Aktenzeichen 21 U 2454/19
EGZPO § 26 Nr. 8
Leitsatz
Verfahrensgang
43 O 1920/17 2019-04-15 LGINGOLSTADT LG Ingolstadt
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 15.04.2019, Aktenzeichen 43 O 1920/17, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt sowie dieser Beschluss sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 16.400,00 € festgesetzt.
Gründe
I.
1.
Die Parteien streiten um Ansprüche nach einem Pkw-Kauf im Zusammenhang mit dem sogenannten „Diesel-Abgasskandal“.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts sowie im Hinweisbeschluss des Senats vom 13.08.2019 (Bl. 382 ff. d.A.) Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragte die Klagepartei mit Schriftsatz vom 17.07.2019 (Bl. 368 ff. d.A.):
Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 15.04.2019, Az. 43 O 1920/17 wird aufgehoben und der Rechtstreit an das LG Ingolstadt zurückverwiesen.
Hilfsweise:
Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 15.04.2019, Az. 43 O 1920/17 wird wie folgt abgeändert:
1. Die Beklagte zu 1) wird verurteilt, an die Klagepartei € 12.400,00 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 5%-Punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 22.08.2017 zu bezahlen, Zugum-Zug gegen Übereignung und Herausgabe des PKW …, FIN … und Zugum-Zug gegen Zahlung einer von der Beklagten zu 1) noch darzulegenden Nutzungsentschädigung für die Nutzung des PKW.
2. Es wird festgestellt, dass die Beklagte zu 2) verpflichtet ist, der Klägerpartei Schadensersatz zu bezahlen für Schäden, die aus der Manipulation des Fahrzeugs … (Fahrzeugidentifikationsnummer: …) durch die Beklagtenpartei resultieren.
3. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagte zu 1) mit der Rücknahme des im Klageantrag Ziffer 1. genannten PKW im Annahmeverzug befindet.
4. Die Beklagtenparteien werden jeweils getrennt, nicht gesamtschuldnerisch verurteilt, die Klagepartei von den durch die Beauftragung der Prozessbevollmächtigten der Klagepartei entstandenen vorgerichtliche Rechtsanwaltskosten in Höhe von jeweils € 1.461,32 freizustellen.
5. Die Beklagten tragen die Kosten des Rechtsstreits.
Die Beklagtenparteien beantragten
die Zurückweisung der Berufung mit Schriftsätzen vom 29.07.2019 bzw. 9.09.2019 (Bl. 381, 391 d.A.).
2.
Mit Schriftsatz vom 14.10.2019 (Bl. 394 ff. d.A.) hält die Klagepartei an ihrem Berufungsbegehren fest.
Der Klageantrag unter Ziffer 2 sei nicht unzulässig. Das OLG Karlsruhe habe in der Entscheidung vom 18.07.2019, Az.: 17 U 160/18, einem gleichlautenden Feststellungantrag stattgegeben. Zur Begründung der Zulässigkeit des Antrags im vorliegenden Fall zitiert die Klagepartei wörtlich aus dem Urteil des OLG Karlsruhe. Jedenfalls sei wegen Divergenz insofern die Revision zum BGH zuzulassen.
Ferner könne eine Kenntnis des Klägers im Sinne von § 442 BGB im Hinblick auf die Verwendung eines sogenannten „Thermofensters“ im streitgegenständlichen Fahrzeug jedenfalls nicht aufgrund des Hinweises im Kaufvertrag, das Fahrzeuge sei von der Rückrufaktion … bzgl. manipulierter Abgaswerte betroffen, angenommen werden. Zur Begründung nimmt die Klagepartei Bezug auf eine gerichtliche Entscheidung, Landgericht Düsseldorf, Urteil vom 31.07.2019, Az.: 7 O 166/18.
Außerdem könne aus diesem Vertragszusatz nicht auf eine Kenntnis im Sinne von § 442 BGB im Hinblick auf eine vorsätzliche, sittenwidrige Schädigung durch die Beklagte zu 2) geschlossen werden.
