Handels- und Gesellschaftsrecht

Durch einen Erfüllungsgehilfen fälschlicherweise mitgeteilte Kontoverbindung

Aktenzeichen  7 U 3206/16

Datum:
21.12.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 113226
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 242, § 254, § 278, § 280 Abs. 1, § 362

 

Leitsatz

Überweist der Schuldner den geschuldeten Betrag auf eine seinem Gläubiger nicht zugeordnete Kontoverbindung, welche ihm ein Mitarbeiter des Gläubigers als dessen Erfüllungsgehilfe vorsätzlich fälschlicherweise mitgeteilt hat, so ist der Zahlungsanspruch des Gläubigers zwar nicht gemäß § 362 Abs. 1 BGB erfüllt, aber dem Schuldner stehen Schadensersatzansprüche gegen den Gläubiger aus § 280 Abs. 1 BGB zu, die er dem Zahlungsanspruch nach § 242 BGB entgegenhalten kann. (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

13 HK O 19666/15 2016-07-05 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

I.
Auf die Berufung der Beklagten wird Ziffer 1 des Endurteils des Landgerichts München I vom 5.7.2016 wie folgt gefasst:
„1. Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin 9.030,73 € nebst Zinsen hieraus in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit 25.9.2015 zu bezahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.“
II.
Im Übrigen wird die Berufung der Beklagten zurückgewiesen.
III.
Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 60% und die Beklagte 40%. Von den Kosten der ersten Instanz tragen die Klägerin 81% und die Beklagte 19%.
IV.
Dieses Urteil des Senats sowie das in Ziffer I. genannte Urteil des Landgerichts in der Fassung, die es durch dieses Urteil des Senats erhalten hat, sind vorläufig vollstreckbar.
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I. Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte einen unstreitigen Zahlungsanspruch der Klägerin erfüllt hat durch Überweisung auf ein nicht der Klägerin zugeordnetes Bankkonto, dessen Kontonummer die Beklagte von einem Mitarbeiter der Klägerin mitgeteilt erhalten hat.
Die Beklagte hat beantragt, das Ersturteil aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin hat beantragt, die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.
Im Übrigen wird von der Darstellung des Tatbestandes abgesehen (§§ 540, 313a ZPO).
II. Die gem. §§ 511 ff ZPO zulässige Berufung der Beklagten ist nur teilweise begründet. Die Beklagte hat durch Überweisung auf ein nicht der Klägerin zugeordnetes Konto den unstreitigen Zahlungsanspruch der Klägerin zwar nicht i. S. v. § 362 Abs. 1 BGB erfüllt, ihr stehen aber Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin aus § 280 Abs. 1 BGB i. H. v. 13.546,09 € zu, die sie der Klageforderung nach § 242 BGB (Dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est) entgegenhalten kann, so dass sie nur 9.030,73 € nebst Zinsen zu bezahlen hat.
1. Der Senat teilt die Auffassung des Landgerichts, dass der ehemalige Mitarbeiter der Klägerin, Herr …, das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht ändern konnte, weil er weder von der Klägerin bevollmächtigt wurde, noch die Regeln der Anschein- bzw. Duldungsvollmacht einschlägig sind. Die zweimalige Mitteilung von Kontonummern per E-Mail (Mitteilung der zutreffenden Kontonummer mit E-Mail vom 28.10.2013, Anlage B 6, Mitteilung der unzutreffenden Kontonummer mit E-Mail vom 16.1.2015, Anlage B 7 = Anlage K 4) ist zum einen nicht als rechtsgeschäftlich einzustufen, zum anderen fehlt es unabhängig davon insoweit an der für die Annahme einer Anscheinsvollmacht erforderlichen Dauer oder Häufigkeit (Palandt, 76. Aufl., Rdnr. 12 zu § 172 BGB).
2. Der Beklagten stehen jedoch Schadensersatzansprüche gegen die Klägerin aus § 280 Abs. 1 BGB i. H. v. 13.546,09 € zu, weil die Klägerin eine Nebenpflicht aus dem zwischen den Parteien bestehenden Vertrag verletzt hat.
