Aktenzeichen 30 O 21105/13
Leitsatz
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 51.129,18 € festgesetzt.
Gründe
A.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Landgericht München I sachlich und örtlich zuständig, §§ 23 Nr. 1, 71 Abs. 1 GVG, §§ 1, 12, 13 ZPO.
B.
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Dem Kläger steht kein Anspruch auf Rückzahlung eines Betrages in Höhe von 100.000,00 DM bzw. 51.129,18 € zu, § 488 Abs. 1 S. 2 BGB.
1. Der Kläger ist allerdings grundsätzlich aktivlegitimiert. Er hat insofern vorgetragen, dass die Tante der Beklagten ihm die Rückzahlungsansprüche gegen die Beklagte abgetreten haben § 398 BGB.
a) Diese Abtretung konnte er zur Überzeugung des Gerichts nachweisen. Der Zeuge … gab an, dass die Tante der Beklagten am 08.08.2010 gesagt habe, sie kümmere sich nicht mehr um das Geld, der Kläger solle es für sie einfordern. Die Zeugin … gab an, die Tante der Beklagten habe es dem Kläger übertragen, dass er es (gemeint war die Darlehensforderung) für die Tante erledigen könne. Beide Zeugen konnten sich an den Tag erinnern, an dem die Abtretung durchgeführt worden war und gaben sowohl die Motive der Tante der Beklagten als auch die Örtlichkeit übereinstimmend an. Beide gaben ebenfalls übereinstimmend an, dass sich die Beklagte nicht um ihre Tante und auch nicht um die Gräber gekümmert habe. Die Zeugen waren glaubwürdig und ihre Aussage glaubhaft. Es gab überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass sie von dem vorliegenden Verfahren in irgendeiner Form wirtschaftlich oder in sonst einer Weise profitieren würden. Vielmehr schilderten sie nachvollziehbar, dass sie alle eine große Familie seien und mit dem Kläger und der Tante der Beklagten zusammenleben würden. Ihre Aussagen stimmten überein und waren detailreich. Beide Zeugen gaben Erinnerungslücken unumwunden zu. Soweit die Zeugen angaben, es habe sich um den 08.08.2010 gehandelt, an welchem die Abtretung erfolgt sei und in der Folge angaben, dass sie nicht mehr wüssten, was sie am 06.08.2010 oder 09.08.2010 gemacht hätten oder zugaben, dass es auch ein anderer Monat gewesen könnte, es aber jedenfalls warm war, ändert dies nichts an ihrer Glaubwürdigkeit. Der Zeuge … sagte insofern aus, dass oft über die Angelegenheit gesprochen worden sei und er daher wisse, dass es sich um den 08.08.2010 gehandelt habe. Dies bestätigte die auch die Zeugin … die nach einigem Nachfragen zwar angab, dass sie das genaue Datum der Abtretung aus der Erinnerung nicht mehr wisse, ebenfalls angab, es habe einen „großen Krach“ gegeben und in der Folge hätten immer alle davon gesprochen.
Lediglich der Vollständigkeit halber ist auszuführen, dass die Zeugin … nicht vernommen werden konnte und musste, weil weder ein aussagekräftiges Attest vorgelegt wurde, welches bestätigen könnte, dass diese nicht zum Termin anreisen könnte, noch der Auslagenvorschuss für die Zeugin einbezahlt worden ist.
b) Die Beklagtenseite konnte insofern auch nicht mit dem Einwand durchdringen, die Tante der Beklagten sei zum damaligen Zeitpunkt geschäftsunfähig und die Abtretung damit nichtig gewesen.
aa) Die Zeugen … und … haben beide übereinstimmend ausgesagt, dass sich die Tante der Beklagten bei der Abtretung in einem „normalen“ Zustand befunden habe.
bb) Beide Zeugen erkannten auf der Anlage K 1 ohne weiteres die Schrift der Tante der Beklagten und es ist auch für einen Laien offensichtlich, dass die Abweichung in der Unterschrift der Tante der Beklagten zwischen dem ursprünglichen Schriftstück und dem Abtretungsvermerk nicht so erheblich ist, dass bereits daraus auf erhebliche kognitive Defizite geschlossen werden musste.
