Handels- und Gesellschaftsrecht

Aufrechnungsverbot und Eingriff in das Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung

Aktenzeichen  1 HK O 2397/14

Datum:
11.2.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 108453
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Würzburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 307 Abs. 1, § 308 Nr. 3
ZPO § 322 Abs. 2

 

Leitsatz

Tenor

1. Die Beklagte, wird verurteilt, an die Klägerin 172.974,08 Euro (Teilbetrag gebildet durch die Summe der Forderungen ID 5, ID 7, ID 9, ID11, ID 13, ID 14 des Europäischen Zahlungsbefehls in der Mahnsache …) nebst Zinsen in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz
(ID 5:) aus einem Teilbetrag von 7.773,27 Euro seit dem 22. Juli 2013,
(ID 7:) aus einem Teilbetrag von 7.773,27 Euro seit dem 22. August 2013,
(ID 9:) aus einem Teilbetrag von 7.773,27 Euro seit dem 22. September 2013;
(ID 11:) aus einem Teilbetrag von 7.773,27 Euro seit dem 22. Oktober 2013,
(ID 13, 14:) aus einem Teilbetrag von 141.881,00 Euro seit dem 22. November 2013, zu zahlen.
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrags.

Gründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
Der nach dem vereinbarten deutschen Recht zu beurteilende Kaufpreisanspruch der Klägerin samt Zinsen ist unstreitig gegeben.
Die Beklagte kann mit ihrer behaupteten Gegenforderung weder aufrechnen noch ein Zurückbehaltungsrecht geltend machen.
Hierbei kommt es nicht darauf an, ob der streitgegenständliche Vertrag als Allgemeine Geschäftsbedingungen zu werten ist und das Aufrechnungsverbot deshalb unwirksam ist, weil es seinem Wortlaut nach auch Gegenforderungen umfasst, die im Synallagma zur Hauptforderung stehen.
Der BGH (NJW 2011, 1729) hat, worauf die Beklagte zu Recht hinweist, eine nach dem Wortlaut des § 308 Nr. 3 BGB zulässige Klausel wegen Verstoß gegen § 307 Abs. 1 BGB für unwirksam gehalten.
Eine solche Benachteiligung liegt vor, wenn der Besteller durch das Verbot der Aufrechnung in einem Abrechnungsverhältnis eines Werkvertrages gezwungen würde, eine mangelhafte oder unfertige Leistung im vollen Umfang zu vergüten, obwohl ihm Gegenansprüche in Höhe der Mängelbeseitigungs- oder Fertigstellungskosten zustehen Denn hierdurch würde in das durch den Vertrag geschaffene Äquivalenzverhältnis von Leistung und Gegenleistung für den Besteller in unzumutbarer Weise eingegriffen. Es wäre ein nicht hinnehmbares Ergebnis, wenn eine aus dem Leistungsverweigerungsrecht erwachsene auf Zahlung gerichtete Gegenforderung dazu führen würde, dass der Werklohn nunmehr durchsetzbar ist (BGH, Urt. v. 24.11.2005 – VII ZR 304/04).
Die Entscheidung führt die Rechtsprechung des BGH fort, dass sich im Synallagma gegenüberstehende Forderungen nicht auseinandergerissen werden dürfen. In der Praxis ist es nun so, dass praktisch jedes Aufrechnungsverbot in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam ist (zur Entwicklung Fischer jurisPR-PrivBauR 7/2011 Anm. 2).
Die Entscheidung betrifft wohl die nunmehr generelle Möglichkeit der Aufrechnung mit synallagmatischen Gegenforderungen, die nicht durch einschränkende Klauseln verhindert werden kann. (OLG Nürnberg BauR 2014, 2104)
Umfassend formulierte Klauseln dürften nicht mehr haltbar sein.
Die Problemlage ist bislang allerdings noch nicht in der Rechtswirklichkeit angekommen (Litzenberger EWiR 2015, 15), da umfassende Klauseln in AGB noch die Regel sind.
Ob dieses Aufrechnungsverbot auch für nicht synallagmatische Gegenforderungen wie die hier von der Beklagten behaupteten gilt, kann im vorliegenden Fall dahinstehen.
Die von der Beklagten zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung untersteht einer nämlich einer die Parteien bindenden Schiedsabrede.
Diese enthält anerkanntermaßen ein vertragliches Verbot, sich im Prozess auf die Aufrechnung mit einer Gegenforderung zu berufen, über die nach dem Willen der Beteiligten das Schiedsgericht entscheiden soll.
Die Aufrechnung mit einer Gegenforderung, die mit einer rechtswirksamen Schiedsabrede versehen ist, darf im Rechtsstreit vor dem staatlichen Gericht nicht beachtet werden.
Das Verbot, eine schiedsbefangene Gegenforderung vor dem staatlichen Gericht geltend zu machen, hat seinen Grund darin, dass sonst das staatliche Gericht rechtskräftig (§ 322 Absatz 2 ZPO) über Forderungen entscheiden könnte, über die nach dem Willen der Parteien nur das Schiedsgericht entscheiden soll (BGH NJW-RR 2008, 556 m.w.N.).
Stehen sich gleichartige Forderungen aufrechenbar gegenüber, ist die Ausübung des Zurückbehaltungsrechts in Wahrheit nichts anderes als die Geltendmachung der Aufrechnung (Becker in Beck’scher Online-Kommentar BGB, Bamberger/Roth 37. Edition Stand: 01.11.2015).
Daher kann die Beklagte hier nach Ansicht der Kammer auch nicht ein Leistungsverweigerungsrecht nach § 320 BGB geltend machen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 S. 1, 2 ZPO.

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