Handels- und Gesellschaftsrecht

Duldungsanspruch aus einer Grunddienstbarkeit

Aktenzeichen  34 O 3346/14

Datum:
20.2.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 56121
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
München I
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 242

 

Leitsatz

1. Das streitgegenständliche Recht ist ca. 32 Jahre lang weder von der Klägerin noch von deren Rechtsvorgängerin ausgeübt bzw. dessen Ausübung angekündigt worden. Dies erfüllt den „Zeitmoment“ der Verwirkung.  (Rn. 28) (redaktioneller Leitsatz)
2. Dingliche Rechte unterliegen grundsätzlich nicht der Verwirkung. Dies gilt jedoch nicht für die aus diesen Rechten hergeleiteten Ansprüche.  (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klagepartei.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung i.H.v. 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Beschluss:
Der Streitwert des Verfahrens wird auf 189.000,00 € festgesetzt.

Gründe

Die zulässige Klage war unbegründet und war daher abzuweisen.
I.
Die Klagepartei ist nach der Überzeugung des Gerichtes aktiv legitimiert, da sich die Eigentümerstellung aus der … ergibt.
II.
Die Klagepartei kann von der Beklagten den streitgegenständlichen Anspruch nicht verlangen, da nach der Überzeugung des Gerichts dieser verwirkt ist.
1.
Das Gericht geht davon aus, dass das für die Verwirkung gem. § 242 erforderliche „Zeitmoment“ jedenfalls erfüllt ist, da unstreitig das streitgegenständliche Recht ca. 32 Jahre lang weder von de Klagepartei, noch von der Rechtsvorgängerin ausgeübt wurde bzw. die Ausübung angekündigt wurde. Zwar verkennt das Gericht nicht, dass sich das Zeitmoment nach den Umständen des Einzelfalles richtet und bei einem dinglichen Recht sicherlich eine längere Zeitspanne gegeben sein muss als bei einem schuldrechtlichen Anspruch, der lediglich in einem gegenseitigen Ver trag verankert ist.
Ein Wechsel auf Seiten des Berechtigten oder des Verpflichteten ist für das Zeitmoment grundsätzlich ohne Bedeutung (BGH NJW 06, 219). Die Klagepartei kann sich daher nicht darauf berufen, dass die Rechtsvorgängerin untätig gewesen sei. Auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass es nicht nur ein schuldrechtlicher Anspruch, sondern ein dingliches Recht ist, erscheinen 32 Jahre als ein Zeitraum, der für eine Verwirkung ausreichend ist.
2.
Das Gericht hält auch das erforderliche „Umstandsmoment“ für gegeben.
Grundsätzlich muss sich der Verpflichtete aufgrund des Verhaltens des Berechtigten darauf eingerichtet haben, dieser werde sein Recht nicht mehr geltend machen. Hinzu kommen muss, dass sich der Verpflichtete aufgrund des geschaffenen Vertrauenstatbestandes so eingerichtet hat, dass ihm die verspätete Geltendmachung des Rechts einen unzumutbaren Nachteil bringen würde (BGH NJW 11, 212). Mithin ist das Umstandsmoment regelmäßig dann erfüllt, wenn der Schuldner im Hinblick auf die Nichtgeltendmachung des Rechtes Vermögensdispositionen getroffen hat.
Die Beklagte trägt vor, die streitgegenständlichen Stellplätze seien seit vielen Jahren vermietet, der Nutzungsvorteil für jedes Jahr betrage 54.000,- €. Dies wird von der Klagepartei auch nicht bestritten, im übrigen ist gerichtsbekannt, dass für Stellplätze in der Innenstadt dieses Entgelt erzielt werden kann. Zwar bestreitet die Klagepartei, dass sich die Beklagte in ihrer finanziellen Planung auf dieses Entgelt verlassen hat, angesichts der Tatsache, dass der Nutzungsvorteil in einem Zeitraum von 30 Jahren ohne Verzinsung über eine Million Euro beträgt, ist es jedoch nachvollziehbar, dass die Beklagte als … von … und … sich auf diese finanziellen Mittel verlassen hat; alles andere würde der Lebenserfahrung widersprechen.
Dazu kommt, dass die beklagte Partei vorträgt, bei einer zeitigen Inanspruchnahme des streitgegenständlichen Rechtes hätte sie Beweise dafür gesichert, dass die Dienstbarkeit unter der Bedingung eines ortsüblichen Nutzungsentgeltes vereinbart worden sei. Aufgrund des langen Zeitablaufes seien keine Zeugen mehr vorhanden, da diese zwischenzeitlich verstorben sind. Auch dieses Argument ist nachvollziehbar, da es auch nachvollziehbar ist, dass die beklagte Partei sich dem schuldrechtlichen Anspruch auf eine ortsübliche Nutzungsgebühr auch bei einem Wechsel des Eigentümers erhalten wollte.
Im übrigen ist bei wiederkehrenden Leistungen davon auszugehen, dass der Schuldner sich auf diese verlässt und bei einer rechtzeitigen Geltendmachung des Anspruches seine Planung entsprechend angepasst hätte.
Das Gericht verkennt nicht, dass grundsätzlich der Verwirkung dingliche Rechte nicht unterliegen, jedoch unterliegen die daraus folgenden Ansprüche der Verwirkung (Münchener Kommentar – BGB, 4. Auflage, § 242, Rd. Ziffer 298; Palandt, 77. Auflage, § 242 Rd. Ziffer 80).
Vorliegend kann die Beklagte daher die Ausübung des Rechtes, dass die Klägerin aus der dinglichen Vereinbarung für sich herleitet, wegen Verwirkung negieren.
Die Nebenentscheidungen folgen aus den §§ 91 Abs. 1, 709 Satz 1, Satz 2 ZPO.
Hinsichtlich des Streitwertes wurde ein Nutzungsvorteil von 54.000,- € pro Jahr angenommen, das 3,5 fache beträgt 189.000,- €.

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