cc) Auch ergibt sich aus der Anlage K 9, dass der Betreuungsrichter des Amtsgerichts Strausberg am 24.01.2013, also zweieinhalb Jahre nach der streitgegenständlichen Abtretung, der Auffassung war, dass die Tante der Beklagte zwar Defizite in der Erinnerungsfähigkeit aufweise, aber auf Nachfragen noch sachgerecht antworten könne, was darauf schließen lässt, dass sie auch im Jahr 2010 die erforderlichen geistigen Kräfte besaß. Dies wird bestätigt durch den Beschluss des Amtsgerichts Strausberg vom 24.01.2013, in welchem ausgeführt wird, dass der dort beauftragte Sachverständige nicht zweifelsfrei feststellen konnte, dass die Tante der Beklagten bei Erteilung der Vollmacht am 13.07.2012 in einem die freie Willensbildung ausschließenden Zustand krankhafter Störung der Geistestätigkeit gehandelt habe und sich das Gericht in der persönlichen Anhörung der Tante der Beklagten davon habe überzeugen können, dass diese noch in der Lage sei, ihren Willen zu bilden und zu äußern. Die nunmehr im Rahmen des Verfahrens vorgelegten Atteste führen zu keiner anderen Bewertung, weil sie nach der Stellungnahme des Amtsrichters des Amtsgericht Strausberg erstellt worden sind und sich auch auf diesen späteren Zeitpunkt beziehen.
dd) Andere konkrete Anhaltspunkte dafür, dass die Tante der Beklagten bereits während der Abtretung geschäftsunfähig gewesen sein soll, liegen nicht vor.
2. Zwischen der Tante der Beklagten und der Beklagten sind allerdings im Rahmen der Geldübergaben keine Darlehnsverträge im Sinne des § 488 Abs. 1 BGB, sondern Schenkungsverträge im Sinne des § 516 Abs. 1 BGB zustande gekommen.
a) Grundsätzlich ist die Klägerseite für das Bestehen zweier Darlehensverträge darlegungs- und beweisbelastet. Die Klägerseite wollte diesen Nachweis durch die Vorlage der Anlage K 1 führen. Dabei ist der Klägerseite zuzugeben, dass der Wortlaut der Anlage für eine Hingabe des Geldes als Darlehen spricht, weil jeweils das Wort „geliehen“ verwendet wird.
b) Die Beklagtenseite konnte allerdings durch den Zeugen … nachweisen, dass entgegen des Wortlautes der Anlage K 1 die wahre Absicht der Parteien, also der Tante der Beklagten und der Beklagten selbst, nicht die darlehensweise Hingabe des Geldes war, sondern die schenkweise Übergabe. Dies ergibt sich aus folgendem:
Der Zeuge gab auf Vorhalt der Anlage K 1 an, er habe das Schriftstück aufgesetzt. Der Grund warum er das aufgesetzt habe, sei folgender gewesen: Einerseits sei allen wichtig, dass der Vorgang transparent sei, auch bezüglich der Schwester der Beklagten. Es habe quasi dokumentiert werden sollen, dass hier 100.000,00 DM die Seite gewechselt haben. Eine Rückzahlung sei definitiv nicht vereinbart gewesen. Man habe ja hier auch keine Verzinsung und auch keinen Rückzahlungstermin vereinbart.
Der Zeuge gab weiter an, die Tante der Beklagten habe die Nichten gleich behandeln wollen. Es sei für den Zeugen wichtig gewesen, dass nichts unter der Decke passiere und gegenüber der Schwester alles transparent dokumentiert werde. Die Zahlung habe dann im späteren Erbfall auch angerechnet werden können.
Aus diesen Angaben ergibt sich für das Gericht, dass für den Zeugen … an den fraglichen Terminen aus den Äußerungen der Tante der Beklagten an diesen Terminen und auch aufgrund früherer Äußerungen klar gewesen ist, dass die Hingabe des Geldes ohne Rückzahlungsverpflichtung erfolgt. Für diese Annahme spricht neben dem Fehlen der konkreten Rückzahlungsvereinbarungen auch der Umstand, dass die Initiative für die schriftliche Dokumentation von dem Zeugen … ausging.