Schließlich begehrt die Klagepartei die Festsetzung eines erhöhten Streitwerts, und zwar in Höhe von 26.320,00 €. Die Erhöhung ergebe sich aus dem hinzuzurechnenden Wert des Feststellungsantrages gem. Ziff. 2. Zur Begründung nimmt die Klagepartei Bezug auf eine gerichtliche Entscheidung, Landgericht Saarbrücken, Beschluss vom 18.01.2019, Az.: 12 O 36/18.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 15.04.2019, Aktenzeichen 43 O 1920/17, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf den Hinweisbeschluss vom 13.08.2019 Bezug, in dem bereits ausführlich dargelegt wurde, weshalb der Senat beabsichtigt, die Berufung des Klägers durch einstimmigen Beschluss zurückzuweisen.
Die Ausführungen im Schriftsatz vom 14.10.2019 (Bl. 394 ff. d.A.) geben keine Veranlassung zu einer anderen Beurteilung. Ergänzend ist auszuführen:
1.
Zulässigkeit des Feststellungsantrags unter Ziffer 2 Anders als der Kläger meint, ergibt sich die Unzulässigkeit des Feststellungsantrages unter Ziffer 2 nicht allein aus der mangelnden Bestimmtheit des Antrages, sondern auch aus dem Grundsatz des Vorrangs der Leistungsklage (siehe Beschluss des Senats vom 13.08.2019, dort S. 5). Es bedarf daher keiner Entscheidung des Berufungsgerichts im Sinne von § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO im Hinblick auf die durch Auslegung durch das OLG Karlsruhe im dortigen Verfahren 17 U 160/18 bejahte Bestimmtheit im Sinne von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO eines ähnlichen Antrages im dortigen Verfahren.
Zur Frage des Vorrangs der Leistungsklage im vorliegenden Rechtsstreit hat der Senat mit Beschluss 13.08.2019 umfassende Ausführungen gemacht; es wird insoweit Bezug genommen. Seitens des Klägers erfolgte hierzu im Schriftsatz vom 14.10.2019 kein auf den konkreten Sachverhalt bezogener ergänzender Vortrag. Es wurde vielmehr wörtlich aus dem Urteil des OLG Karlsruhe vom 18.07.2019 im Verfahren 17 U 160/18 zitiert. Die dortigen Ausführungen beziehen sich jedoch auf den dortigen Sachverhalt und Prozessstoff (so auch explizit in den Urteilsgründen Rdnr. 76, zitiert nach BeckRS) und stellen allein auf den dort geltend gemachten Ersatz von Aufwendungen ab (a.a.O., Rdnr. 80). Explizit offen gelassen ist die Frage nach dem Bestehen von Schadensersatzansprüchen wegen Steuernachforderungen und nach dem Bestehen eines Wahlrechts im Rahmen des Schadensersatzes (a.a.O., Rdnr. 78). Es handelt sich damit um eine Entscheidung in einem Einzelfall, weshalb auch unter diesem Gesichtspunkt keine Entscheidung im Sinne von § 522 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 ZPO geboten ist.
2.
Kenntnis im Sinne von § 442 BGB in Bezug auf die Verwendung eines sog. „Thermofensters“
Anders als der Kläger meint, führt der im Kaufvertrag niedergelegte Hinweis „Fzg. ist von der Rückrufahktion … bezüglich Manipilierter Abgaswerte betroffen“ auch zur positiven Kenntnis des Klägers in Bezug auf ein – ggfls. – unzulässiges Thermofenster. Denn nach dem objektiven Empfängerhorizont, §§ 133, 157 ZPO, ist es für die Offenlegung der Problematik gegenüber dem Käufer unerheblich, mittels welcher Technologie – unzulässiges Thermofenster oder Software mit Umschaltlogik – der Abgasausstoß manipuliert wird. Entscheidend ist die Veränderung der Abgaswerte in der Folge einer dies verschleiernden Technik, mit der die Gefahr der Untersagung der Betriebserlaubnis einhergeht. Zur Überzeugung des Senats stehen dem – anders als der Kläger mit seinem entsprechenden Hinweis durch Hervorhebung wohl meint – auch nicht die in der schriftlichen Niederlegung des Hinweises enthaltenen Rechtschreibfehler entgegen. Der Sinn des Hinweises ist ohne weiteres erkennbar.
Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Kläger zitierten Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf, Urteil vom 31.07.2019, Az.: 7 O 166/18, da dort nach der expliziten Feststellung im Tatbestand beim Verkauf kein Hinweis darauf erfolgt ist, „dass der Pkw von dem ‘Abgasskandal’ betroffen ist.“ Überdies bezieht sich die Entscheidung des Landgerichts Düsseldorf auf die Verwendung eines – nach dortiger Beurteilung – unzulässigen Thermofensters erst durch das Aufspielen eines Softwareupdates; vorliegend wurde jedoch bereits zum „ob“ der Durchführung eines Updates in der Berufungsbegründung widersprüchlich vorgetragen (siehe Hinweis des Senats vom 13.08.2019, Bl. 387 d.A.).
