Aktenzeichen 10 O 4294/15 Ver
Leitsatz
Der Rechtsschutzversicherer ist zur Deckung der Kosten für ein selbständiges Beweisverfahren in einer Arzthaftungsstreitigkeit nicht verpflichtet, wenn er bereits eine Deckungszusage für das Klageverfahren erteilt hat (entgegen OLG München BeckRS 2017, 135281 R. 10) (Rn. 21). (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist für die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Gründe
I.
Die Klage ist zulässig. Die sachliche Zuständigkeit des Landgerichts ergibt sich aus dem Streitwert. Mit Beschluss des Landgerichts München II vom 13.11.2015 wurde der Streitwert zunächst vorläufig auf € 31.639,30 festgesetzt. Dieser Beschluss wurde mit weiterem Beschluss vom 14.07.2016 dahingehend abgeändert, dass der Streitwert auf 25.266,95 € festgesetzt wurde. In diesem Zusammenhang wurde das wirtschaftliche Interesse der Klägerin hinsichtlich der Übernahme der Anwaltskosten für das anhängig gemachte selbstständige Beweisverfahren sowie der angeforderte Vorschuss berücksichtigt. Dieser Beschluss wurde der Beklagten auch zugestellt. Die sachliche Zuständigkeit ist daher entgegen der Ansicht der Beklagten gegeben.
II.
Die zulässige Klage ist in vollem Umfang unbegründet, da zum einen keine Deckungszusage der Beklagten auch zur Übernahme der Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens vorliegt, zum anderen auch kein derartiger Anspruch der Klägerin insoweit besteht.
In diesem Zusammenhang ist nach Überzeugung des Gerichts zunächst der chronologische Ablauf der Angelegenheit zu berücksichtigen. Mit Schreiben der Beklagten vom 24.10.2014 (Anlage K 6) wurde zunächst Kostenschutz für die Geltendmachung von Schadensersatzbzw. Schmerzensgeldansprüchen in Höhe von 272.640,95 € erklärt. Bereits aus der Diktion dieses Schreibens ergibt sich, dass ein Klageverfahren und kein selbstständiges Beweisverfahren angedacht waren. Aus diesem Schreiben ergibt sich auch ein möglicher Regressvorbehalt der Beklagten, für den Fall einer überhöhten Klageforderung.
In der Folgezeit erfolgte am 19.11.2014 eine Vorschusskostenrechnung bezugnehmend auf die Deckungszusage (Anlage K 8) sowie eine Mahnung vom 12.12.2014 (Anlage K 10).
Mit E-Mail vom 06.01.2015 (Anlage K 11) übersandte der anwaltliche Vertreter der Klägerin an die Beklagte ein Schreiben der A-Versicherung vom 29.12.2014 und sein Antwortschreiben vom 06.01.2015 mit der Bitte um Stellungnahme der Beklagten bis 24.01.2015. In dem vorgelegten Schreiben an die A. Versicherungs AG vom 06.01.2015 regt der Vertreter der Klägerin an, die streitgegenständlichen Fragen gegenüber der A. in einem selbstständigen Beweisverfahren zu klären und fragt insoweit an, ob die A. damit einverstanden wäre. Eine Antwort der A. wurde in der Folgezeit nicht vorgelegt.
Soweit die Klägerin meint, in der E-Mail vom 06.01.2015 sie eine Deckungsanfrage hinsichtlich der Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens gestellt worden, geht diese Ansicht fehl. Zum einen ist ausdrücklich eine Stellungnahme der Beklagten bis 24.01.2015 erbeten. Zum anderen handelt es sich in dem Schreiben vom 06.01.2015 an die A. Versicherungs AG lediglich um eine Anfrage bzw. Anregung, ein selbstständiges Beweisverfahren durchzuführen. Eine Zustimmung der A. AG zu dieser Vorgehensweise ist nicht ersichtlich.
In einer weiteren E-Mail des Klägervertreters vom 19.02.2015 (Anlage 10 der Beklagten) bittet dieser endlich um Zustimmung für die Geltendmachung der Ansprüche in erster Instanz und kündigt an, nach Ablauf von sieben Tagen eine Arzthaftungsklage beim Landgericht einzureichen. In dieser E-Mail ist ersichtlich keine Rede von der Durchführung bzw. Beantragung eines selbstständigen Beweisverfahrens.
Entgegen der Ansicht der Klägerin liegt in dem Schreiben der Beklagten vom 22.04.2015 (vorgelegt als Anlage K 16) keine Deckungszusage zur Durchführung eines selbstständigen Beweisverfahrens.