Diese Annahme einer Schenkung wird auch gestützt durch das Vorgehen des Zeugen … und der Beklagten anlässlich ihrer Scheidung. Der Zeuge gab nämlich dazu an, er und die Beklagte hätten sich damals notariell vor der Scheidung geeinigt. Es sei damals im Rahmen der Vereinbarung Geld von der Beklagten an den Zeugen … geflossen. Die 100.000,00 DM seien ein Mitbringsel der Beklagten für das Haus gewesen, der Zeuge habe damals Geld von seinen Eltern mitgebracht. Im Rahmen der notariellen Vereinbarung sei das Geld damals so berücksichtigt worden, als sei es eine Schenkung an die Beklagte gewesen. Der Zeuge … und die Beklagte seien davon ausgegangen, dass es endgültig in ihrem Vermögen verbleiben sollte.
Der Zeuge war glaubwürdig und seine Aussage glaubhaft. Der Zeuge bezichtigte sich selbst im Rahmen der Vernehmung einer möglichen Straftat, indem er angab, man habe u.a. den Terminus „geliehen“ verwendet, um den Anfall der Schenkungssteuer zu vermeiden. Außerdem war der Zeuge erkennbar um große Genauigkeit bemüht und machte detaillierte Angaben, ohne jedoch zu versäumen, auf Erinnerungslücken hinzuweisen. Auch war nicht erkennbar, welches finanzielle Interesse der Zeuge … an dem streitgegenständlichen Vorgang noch haben könnte.
c) Die Zeugin … selbst konnte nicht vernommen werden. Unter Berücksichtigung des Attests der Zeugin … vom 15.01.2015, der Mitteilung der Klägerseite vom 07.04.2015, dem Attest vom 05.06.2015 (Anlage K 7), der Aufenthaltsbescheinigung vom 04.05.2015, dem Bericht vom 12.05.2015 und vom 22.05.20156 (alles Anlage K 8) ist das Beweismittel unerreichbar (Thomas/Putzo, ZPO, 34. Auflage 2013, § 284 Rz. 7), weil die Zeugin … auf unbestimmte Zeit als verhandlungsunfähig angesehen werden muss.
d) Es kann aufgrund der Einordnung der Verträge als Schenkungsverträge hier dahinstehen, ob die Kündigung der vermeintlichen Darlehnsverträge wirksam war oder ob gegen eine Wirksamkeit Bedenken bestehen aufgrund eines möglicherweise sich verschlechternden geistigen Zustandes der Tante der Beklagten. Auch kann dahinstehen, ob ihr die Schreiben Anlagen K 2 und K 3 von dritter Seite diktiert worden sind.
II. Dem Kläger steht auch kein Anspruch aus § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB zu.
1. Die Vorschriften der §§ 812 ff. BGB sind vorliegend nicht durch die vorranginge Anwendung andere Vorschriften gesperrt, Insbesondere liegt hier keine Schenkung unter Auflage im Sinne des § 525 BGB vor. Es ist vorliegend nicht ersichtlich, dass eine rechtliche Verpflichtung auf Vollziehung der Pflege vereinbart werden sollte.
Auch sind vorliegend nicht die Vorschriften über den Wegfall der Geschäftsgrundlage, § 313 BGB vorrangig. Nach Ansicht der Rechtsprechung erfordert § 812 Abs. 1 S. 2 Alt. 2 BGB eine „tatsächliche Einigung“ der Beteiligten über den bezweckten Erfolg, die aber nicht den Charakter einer vertraglichen Bindung haben darf; haben die Beteiligten dagegen eine Vereinbarung geschlossen, auf Grund derer die Leistungen erbracht werden sollen, ist das Rechtsverhältnis nach den Grundsätzen des Vertragsrechts (also § 313) abzuwickeln (Unberath in Beck’scher Online-Kommentar BGB, Bamberger/Roth, 37. Edition, Stand: 01.03.2011, § 313, Rz. 24 m.w.Nw.). Im vorliegenden Fall hat die Einigung zwischen den Parteien nicht den Charakter einer vertraglichen Vereinbarung, sondern war lediglich eine tatsächliche Einigung über den Zweck der Zuwendung (vgl. zur Begründung nachfolgend Ziffer 3).
