Aktenzeichen 25 U 4056/15
ZPO § 529 Abs. 1
Leitsatz
1 Werden Ansprüche aus einer Unfallversicherung wegen des Todes der versicherten Person geltend gemacht, so trägt die Seite des Versicherungsnehmers die Beweislast dafür, dass der Tod unfallbedingt eintrat. (redaktioneller Leitsatz)
2 Dies gilt grundsätzlich auch dann, wenn der Versicherer von seinem ihm in den AUB eingeräumten Recht, die Durchführung einer Obduktion des Verstorbenen zu verlangen, keinen Gebrauch gemacht hat. (redaktioneller Leitsatz)
3 Anderes gilt nur dann, wenn nach den konkreten Umständen des Einzelfalls (ausnahmsweise) eine Beweisvereitelung oder ein Verstoß gegen Treu und Glauben anzunehmen ist. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
10 O 3362/13 2015-10-07 Endurteil LGMUENCHENII LG München II
Gründe
Oberlandesgericht München
25 U 4056/15
10 O 3362/13 Ver (2) LG München II
In dem Rechtsstreit
…
– Klägerin und Berufungsklägerin –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte …
gegen
… Versicherung AG,
vertreten durch den Vorstand …
– Beklagte und Berufungsbeklagte –
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte Dr. K., B-weg …, H., Gz.: …
wegen Forderung
erlässt das Oberlandesgericht München – 25. Zivilsenat – durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht Bischoff, den Richter am Oberlandesgericht Gäbhard und die Richterin am Oberlandesgericht Kornprobst
am 01.02.2016
folgenden
Beschluss
1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München II vom 07.10.2015, Az. 10 O 3362/13 Ver (2), gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt und weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert. Auch die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung ist nicht geboten.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme binnen zwei Wochen nach Zustellung dieses Beschlusses.
Gründe:
Die Klageabweisung durch das Landgericht beruht weder auf einer Rechtsverletzung (§ 546 ZPO) noch rechtfertigen die gemäß § 529 ZPO zugrunde zu legenden Tatsachen eine andere Entscheidung (§ 513 ZPO).
Die Klägerin rügt ohne Erfolg die gemäß § 529 Abs. 1 ZPO vom Senat nur eingeschränkt überprüfbare Beweiswürdigung des Landgerichts. Konkrete Anhaltspunkte zu Zweifein im Sinne dieser Vorschrift zeigt sie weder in der Berufungsbegründung auf noch sind solche ersichtlich.
Das Landgericht hat zu Recht die Beweislast dafür, dass der Tod des Ehemannes der Klägerin unfallbedingt war, bei der Klägerin gesehen. Entgegen der Auffassung der Berufung führt der Umstand, dass die Beklagte von ihrem in Ziffer 7.5 HM-AUB 2000 ausbedungenem Recht, die Durchführung einer Obduktion zu verlangen, keinen Gebrauch gemacht hat, nicht zu einer Umkehr der Beweislast. Eine solche hätte ausweislich des rechtsmedizinischen 5?gänzungsgutachtens vom 08.06.2015 (Bl. 113/115 d. A.) zeitnah nach dem Todeseintritt (05.08.2012) durchgeführt, die Kausalitätsfrage, insbesondere das Vorhandensein und evtl. Ausmaß eines Schädel-Hirn-Traumas, zweifelsfrei klären können, bei Durchführung kurz nach dem 30.11.2012 noch „wahrscheinlich“.
Die Auffassung der Klägerin, dass aus dem klauselmäßig bedungenem Recht der Beklagten auch eine entsprechende Verpflichtung erwächst und die Nichtdurchführung zu einer Beweislastumkehr (nach den Grundsätzen der Beweis Vereitelung bzw. nach Treu und Glauben) führt, wird, soweit ersichtlich, lediglich vereinzelt In der Literatur, nämlich von Jacob, Unfallversicherung AUB 2010, 1. Aufl., Rn. 36 zu Ziff. 7 AUB 2010, vertreten. Knappmann in Pröiss/Martin, WG, 29. Aufl., Rn. 19 zu Ziff. 7 AUB 2010, lehnt diese Auffassung ausdrücklich ab; das von Jacob zu Unrecht als Beleg für seine Auffassung zitierte LG Bautzen VersR 1996, 366 sowie diesem folgende Literatur wie Leverenz in Bruck/Möller, VVG, 9. Aufl., Rn. 179 zu § 178 WG, nehmen ein venire contra factum proprium bzw. eine Beweisvereitelung lediglich dann an, wenn der Versicherer einerseits vorprozessual auf eine vom Anspruchsteller zum Nachweis angebotene Autopsie verzichtet, andererseits aber im Prozess das Vorliegen eines Unfalltodes bestreitet – um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht.
