Aktenzeichen 1 BvR 2668/07
Art 20 Abs 3 GG
§ 34a Abs 3 BVerfGG
§ 114 S 1 ZPO
Verfahrensgang
vorgehend OLG Frankfurt, 21. August 2007, Az: 7 U 263/06, Beschlussvorgehend LG Frankfurt, 23. November 2006, Az: 2-10 O 365705, Urteil
Gründe
1
Der Beschwerdeführer hat seine Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt, nachdem der Bundesgerichtshof über die auch im
Ausgangsverfahren entscheidungserhebliche Rechtsfrage in einem anderen Verfahren entschieden hat. Der Beschwerdeführer beantragt
nun, die Erstattung seiner notwendigen Auslagen anzuordnen.
I.
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Die dem Auslagenerstattungsantrag zugrunde liegende Verfassungsbeschwerde betraf ein zivilrechtliches Prozesskostenhilfeverfahren.
Das Oberlandesgericht wies in dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss den Antrag des Beschwerdeführers auf
Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz zurück. Mit der beabsichtigten Berufung wollte der Beschwerdeführer
gegen das ebenfalls mit der Verfassungsbeschwerde angefochtene Urteil des Landgerichts vorgehen, durch das die Klage des Beschwerdeführers
abgewiesen worden war.
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Der Beschwerdeführer hatte im Jahr 1985 zwei Lebensversicherungen abgeschlossen, die mit einer Berufsunfähigkeits-Zusatzversicherung
kombiniert waren. Im Jahr 1992 trat er die Ansprüche aus den Lebensversicherungen als Kreditsicherheit an zwei Banken ab.
1998 wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen des Beschwerdeführers eröffnet. Die Banken kündigten daraufhin die Lebensversicherungsverträge
und erhielten den jeweiligen Rückkaufswert ausgezahlt.
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Im Ausgangsverfahren begehrte der Beschwerdeführer, die Unwirksamkeit der Kündigungen durch die Banken festzustellen. Er vertrat
die Auffassung, die Abtretung der Ansprüche aus den Lebensversicherungen sei unwirksam, weil die Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung
gemäß § 850b Abs. 1 Nr. 1 ZPO unpfändbar seien und die daraus resultierende Nichtigkeit der Abtretung dieser Ansprüche gemäß
§ 139 BGB zur Gesamtnichtigkeit der Abtretung führe.
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Das Landgericht wies die Klage ab. Es stimmte dem Beschwerdeführer insoweit zu, als dieser die Abtretung der Ansprüche aus
der Berufsunfähigkeitsversicherung für unpfändbar und deshalb deren Abtretung gemäß § 400 BGB für unwirksam hielt. Entgegen
der Auffassung des Beschwerdeführers führe dies aber nicht zur Nichtigkeit der Abtretung der Ansprüche aus der Lebensversicherung
gemäß § 139 BGB. Zwar hätten das Oberlandesgericht Jena und das Oberlandesgericht Hamm für vergleichbare Fallgestaltungen
entschieden, dass das Kündigungsrecht aus der Lebensversicherung wegen der vertraglichen Verbundenheit der Berufsunfähigkeitsversicherung
mit der Lebensversicherung gemäß § 9 Nr. 1 BB/BUZ nicht gesondert übertragen werden könne (Hinweis auf den Beschluss des OLG
Jena vom 19. Mai 2000 – 5 W 129/00 – und das Urteil des OLG Hamm vom 16. März 2006 – 27 U 118/05 -). Das Landgericht schließe
sich aber der – abweichenden – Rechtsauffassung der Oberlandesgerichte Saarbrücken und Köln an (Hinweis auf die Urteile des
OLG Saarbrücken vom 9. November 1995 – 5 U 69/94 – 3, 5 U 69/94 – und des OLG Köln vom 25. März 1996 – 5 U 148/95 -). Im Rahmen
einer ergänzenden Vertragsauslegung sei unter Berücksichtigung des Schutzzweckes der die Nichtigkeit anordnenden Norm der
mutmaßliche Wille der Parteien maßgebend. Es entspreche dem Interesse des Beschwerdeführers als Sicherungsgeber, weitest mögliche
Sicherheiten für das erstrebte Darlehen anbieten zu können. Dies sei nur dann erreicht, wenn die Abtretung der Lebensversicherung
wirksam sei und Sicherungswirkung entfalten könne.
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Das Oberlandesgericht lehnte den Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für die Berufungsinstanz ab. Auch wenn sich die
vereinbarte Abtretung auf die Ansprüche aus der Berufsunfähigkeitsversicherung bezogen hätte, würde dies allenfalls zur Teilnichtigkeit
derselben führen. Eine grundsätzliche Klärung der Rechtsfrage im Hauptsacheverfahren, ob Abtretungen kombinierter Lebens-
und Berufsunfähigkeitsversicherungen wirksam seien, hielt das Oberlandesgericht nicht für erforderlich. Die zu dieser Frage
vertretene abweichende Meinung des Oberlandesgerichts Jena beruhe auf Unterschieden im Sachverhalt. Die im erstinstanzlichen
Urteil ebenfalls erwogene abweichende Meinung des Oberlandesgerichts Hamm ließ das Oberlandesgericht unerwähnt.