2. Die Beklagte hat durch die Übergabe der insgesamt 100.000,00 DM etwas erlangt im Sinne des § 812 Abs. 1 S. 1 BGB.
3. Die Leistung wurde auch mit einem bestimmten Zweck erbracht, wobei dieser Zweck den Rechtsgrund darstellt und durch dessen Wegfall der Rechtsgrund auflösend bedingt ist (Sprau in Palandt, a.a.O., § 812, Rz. 29).
Der Zweck der Leistung bestand vorliegend in der Erwartung, dass die Beklagte ihre Tante pflegt, wenn diese dies benötigen würde. Diesen Vortrag der Beklagten hat der Zeuge … bestätigt. Er hat dazu ausgesagt, dass hier deswegen geliehen geschrieben worden sei, weil wenn man Geschenk geschrieben hätte, es so abgeschlossen geklungen hätte. Das Wort „Geliehen“ habe sicherstellen sollen, dass die gute Beziehung aufrechterhalten werde. Im Geschäftsleben sei das halt ein kleines Druckmittel, dass man sich weiterhin wohlgesonnen sei, aber hier gehe es ja auch um enge familiäre Beziehungen. Der Zeuge gab weiter an, dass die Tante der Beklagten sicherstellen habe wollen, dass es mit dem Umzug nach … im Zweifel auch klappe. Sie habe die Beziehung zwischen Tante und Nichte langfristig aufrechterhalten und die Pflege langfristig absichern wollen. Daraus und aus dem Umstand, dass der Zeuge auch angegeben hat, dass die 100.000,00 DM der Finanzierung des Hauses hätten dienen sollen und die Idee gewesen sei, dass die Tante der Beklagten zu der Beklagten und ihrem damaligen Ehemann nach … ziehen sollte, ergibt sich für das Gericht ohne Zweifel, dass beide Parteien, also sowohl die Beklagte selbst als auch ihre Tante sich darüber einig waren, dass der Zweck der Leistung die zukünftige Absicherung der Pflege der Tante war, ohne allerdings dass dies schriftliche fixiert wurde oder die tatsächlichen Modalitäten bereits geklärt waren, so dass die Erwartung lediglich „mitschwang“, nicht aber bereits konkret und rechtsverbindlich ausgehandelt worden ist, zumal auch zu diesem Zeitpunkt nicht vorhersehbar war, ob überhaupt Pflegebedarf bestehen würde.
3. Der Rückforderungsanspruch besteht aber nur dann, wenn der mit einer Leistung nach dem Inhalt des Rechtsgeschäfts bezweckte Erfolg nicht eingetreten ist, vorliegend also der Schenkungszweck verfehlt worden wäre. Erforderlich hierfür ist, dass endgültig feststeht, dass der bezweckte Erfolg, auch welchem Grund auch immer, nicht eintritt (Sprau in Palandt, Bürgerliches Gesetzbuch, 74. Auflage, 2015, § 812, Rz. 31). Dies ist vorliegend nicht der Fall, weil die Tante der Beklagten noch lebt und daher theoretisch auch noch immer eine Pflege der Tante der Beklagten durch die Beklagte möglich ist, so z.B. falls der Kläger und die Tante der Beklagten ihre Lebensgemeinschaft auflösen und die Tante zurück nach … bzw. … ziehen würde. Es liegen keine Umstände vor, die darauf schließen lassen würden, dass der Erfolg sicher nicht mehr eintritt.
III. Dem Kläger steht mangels Bestehen eine Anspruches in der Hauptsache auch keine Ansprüche auf Ersatz von Nebenforderungen zu, da sich die Beklagte mit der Leistung nicht in Verzug befand, §§ 280 Abs. 1, 2, 286 BGB.
C.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 Abs. 1 ZPO.
D.
Die Entscheidung zur Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 709 Abs. 1 S. 1 ZPO.