Aus dem Schreiben ist eindeutig ersichtlich, dass die Beklagte darauf eingeht, dass sie mit dem Argument fehlende Erfolgsaussichten der Klage ausgeschlossen sei. Die Beklagte bittet im letzten Absatz darüber hinaus um Einreichung der Klageschrift, der gerichtlichen Wertfestsetzung und der gegnerischen Erwiderung. Aus diesem Schreiben ist eindeutig erkennbar, dass sich die Kostenzusage der Beklagten nicht auf ein selbstständiges Beweisverfahren, sondern ersichtlich auf eine erstinstanzliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldklage bezieht. In diesem Zusammenhang kann es letztlich dahinstehen, ob die Klägerin, vertreten durch ihren anwaltlichen Vertreter, auch das von der Beklagten vorgelegte zweite Schreiben vom 22.04.2015 erhalten hat. In diesem zweiten Schreiben ist ausdrücklich Deckungs- und Kostenschutz für die Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld sowie ein entsprechender Regressvorbehalt enthalten. Lediglich am Rande sei darauf hingewiesen, dass es befremdlich erscheint, dass der anwaltliche Vertreter die entsprechende Kostenzusage, auf die im Schreiben vom 22.04.2015 (Anlage K 16) ausdrücklich Bezug genommen wird, nach eigenen Angaben nicht erhalten hat. Es erscheint auch ungewöhnlich, dass eine derartige Kostenzusage nicht nachträglich angefordert wurde. Auch der zeitliche Zusammenhang der Beantragung des selbstständigen Beweisverfahrens am 21.05.2015 erscheint bedenklich. Auffällig ist auch der im selbständigen Beweisverfahren nochmals auf insgesamt 319145,45 Euro erhöhte Streitwert.
Das Gericht stellt ausdrücklich klar, dass grundsätzlich auch die Durchführung eines selbständigen Beweisverfahrens Gegenstand einer Deckungszusage sein kann, dies gilt auch in Arzthaftungsangelegenheiten.
Nachdem die Beklagte aber bereits eine Kostenzusage für die Einreichung einer Klage auf Schadensersatz und Schmerzensgeld erteilt hatte, war die Beklagte darüber hinaus nicht verpflichtet, zusätzlich die Kosten eines selbstständigen Beweisverfahrens zu übernehmen. Nach Überzeugung des Gerichts ist § 82 VVG i. V. m. § 125 VVG auch im Bereich der Rechtsschutzversicherung anzuwenden. Der Rechtsschutzfall war im vorliegenden Verfahren bereits eingetreten, der Versicherungsnehmer ist daher verpflichtet, nach Möglichkeit für die Abwendung und Minderung des Schadens zu sorgen und insoweit Weisungen des Versicherers einzuholen. Nach dem unbestrittenen Sachvortrag der Beklagten fällt bei Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens eine 1,0 Gerichtsgebühr an, die in der Folgezeit auch nicht anrechenbar ist.
Des Weiteren ist im vorliegenden Fall zu berücksichtigen, dass gerade die Frage der Beweislast im Zusammenhang mit der von der Klägerin behaupteten fehlenden bzw. fehlerhaften Aufklärung erhebliche Auswirkungen auf eine Vorschusspflicht hat. Auch das Landgericht München I hat im Beweisbeschluss vom 21.07.2015 unter Ziffer IV. genau auf diese Problematik hingewiesen. Soweit die Klinik eine ordnungsgemäße Aufklärung nicht nachweisen kann, würde dies erhebliche Auswirkungen auf die Frage der Beweislast haben. Bereits das Landgericht München I hat daher darauf hingewiesen, dass diese Frage erst in einem eventuellen Hauptsacheverfahren geklärt werden kann. Bereits aus diesem Gesichtspunkt erscheint es höchst unwahrscheinlich, ob das selbstständige Beweisverfahren ein nachfolgendes Hauptsacheverfahren überhaupt vermeiden kann. Darüber hinaus erweitert sich durch die extrem weite Fassung des Beweisbeschlusses im selbstständigen Beweisverfahren auch der Umfang der Kosten des eingeschalteten Sachverständigen.
Die Beklagte war daher nach Überzeugung des Gerichts unter dem Gesichtspunkt der Kostenminderungsobliegenheit des Versicherungsnehmers berechtigt, eine Deckungszusage für die Durchführung des selbstständigen Beweisverfahrens zu verweigern, nachdem bereits eine Kostenzusage für die Einreichung einer entsprechenden Arzthaftungsklage erteilt war.
Die Klage war daher abzuweisen.
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 91 ZPO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf § 709 ZPO.