Der Senat teilt grundsätzlich die Auffassung von Knappmann, dass aus dem Recht zur Obduktion keine Pflicht zu einer solchen folgt und eine etwaige Beweisfälligkeit bei Nichtdurchführung einer Obduktion je nach betroffenem Bereich zulasten der dort nach den allgemeinen Beweisregeln beweisbelasteten Partei geht. Dafür spricht schön der Umstand, dass die Klausel nach Wortlaut und Sinn eine Obliegenheit des Versicherungsnehmers statuiert, der Versicherer sich vertraglich ein Recht zur Wahrung seiner eigenen etwaigen Beweisinteressen einräumen lässt (mitwirkende Ursachen, Ausschlussgründe, Freiwilligkeit) und sich ersichtlich nicht selbst zu etwas verpflichten will. Zudem hat der Bundesgerichtshof bis heute offen gelassen, ob diese Klausel überhaupt wirksam ist, sowie dem Versicherer kein uneingeschränktes Recht darauf zugesprochen, sondern nur für Fälle, wenn die Maßnahme überhaupt zu einem entscheidungserheblichen Beweisergebnis führen kann und mit ihr das letzte noch fehlende Glied eines vom Versicherer zu führenden Beweises geliefert werden soll (BGH VersR 1992, 861 und VersR 1992, 730; vgl. auch Grimm, Unfallversicherung, 5. Aufl., Rn. 20, 21). Der Versicherer darf also eine Zustimmung des zur Toten sorge berufenen Anspruchstellers zur Obduktion bzw. eine etwaige Mitwirkung des nicht dazu berufenen von vornherein nur in eng begrenzten Fällen einfordern, wohl vor dem Hintergrund, dass das Verlangen nach einer Obduktion von den toten sorgeberechtigten Angehörigen aus persönlichen und anzuerkennenden Motiven nicht seit in auch abgelehnt werden wird. Bei dieser Sachlage erscheint dem Senat schon der Grundansatz fernliegend, hieraus eine Verpflichtung der Beklagten zu konstruieren, den Anspruchsteller dann, wenn ohne eine Obduktion (auch) eine Beweisfälligkeit seinerseits als möglich im Raum steht (Fragen der Unfallbedingtheit) darauf hinweisen oder gar darauf hinwirken zu müssen.
Es wird daher richtig erweise für die Beurteilung darauf abzustellen sein, ob nach den konkreten Umständen des Einzelfalls eine Beweisvereitelung oder ein Verstoß gegen Treu und Glauben anzunehmen ist. Das ist vorliegend nicht der Fall; nach dem konkreten Ablauf – vgl. insbesondere Anlagen K 5 bis K 11 – bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass die Beklagte der Klägerin deren Beweisführung erschwert oder sich widersprüchlich oder irreführend verhalten hätte.
Der Versicherungsfall vom 05.08.2012 wurde der Beklagten erst am 12.08.2012 gemeldet, die Schadensanzeige (Anlage K 6) datiert vom 20.08.2012, ein erster eingehender Arztbericht (Anlage K 9) wurde unter Datum 30.08.2012 der Beklagten übermittelt. Dieser bestätigte nach seinem Inhalt im Kern einen Unfalltod durch Schädelhirntrauma, verneinte mitwirkende Ursachen, Ausschlussgründe u. Ä. und teilte mit, dass keine Sektion durchgeführt wurde. Dass die Beklagte daraufhin zur weiteren Aufklärung zunächst selbst bei der Klinik weitere medizinische Befundberichte anforderte (Anlage K 10) und diese durch einen beratenden Facharzt auswerten ließ (Anlage K 11) ist in keiner Weise zu beanstanden – vgl. nur oben zitierte Rechtsprechung des BGH.
Ernsthafte Hinweise auf ein nicht unfallbedingtes Versterben enthielt erst die fachärztliche Stellungnahme vom 30.11.2012 (Anlage B 2); zu diesem Zeitpunkt war eine „zeitnahe“ Obduktion ohnehin nicht mehr möglich, die in der Stellungnahme angesprochenen weiteren Aufklärungsmöglichkeiten hat die Beklagte eingeleitet (Anlagen B 3 bis B 6) und mit Schreiben vom 18.02.2013 (Anlage B 7) der – bereits durch den hiesigen Prozessbevollmächtigten vertretenen – Klägerin die fachärztliche Stellungnahme übersandt. Wenn diese ihre Anspruchsstellung zu dieser Zeit als gefährdet ansah, hätte sie als Totensorgeberechtigte durchaus selbst auf die Durchführung einer Obduktion hinwirken bzw. eine solche anbieten können. Diese hätte aus damaliger Sicht zumindest die Möglichkeit einer eindeutigen Klärung beinhaltet, allerdings mit offenem Ergebnis und damit einem entsprechenden Risiko. Dass die Klägerin dies nicht getan hat und damit ein gewisses Prozessrisiko eingegangen ist, kann sie nun nicht im Nachhinein der Beklagten anlasten, die lediglich von einem in ihrem eigenen Interesse in den AUB vereinbarten Recht keinen Gebrauch gemacht hat, die Klägerin aber weder an einer Obduktion gehindert noch den Eindruck erweckt hat, eine (damals evtl. noch mögliche) eindeutige Klärung auf diesem Wege würde ohnehin durch sie veranlasst werden.
Der von der Berufungsbegründung herangezogene § 186 WG spielten diesem Zusammenhang keine Rolle, für die weitreichenden allgemeinen Folgerungen, die die Klägerin daraus ziehen will, besteht kein Anlass. Die Entscheidung des Bundesgerichtshofs in VersR 2007, 777, betrifft eine völlig andere Fallgestaltung, aus der keine Parallelen zur hiesigen gezogen werden können.
Soweit sich die Berufungsbegründung darauf stützt, dass für den Nachweis der Mitverursachung der Versicherer beweisbelastet sei, ist dies unerheblich. Das Landgericht hat ausweislich der eindeutigen Formulierung der Entscheidungsgründe die Klage abgewiesen, weil „der Nachweis eines unfallbedingten Todes“ nicht gelungen sei bzw. „ein Unfall im Sinne der Versicherungsbedingungen sowie ein darauf kausal beruhender Tod des Herrn Kaufmann“ nicht nachgewiesen sei. insbesondere sei der Tod nach dem rechtsmedizinischen Gutachten „auch aus innerer krankhafter Ursache jederzeit erklärbar“. Da also auch innere Ursachen allein zum Tod geführt haben können, geht es nicht um die Frage der Mitverursachung, sondern um die der Unfallbedingtheit (vgl. dazu auch z. B. Leverenz, a. a. O., Rn. 182, 183 zu § 178 WG; Van Bühren, Handbuch Versicherungsrecht, 6. Aufl., § 16, Rn. 220).