberstellung der Reparaturkosten, die für die Schadensbeseitigung gemäß der zweiten Möglichkeit angefallen sind, mit jenen Reparaturkosten, die für die Schadensbeseitigung gemäß der dritten Möglichkeit anfallen würden, gibt die Regelung in § 13 Nr. 1 lit. a) bb) VGB jedoch nicht her. Die Regelung unterscheidet vielmehr unmissverständlich zwischen den „notwendigen Reparaturkosten“ und einer darüber hinausgehenden „durch die Reparatur nicht auszugleichenden Wertminderung“. Nach dem eigenen Vortrag der Klagepartei wäre aber bei einer Schadensbeseitigung gemäß der dritten Möglichkeit überhaupt keine Wertminderung eingetreten. Anders ausgedrückt wäre nach Vortrag der Klagepartei in diesem Fall gar nicht eine „auszugleichenden Wertminderung“ i.S.d. § 13 Nr. 1 lit. a) bb) VGB eingetreten, sondern hätte die Klagepartei die dritte Möglichkeit der Schadensbeseitigung von vornherein gewählt, wären die dabei angefallenen Kosten vielmehr als „notwendige Reparaturkosten“ von der Beklagten zu erstatten gewesen (ausgehend von dem eigenen Vortrag der Klagepartei, der die Notwendigkeit auch dieser Reparaturkosten unterstellt). Vorliegend hat die Klagepartei jedoch unstreitig ausdrücklich die Reparatur nach der zweiten Möglichkeit gewählt, obwohl ihr die beiden anderen Möglichkeiten, namentlich also auch die dritte Möglichkeit der Schadensbeseitigung nach ihrem eigenen Vortrag auf Grundlage der vorgerichtlich erholten gutachterlichen Stellungnahme (Anlage K3) bekannt waren. Dass der Versicherungsnehmer selbst entscheidet, inwiefern er Kosten zum einen Teil als „notwendige Reparaturkosten“ und zum anderen Teil als „Wertminderung“ geltend machen möchte, sieht der Regelungsgehalt des § 13 Nr. 1 lit. a) bb) VGB jedoch nicht vor. Der Vortrag der Klagepartei, dass die Reparaturkosten entsprechend der dritten Möglichkeit zur Schadensbeseitigung vorliegend der tatsächlichen Wertminderung entsprächen, ist im Übrigen aus sich heraus nicht nachvollziehbar und daher unschlüssig, da schon begrifflich Reparaturkosten etwas anderes sind als eine Wertminderung. Die Klagepartei trägt aber gerade selbst vor, dass eine Möglichkeit der Schadensbeseitigung, die zur Wiederherstellung eines neuwertigen Zustands führen würde, existierte, nämlich die dritte Möglichkeit gemäß der vorgerichtlich erholten gutachterlichen Stellungnahme. Der Anspruch auf eine Wertminderung gemäß § 13 Nr. 1 lit. a) bb) VGB setzt jedoch nach dem Wortlaut der Regelung gerade voraus, dass auch nach Durchführung der notwendigen Reparaturarbeiten eine Wertminderung verbleibt, die durch die Reparatur gerade nicht ausgeglichen werden kann.
Da somit ein Anspruch der Kläger gegen die Beklagte auf Erstattung der begehrten Wertminderung bereits dem Grunde nach zu verneinen war, waren Feststellungen zur Höhe des geltend gemachten Anspruchs nicht zutreffen.
Mangels Anspruchs der Kläger auf die begehrte Hauptforderung war die Klage auch in Bezug auf die geltend gemachte Nebenforderung (Zinsbegehren) abzuweisen.
II.
1. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO.
2. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 709 Satz 1 und 2 ZPO.
III.
Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 3 ZPO.

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