Handels- und Gesellschaftsrecht

Bauhandwerkersicherung für Architektenleistungen

Aktenzeichen  5 O 18289/15

Datum:
14.6.2016
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB BGB § 648a

 

Leitsatz

1. Bei der Berechnung der Sicherheit gem. § 648a BGB kann das Gericht, ohne die tatsächlichen Streitfragen insoweit zu klären, von einer unzulässigen Mindestsatzunterschreitung ausgehen und den Mindestsatz ansetzen. (redaktioneller Leitsatz)
2. Die anrechenbaren Kosten durfte die Klägerin nach einer eigenen Kostenberecheinung aufstellen, da ihr die Beklagten eine Kostenberechnung nicht zur Verfügung gestellt haben und die Klägerin mit der Erstellung der Kostenberechnung nicht beauftragt war. Die Beklagten haben der Kostenberechnung der Klägerin keine eigene Kostenberechnung in substantiierter Weise entgegengehalten, so dass das bloße Bestreiten der Beklagten unbeachtlich ist. (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

I. Die Beklagten werden gesamtschuldnerisch verurteilt, der Klägerin Sicherheit in Höhe von 514.198,20 EUR für vereinbarte noch nicht bezahlte Vergütung und Nebenforderung aus Architektenleistungen am Bauvorhaben … gemäß § 648 a BGB zu leisten, und zwar nach Wahl der Beklagten in Form der in §§ 232 ff BGB oder § 648 a Abs. 2 BGB genannten Sicherheitsarten.
II. Die Beklagten haben gesamtschuldnerisch die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist für die Klägerin gegen Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 514.198,20 € festgesetzt.