3.
Kenntnis im Sinne von § 442 BGB in Bezug auf die Beklagte zu 2)
Kaufvertragliche Ansprüche bestehen gegenüber der Beklagten zu 2) als Herstellerin nicht, weshalb es auf die Anwendung von § 442 BGB insoweit nicht ankommt.
Die Kenntnis des Klägers beim Kauf von dem Umstand, dass das Fahrzeug von der Rückrufaktion … wegen manipulierter Abgaswerte betroffen ist, schließt jedoch auch eine Haftung der Beklagten zu 2) nach Deliktsrecht aus. Eine deliktische Haftung setzt voraus, dass die Schädigungshandlung beim Geschädigten kausal zu einem Schaden geführt hat. Die Darlegungs- und Beweislast trifft insofern den Geschädigten. Es obliegt daher dem Kläger dazulegen und ggfls. zu beweisen, dass eine Täuschung seitens der Beklagten zu 2) über die Abgaseigenschaften des Motors im streitgegenständlichen Fahrzeug kausal wurde für seine Entscheidung zum Erwerb dieses Pkw und er den Pkw nicht erworben hätte, wenn er gewusst hätte, dass das Fahrzeug vom sog. Diesel-Skandal betroffen ist. Dieser Nachweis kann dem Kläger aufgrund des im Kaufvertrag niedergelegten Hinweises nicht gelingen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 10, 711, 713 ZPO i.V.m. § 26 Nr. 8 EGZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung von §§ 39 Abs. 1, 40, 47 Abs. 1 und Abs. 2, 48 GKG, § 3 ZPO bestimmt.
Bei Feststellungsklagen richtet sich der Streitwert nach dem Wert des Rechts oder Rechtsverhältnisses, dessen Bestehen oder Nichtbestehen festgestellt werden soll, wobei nur Umstände zu berücksichtigen sind, die dem Gericht in der Schlussverhandlung bekannt waren. Maßgeblicher Bewertungszeitpunkt ist die Instanzeinleitung, § 40 GKG. Bei positiver Feststellungsklage ist ein Abschlag von 20% vorzunehmen, und zwar auch dann, wenn der Kläger damit rechnen kann, dass der Prozessgegner auch auf ein Feststellungsurteil hin leisten werde (siehe zum Ganzen, Zöller, ZPO, 30. Auflage 2014, § 3 Stichwort „Feststellungsklage“).
Vorliegend hat die Klagepartei selbst den Streitwert vorläufig in erster Instanz in der Klageschrift in Höhe des Kaufpreises für das streitgegenständliche Fahrzeug von 12.400,00 € beziffert (Bl. 1 d.A.) und dies ausführlich erläutert (Bl. 72 ff. d.A.), gleichwohl hinsichtlich des Feststellungsantrages gegenüber der Beklagten zu 2) unter Erläuterung des Begehrs (Rückabwicklung des Kaufvertrages und Schäden wegen Steuernachforderungen, wegen Stilllegung des Fahrzeugs und mögliche Körperschäden – für diese zusätzlichen Posten wurde ein Betrag von 4.000 € angesetzt, Bl. 73 d.A.), keine Erhöhung des Gesamtstreitwerts vorgenommen. In erster Instanz wurde der Streitwert in Höhe von 16.400,00 € festgesetzt (Bl. 345 d.A.).
Die Klagepartei hat das erstinstanzliche Begehren in zweiter Instanz mit identischen Anträgen weiterverfolgt. Der Streitwert des Berufungsverfahrens ist daher gem. § 47 Abs. 2 Satz 1 GKG begrenzt durch den Streitwert erster Instanz. Ausführungen, die zu einer abweichenden Bewertung insbesondere des Feststellungsantrags gegenüber der Beklagten zu 2) zum Zeitpunkt der Instanzeinleitung, § 40 GKG, führen könnten, hat der Kläger nicht gemacht. Hierfür genügt insbesondere nicht der Hinweis auf eine Entscheidung des Landgerichts Saarbrücken zur Festsetzung des Streitwerts zum dortigen Sachverhalt.