a) Das Vertragsverhältnis der Parteien kam ohne schriftliche Willenserklärung der Klägerin zustande. Dementsprechend wurde der Vertrag auch ohne ein Schreiben der Klägerin auf Geschäftspapier mit Angabe der Bankverbindung abgeschlossen. Da angesichts der nicht ganz unbeträchtlichen Beträge, die die Klägerin aus dem Vertragsverhältnis fordern kann, eine Barzahlung zur Erfüllung der Forderung nicht naheliegt, ist das Vertragsverhältnis so auszulegen, dass die Klägerin die Nebenpflicht hat, der Beklagten ihre Bankverbindung, und zwar die richtige Kontonummer mitzuteilen. Diese Nebenpflicht hat die Klägerin zunächst mit der E-Mail vom 28.10.2013 (Anlage B 6) ordnungsgemäß erfüllt, indem ihr Mitarbeiter … als Erfüllungsgehilfe die richtige Kontonummer mitgeteilt hat. In der Folge hat die Klägerin jedoch ihre Nebenpflicht verletzt, indem ihr Mitarbeiter . als Erfüllungsgehilfe der Klägerin mit E-Mail vom 16.1.2015 (Anlage B 7 = Anlage K 4) vorsätzlich die falsche Kontonummer mitgeteilt hat. Nach § 278 BGB ist dieses vorsätzliche Handeln des Herrn . der Klägerin zuzurechnen. Für den dadurch verursachten Schaden, der darin besteht, dass die Beklagte durch Überweisung auf ein nicht der Klägerin zugeordnetes Konto die Forderung der Klägerin nicht zum Erlöschen bringen konnte (s.o. 1.), schuldet die Klägerin der Beklagten Schadensersatz.
b) Dieser Schadensersatzanspruch ist jedoch nach § 254 BGB um 2/5 zu kürzen, weil ein nicht unerhebliches Mitverschulden der Beklagten zu berücksichtigen ist. Die E-Mail vom 16.1.2015 (Anlage B 7 = Anlage K 4) ist durchaus ungewöhnlich, so dass es Sache der Beklagten gewesen wäre, bei vertretungsberechtigten Personen der Klägerin nachzufragen, ob es mit der Änderung der Kontonummer seine Richtigkeit habe. In der E-Mail wird die Bitte ausgesprochen, ob „die Kontodaten … noch geändert werden können“. Ein derartig kurzfristiges Vorgehen ist jedoch im Geschäftsverkehr unüblich. Wenn ein Unternehmen seine Kontoverbindung ändert, ist unter normalen Umständen zu erwarten, dass dies den Geschäftspartnern rechtzeitig vorher mitgeteilt wird. Der Senat bewertet die Quote des Mitverschuldens der Beklagten mit 2/5, weil das Verschulden der Klägerin mit 3/5 höher zu gewichten ist. Dies vor allem deshalb, weil auf Seiten der Klägerin vorsätzliches Handeln des Erfüllungsgehilfen … vorliegt und dieser Vorsatz der Klägerin nach § 278 BGB zuzurechnen ist.
c) Diesen Schadensersatzanspruch kann die Beklagte der Klageforderung nach § 242 BGB (Dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est) entgegenhalten, so dass sie nur 2/5 des eingeklagten Betrages zu bezahlen hat.
d) Nachdem die Beklagte und Herr … im Verhältnis zur Klägerin als Gesamtschuldner haften, geht der Anspruch der Klägerin gegen Herrn … nach § 426 Abs. 2 BGB auf die Beklagte über, soweit die Beklagte den mit diesem Urteil titulierten Betrag an die Klägerin bezahlt. Einer Abtretung bedarf es dafür nicht, weshalb auch keine Verurteilung nur Zug um Zug gegen Abtretung von Ansprüchen der Klägerin gegen Herrn … an die Beklagte auszusprechen war.
3. Entgegen der Auffassung des Erstgerichts waren Zinsen nur in Höhe von 8 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz zuzusprechen. Nach Art. 229 § 34 EGBGB ist hier § 288 Abs. 2 BGB a. F. anzuwenden, weil das Vertragsverhältnis zwischen den Parteien nicht nach dem 28.7.2014 entstanden ist.
4. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 92, 97 ZPO und – was die erstinstanzlichen Kosten anlangt – auch auf § 269 Abs. 3 Satz 2 ZPO; insoweit wird auf die zutreffenden Ausführungen auf Seiten 6 und 7 des Ersturteils Bezug genommen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 708 Nr. 10, § 713 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 543 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 ZPO nicht erfüllt sind.

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