Handels- und Gesellschaftsrecht

Bindungswirkung der landgerichtlichen Feststellungen im Berufungsverfahren

Aktenzeichen  12 U 2461/16

Datum:
18.10.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 158748
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
Nürnberg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 522 Abs. 2, § 529 Abs. 1 Nr. 1
BGB § 133

 

Leitsatz

1. Eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung kommt der Auslegung eines Individualschreibens nicht zu. (Rn. 9) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die landgerichtlichen Feststellungen sind für das Berufungsgericht bindend, wenn sich das Erstgericht mit dem Beweisergebnis umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat – die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk-, Naturgesetze oder Erfahrungssätze verstößt – und auch das Berufungsgericht von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung überzeugt ist. (Rn. 10) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11.11.2016, Aktenzeichen 8 O 9696/12 (2), wird zurückgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 88.802 EUR festgesetzt.

Gründe

I.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand in dem angefochtenen Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11.11.2016 Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin und Berufungsklägerin:
Das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11.11.2016, Az. 8 O 9696/12 (2) wird abgeändert.
I. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens jedoch einen Betrag von 80.000 EUR abzüglich bereits bezahlter 2.500 EUR, mithin mindestens 77.500 EUR, für den Zeitraum bis zur letzten mündlichen Verhandlung sowie Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Klagezustellung zu bezahlen.
II. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klägerin weitere 1.200 EUR sowie weitere 102 EUR, nebst 5 Prozentpunkten Zinsen über dem Basiszinssatz aus diesen jeweiligen Beträgen seit Rechtshängigkeit der Klage zu bezahlen.
III. Es wird festgestellt, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, der Klägerin jedweden weiteren materiellen und immateriellen – letzteren, soweit nach der letzten mündlichen Verhandlung entstehend – Schaden zu ersetzen, der der Klägerin aus dem Verkehrsunfall vom 01.11.2009 auf der BAB A3, Höhe Erlangen, entstanden ist oder noch entsteht, soweit nicht Schadensersatzansprüche der Klägerin auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen sind oder übergehen.
Die Beklagten und Berufungsbeklagten beantragen,
die Berufung kostenpflichtig zurückzuweisen.
Die Berufung gegen das Endurteil des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 11.11.2016, Az. 8 O 9696/12 (2), ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel der Klägerin offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Zur Begründung wird zunächst auf den vorausgegangenen Hinweis des Senats vom 02.08.2017 (Bl. 405 ff. d. A.) Bezug genommen.
Die Ausführungen in der Gegenerklärung der Klägerin vom 16.10.2017 (Bl. 431 ff. d. A.) geben zu einer Änderung keinen Anlass.
Der Senat hält auch nach einer Überprüfung an seiner Auffassung fest, dass die Abweisung des Feststellungsantrages durch das Landgericht rechtsfehlerfrei erfolgt ist, denn – mangels anderer Anhaltspunkte – ist davon auszugehen, dass die Erklärung der Beklagten zu 2 in dem Schreiben vom 24.07.2012 (vgl. Anl B 1) mit ihrer Abgabe Wirkung entfalten sollte. Denn die Auslegung nach dem (objektiven) Empfängerhorizont führt zu dem Ergebnis, dass die Abgabe der Erklärung am 24.07.2012 erfolgte und zu diesem Zeitpunkt auch ihre Wirkung entfalten sollte. Eine rechtsgrundsätzliche Bedeutung kommt der Auslegung eines Individualschreibens nicht zu.
Soweit die Klägerin auch weiterhin die Auffassung vertritt, das Landgericht habe bei der Beweiserhebung nicht von einer zwischen den Verfahrensbeteiligten insoweit getroffenen Vereinbarung abweichen dürfen, nimmt der Senat auf seine Ausführungen in dem Hinweis vom 02.08.2017, dort S. 11, Bl. 415 d. A., zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug. Der Hinweis der Klägerin auf die Entscheidung des Oberlandesgerichts München, NJW 2011, 3729, führt insoweit nicht weiter, denn das Landgericht hat den Sachverständigen Dr.-Ing. G. für nicht hinreichend sachkundig erachtet und daher – entsprechend § 360 Satz 2 Halbsatz 2 ZPO – einen weiteren Sachverständigen bestellt.
Entgegen der Ansicht der Klägerin sind die landgerichtlichen Feststellungen für das Berufungsgericht bindend, wenn sich das Erstgericht mit dem Beweisergebnis umfassend und widerspruchsfrei auseinandergesetzt hat – die Würdigung also vollständig und rechtlich möglich ist und nicht gegen Denk-, Naturgesetze oder Erfahrungssätze verstößt – und auch das Berufungsgericht von der Richtigkeit der erstinstanzlichen Beweiswürdigung überzeugt ist (Hinweis vom 02.08.2017, dort S. 12, Bl. 416 d. A.). Dem steht die durch die Klägerin in Bezug genommene Entscheidung des Bundesgerichtshofs vom 14.02.2017 nicht entgegen.
Der Bundesgerichtshof hat mit dem Urteil vom 14.02.2017 (- VI ZR 434/15, NJW-RR 2017, 725, 727) ausgeführt, auch verfahrensfehlerfrei getroffene Feststellungen seien für das Berufungsgericht nach § 529 Abs. 1 Nr. 1 ZPO nicht bindend, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen würden, dass die Feststellungen unvollständig oder unrichtig seien. Dabei könnten sich Zweifel an der Richtigkeit und Vollständigkeit der entscheidungserheblichen Feststellungen auch aus der Möglichkeit unterschiedlicher Wertung ergeben, insbesondere daraus, dass das Berufungsgericht das Ergebnis einer erstinstanzlichen Beweisaufnahme anders würdigen würde als das Gericht der Vorinstanz (vgl. BGH, Urteil vom 14.02.2017 – VI ZR 434/15, NJW-RR 2017, 725, 727).
Der Senat hat demgegenüber deutlich gemacht, dass er von der Richtigkeit der landgerichtlichen Beweiswürdigung überzeugt ist. Auch hat der Senat eine abweichende Würdigung der Beweisaufnahme vorliegend gerade nicht vorgenommen, sondern ist vielmehr dem Beweisergebnis des Landgerichts beigetreten (vgl. Hinweis vom 02.08.2017, dort S. 12 ff., Bl. 416 ff. d. A.).
II.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
III.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß § 708 Nr. 10 ZPO.
IV.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG bestimmt.

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