Gründe

A.
Die zulässige Klage ist begründet.
Die Klägerin kann von den Beklagten gesamtschuldnerisch eine Bauhandwerkersicherung gemäß § 648 a BGB jedenfalls in Höhe von 514.198,20 EUR verlangen.
I.
Unstreitig ist zwischen den Parteien der Ingenieurvertrag vom 24.09.2013 zustande gekommen (Anlage K1, K2). Dieser Vertrag ist als Werkvertrag, auf welchen die HOAI in der Fassung vom 10.07.2013 anzuwenden ist (nachfolgend zitierte Vorschriften beziehen sich stets auf diese HOAI-Fassung), zu qualifizieren. Die Beschreibung der von der Klägerin zu erbringenden Leistungen im Leistungsbild der Anlage 2.1.1 zum Ingenieurvertrag entspricht weitestgehend den Teilleistungen der Leistungsphasen 7 und 8 des § 34 III, IV HOAI in Verbindung mit der Anlage 10.1. Die beschriebenen und von der Klägerin zu erbringenden Leistungen sind auch erfolgsbezogen.
II.
§ 648 a BGB ist uneingeschränkt auf Bauverträge, an denen Architekten und Ingenieure beteiligt sind, anzuwenden. Die Höhe der Sicherheit richtet sich nach der nicht gezahlten Vergütung. Sofern eine unzulässige Mindestsatzunterschreitung vorliegt, ist der als Unternehmer tätige Architekt/Ingenieur nicht gehindert, abweichend vom vertraglich fixierten Betrag unter Darlegung der Berechnung (§ 6 HOAI) das schlüssig abgerechnete Mindesthonorar seinem Sicherungsverlangen zugrunde zu legen. Ohne die tatsächlichen Streitfragen insoweit zu klären, hat das Gericht für die Bemessung der Sicherheit von einer unzulässigen Mindestsatzunterschreitung auszugehen (IBR-Online-Kommentar Bauvertragsrecht, herausgegeben von Prof. Kniffka, BGB, § 648 a, Rn 211 bis 213).
Die Klägerin hat die Berechnung des Honorars für die Leistungen, die nach dem Ingenieurvertrag zu erbringen waren, in der 21. Abschlagsrechnung und in Verbindung mit dem Vortrag in den Schriftsätzen vom 12.10.2015 und 26.04.2016 schlüssig dargelegt. Die tatsächlichen und umstrittenen Voraussetzungen der Berechnung des Vergütungsanspruchs sind im Streit um die Höhe der Sicherheitsleistung nicht zu klären (BGH vom 06.03.2014, VII ZR 349/12).
1. Die anrechenbaren Kosten durfte die Klägerin nach einer eigenen Kostenberechnung aufstellen, da ihr die Beklagten eine maßgebende, ggf. fortgeschriebene Kostenberechnung nicht zur Verfügung gestellt haben und die Klägerin mit der Leistungsphase 3 des § 34 HOAI, in welcher die Kostenberechnung zu erstellen ist, nicht beauftragt war. Die Beklagten haben der Kostenberechnung der Klägerin keine ggf. von einem anderen Auftragnehmer vorgelegte Kostenberechnung in substantiierter Weise entgegengehalten, so dass das bloße Bestreiten der Beklagten unbeachtlich ist (Locher, Koeble, Frik, HOAI, 12. Auflage, § 6, Rn 30; Anlagen K6, 36).
2. Die Einordnung der Baumaßnahme in die Honorarzone III, ggf. sogar in die Honorarzone IV (Anlage K37) entspricht der entsprechenden Zuordnung von Studentenhäusern in der Objektliste Gebäude zu § 35 I HOAI in Anlage 10.2. Die Zuordnungskriterien sind von der Klägerin schlüssig dargelegt worden.
3. Die erbrachten Teilleistungen und deren Bewertung sind von der Klägerin ebenfalls schlüssig dargelegt worden (Anlage K7, 35).
4. Ein Umbauzuschlag von 20 % kann gemäß §§ 36 I, 6 II Satz 4 HOAI gefordert werden.
5. Wenn gleich zwischen den Parteien streitig ist, ob die Klägerin zur Kündigung berechtigt war, durfte die Klägerin ihren Vergütungsanspruch gemäß § 648 a V Satz 2 BGB berechnen. Die Höhe der Vergütung für erbrachte Leistungen ist nach dem zuletzt maßgebenden schlüssigen Vortrag der Klägerin nach anrechenbaren Kosten von 23.597.878,– EUR, der Honorarzone IV Mindestsatz, erbrachten Teilleistungen der Leistungsphasen 7 und 8 im Wert von 27,02 Vomhundert (91 % von 29,7 Vomhundert; Anlage K35) und einem Umbauzuschlag von 20 % zu berechnen. Danach errechnet sich allein für erbrachte Leistungen schon ein Honoraranspruch von 913.430,34 EUR inklusive 19 % MwSt. (767.588,52 EUR netto). Auf das Honorar für Leistungen, die mit 2,68 Vomhundert nach der Kündigung noch zu erbringen gewesen wären, entfiele eine Nettovergütungsforderung von 76.133,88 EUR. Diese kann jedoch unberücksichtigt bleiben, da die von der Klägerin der Höhe nach geforderte Sicherheit bereits für die bereits erbrachten und nicht gezahlten Leistungen zu erbringen ist (siehe unten).
6. Von dem Honoraranspruch für erbrachte Leistungen nach dem Ingenieurvertrag sind Zahlungen der Beklagten in Höhe von nur 235.620,– EUR abzuziehen. Danach verbleibt immer noch ein zu sichernder Honoraranspruch von 677.810,34 EUR. Die Beklagten haben auch unter Berücksichtigung des Schreibens der Klägerin vom 29.07.2015 (Anlage K5) nicht hinreichend substantiiert dargelegt, dass auf die Leistungen nach dem Ingenieurvertrag darüber hinausgehende Zahlungen geleistet worden wären.
7. Im Streit um die Höhe der zu leistenden Sicherheit sind auch die Einwendungen der Beklagten zu einer angeblich nachträglichen Honorarvereinbarung im Februar 2015 und im Zusammenhang mit einem Zurückbehaltungsrecht wegen Feuchtigkeitsschäden nicht zu berücksichtigen.
III.
Die Beklagte zu 2) haftet als persönlich haftende Gesellschafterin der Beklagten zu 1) wie ein Gesamtschuldner.
B.
Die Entscheidungen zu den Kosten und zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruhen auf den §§ 91, 709 ZPO.
C.
Der Streitwert wird auf 514.198,20 EUR festgesetzt.

Jetzt teilen:

Ähnliche Artikel

Bankrecht

Schadensersatz, Schadensersatzanspruch, Sittenwidrigkeit, KapMuG, Anlageentscheidung, Aktien, Versicherung, Kenntnis, Schadensberechnung, Feststellungsziele, Verfahren, Aussetzung, Schutzgesetz, Berufungsverfahren, von Amts wegen
Mehr lesen

IT- und Medienrecht

Abtretung, Mietobjekt, Vertragsschluss, Kaufpreis, Beendigung, Vermieter, Zeitpunkt, Frist, Glaubhaftmachung, betrug, Auskunftsanspruch, Vertragsurkunde, Auskunft, Anlage, Sinn und Zweck, Vorwegnahme der Hauptsache, kein Anspruch
Mehr lesen

Europarecht

Schadensersatz, Ermessensentscheidung, Aussetzungsantrag, Kommission, Aussetzung, Fahrzeug, Vorabentscheidungsverfahren, Zeitpunkt, Beschwerde, Verfahren, Schriftsatz, Rechtssache, EuGH, Anspruch, Aussetzung des Rechtsstreits, erneute Entscheidung
Mehr lesen