Handels- und Gesellschaftsrecht

Austausch des gebuchten Kreuzfahrtschiffes kein erheblicher Reisemangel

Aktenzeichen  133 C 952/16

Datum:
30.6.2016
Fundstelle:
RRa – 2017, 119
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 651a Abs. 1 S. 2, § 651e Abs. 3 S. 1, § 651i

 

Leitsatz

Der bloße Umstand, dass das Kreuzfahrtschiff relativ kurzfristig vor der Reise ausgetauscht wurde, stellt noch keinen erheblichen Reisemangel dar.  (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Der Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 1.187,50 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 20.04.2015 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
2. Die Widerklage wird abgewiesen.
3. Der Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung der Klägerin durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss
Der Streitwert wird auf bis zum 28.02.2016 auf 1.187,50 € und ab 29.02.2016 auf 1.618,50 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage ist weitestgehend begründet. Die zulässige Widerklage ist unbegründet.
I. Die Klage ist begründet. Die Klägerin hat gegen den Beklagten einen Anspruch auf Zahlung von 1.187,50 €. Der Zahlungsanspruch ergibt sich aus § 651 a Abs. 1 S. 2 BGB.
1. Das Vertragsverhältnis hat sich nicht aufgrund eines wirksamen Rücktritts in ein Rückabwicklungsverhältnis umgewandelt. Es liegt bereits keine Rücktrittserklärung i.S.v. § 651 i BGB vor. Der Beklagte hat die streitgegenständliche Reise mit Schreiben vom 18.03.2015 (Anlage B5) gekündigt. In diesem Schreiben erklärte der Beklagte deutlich „[…] Wie in meiner letzten E-Mail angekündigt werden meine Frau und ich an der am 31.3. beginnenden Reise durch das Rhonetal nicht teilnehmen. Darin liegt keine Stornierung und auch kein Rücktritt, sondern eine Kündigung im Sinne des § 651 e BGB. […]“. Aufgrund dieser eindeutigen Wortwahl war die Erklärung auch nicht mehr auslegungsfähig.
2. Die Klägerin hat den Anspruch auf den vereinbarten Reisepreis auch nicht gemäß § 651 e Abs. 3 S. 1 BGB durch eine wirksame Kündigung seitens des Beklagten verloren.
Hierfür fehlt es an einem Mangel, der die Reise erheblich beeinträchtigt. Der bloße Umstand, dass das Kreuzfahrtschiff relativ kurzfristig vor der Reise ausgetauscht wurde, stellt noch keinen solchen Mangel dar. Eine Zusicherung hinsichtlich des konkreten Schiffes vermag das Gericht nicht zu erkennen. Die Unterbringung in einer 19 m²-großen „Mini-Suite“ auf dem Oberdeck der MS Swiss Emerald stellt keine unzumutbare abweichende Unterbringung dar, die den Beklagte zur Kündigung berechtigte. Es ist nicht ersichtlich, dass die angebotene Kabine 318 tatsächlich kleiner als die gebuchte „2-Bett Garantie-Kabine“ auf dem Oberdeck der MS Swiss Corona war. Beide Kabinen sollten auf dem Oberdeck liegen. Auch der Umstand, dass die zugewiesene Kabine neben der Bar lag, begründet keinen Mangel. Auch die Kabine auf dem ursprünglich gebuchten Schiff hätte neben einer Bar liegen können. Bei Kreuzfahrtschiffen dieser Art liegen erfahrungsgemäß die wesentlichen Restaurants und Bars auf dem obersten Deck am Bug oder Heck, um allen Passagieren einen möglichst guten Panoramablick zu ermöglichen. Dem auf der Anlage B2 abgebildeten Foto der MS Swiss Corona lässt sich entnehmen, dass dieses Schiff wohl vergleichbar aufgebaut ist wie die MS Swiss Emerald, deren Deckplan und Foto sich der Anlage B4 entnehmen lässt. Soweit der Beklagte wohl bei seiner Buchung irrtümlich davon ausging, dass bei dem gebuchten Schiff, d.h. der MS Swiss Corona, das „Hauptdeck“ sich auf dem untersten Deck und damit nicht auf dem Oberdeck befindet, begründet dies keinen Kündigungsgrund. Es mag sein, dass die Bezeichnungen der im Katalog abgebildeten Kabinen zu solch einer Annahme geführt haben, doch daraus lässt sich kein Reisemangel ableiten. Dem Katalog kann insbesondere nicht entnommen werden, dass auf dem Oberdeck sich kein Publikumsverkehr abspielen sollte. Insoweit vermag das Gericht daher bereits keine Abweichung des Ist- vom Soll-Zustand und damit keinen Mangel zu erkennen. Die individuellen Vorstellungen des Beklagten vor Reisebuchung sind insoweit unbeachtlich. Eine bewusste Täuschung seitens der Klägerin vermag das Gericht nicht zu erkennen.
3. Vom Gesamtreisepreis in Höhe von 2.158,00 € war die geleistete Anzahlung von 431,00 € in Abzug zu bringen. Der sich daraus ergebende Restreisepreis von 1.727,00 € konnte nur in Höhe des Klageantrags zugesprochen werden.
4. Die zugesprochenen Nebenforderungen gründen sich auf §§ 280 Abs. 2, 286, 288 BGB. Im Übrigen war die Klage abzuweisen. Verzug ist erst nach Ablauf der in der Mahnung vom 31.03.2015 gesetzten Frist eingetreten. Die Kosten für diese Mahnung stellen damit keinen Verzugsschaden dar. Weitere Mahnungen wurden nicht nachgewiesen. Auch die geltend gemachten Kosten für Formblätter wurden nicht nachgewiesen. Ein Anspruch auf Ersatz der angefallenen Inkassokosten hat die Klägerin nicht. Im Hinblick auf das Schreiben des Beklagten vom 07.04.2015 konnte die Klägerin nicht mehr darauf vertrauen, dass sie mit Einschaltung des Inkassounternehmens die Zahlung beitreibt. Aufgrund ihrer Schadensminderungspflicht hätte die Klägerin daher auf die Einschaltung des Inkassounternehmens verzichten müssen.
II. Die Widerklage ist unbegründet. Der Beklagte hat gegenüber der Klägerin keinen Anspruch auf Rückzahlung der von ihm geleisteten Anzahlung in Höhe von 431,00 €. Wie bereits dargestellt hat die Klägerin aufgrund der unwirksamen Kündigung weiterhin einen Anspruch auf Zahlung des Reisepreises und damit auch auf die bereits geleistete Anzahlung.
III. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 2 Nr. 1 ZPO.
IV. Die vorläufige Vollstreckbarkeit richtet sich nach §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
V. Die Streitwertfestsetzung beruht auf §§ 3 ZPO, 45 Abs. 1 S. 1, 63 Abs. 2 GKG.

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