II.
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Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügte der Beschwerdeführer unter anderem die Verletzung seiner verfassungsmäßigen Rechte
aus Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG.
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Nachdem der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 18. November 2009 (IV ZR 39/08 – juris) ausgesprochen hat, die Einheitlichkeit
des Versicherungsvertrages stehe in der Regel weder der Abtretung von Ansprüchen allein aus der Lebensversicherung noch einer
Übertragung des Kündigungsrechts für die Lebensversicherung entgegen, hat der Beschwerdeführer die Verfassungsbeschwerde für
erledigt erklärt.
III.
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Die Hessische Landesregierung hat sich durch die Staatskanzlei zu dem Antrag geäußert. Sie hält ihn für unbegründet.
IV.
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1. Dem Beschwerdeführer sind seine durch das Verfassungsbeschwerdeverfahren entstandenen notwendigen Auslagen zu erstatten.
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a) Gemäß § 34a Abs. 3 BVerfGG ist über die Erstattung der Auslagen nach Billigkeitsgesichtspunkten zu entscheiden, nachdem
der Beschwerdeführer seine Verfassungsbeschwerde für erledigt erklärt hat. Dabei kommt insbesondere dem Grund, der zur Erledigung
geführt hat, wesentliche Bedeutung zu. Insoweit kann maßgeblich sein, ob die öffentliche Gewalt von sich aus den angegriffenen
Akt beseitigt und damit zu erkennen gegeben hat, dass sie das Begehren des Beschwerdeführers für berechtigt erachtet, oder
ob eine Erfolgsaussicht der Verfassungsbeschwerde beispielsweise deshalb ohne weiteres unterstellt werden kann, weil die verfassungsrechtliche
Lage – etwa durch eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts in einem gleichgelagerten Fall – bereits geklärt ist (vgl.
BVerfGE 85, 109 ). In solchen Fällen greifen auch die im Hinblick auf Funktion und Tragweite der Entscheidungen des
Bundesverfassungsgerichts geäußerten Bedenken gegen eine überschlägige Beurteilung der Erfolgsaussichten der Verfassungsbeschwerde
angesichts verfassungsrechtlicher Zweifelsfragen nicht (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Ersten Senats vom 14. September
1995 – 1 BvR 407/94 -, juris).
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Davon ausgehend sind dem Beschwerdeführer im vorliegenden Fall seine notwendigen Auslagen zu erstatten, weil die Verfassungsbeschwerde
bezogen auf den Zeitpunkt ihrer Einlegung offensichtlich Erfolg gehabt hätte. Die durch das Oberlandesgericht vertretene Ansicht,
die Beantwortung einer grundsätzlichen, in der Rechtsprechung noch ungeklärten Rechtsfrage sei zur Beurteilung der Erfolgsaussicht
der beabsichtigten Berufung nicht erforderlich, war bei der Beschlussfassung des Oberlandesgerichts unter keinem denkbaren
Aspekt rechtlich vertretbar und mit dem in Art. 3 Abs. 1 in Verbindung mit Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Grundsatz der Rechtsschutzgleichheit
unvereinbar. Bereits die Begründung des – ebenfalls angegriffenen – erstinstanzlichen Urteils verdeutlichte, dass zwei Oberlandesgerichte
abweichende Auffassungen vertraten, mit denen sich das Oberlandesgericht in dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen
Beschluss nur unzureichend auseinandergesetzt hat. In einer jener Entscheidungen war sogar ausdrücklich “wegen der aufgezeigten
Divergenz in der Rechtsprechung” gemäß § 543 Abs. 2 ZPO die Revision zugelassen worden (OLG Hamm, Urteil vom 16. März 2006
– 27 U 118/05 – juris). Zudem hat das Oberlandesgericht nicht näher dargelegt, weshalb die abweichende Meinung des Oberlandesgerichts
Jena (Beschluss vom 19. Mai 2000 – 5 W 129/00 – juris) auf Unterschieden im Sachverhalt gegenüber dem Fall des Beschwerdeführers
beruhen solle.
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b) Aufgrund des zwischenzeitlich ergangenen Urteils des Bundesgerichtshofs vom 18. November 2009 (IV ZR 39/08 – juris) ist
die Annahmevoraussetzung des § 93a Abs. 2 Buchstabe b) BVerfGG entfallen. Die Annahme der Verfassungsbeschwerde ist zur Durchsetzung
der verfassungsmäßigen Rechte des Beschwerdeführers nicht mehr angezeigt, weil nach einer Zurückverweisung der Sache gemäß
§ 95 Abs. 2 BVerfGG der Antrag des Beschwerdeführers auf Prozesskostenhilfe unter Berücksichtigung des durch den Bundesgerichtshof
mittlerweile vertretenen Rechtsstandpunkts mangels Erfolgsaussicht erneut abzulehnen wäre. Auch das Urteil des Landgerichts
wäre danach hinsichtlich der in Rede stehenden Rechtsfrage von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden gewesen.
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2. Nach Anordnung der Auslagenerstattung ist der hilfsweise für den Fall der Versagung der Auslagenerstattung gestellte Antrag
auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfassungsbeschwerdeverfahren gegenstandslos.