Handels- und Gesellschaftsrecht

Eine formularmäßiger Verpflichtung zur Gestellung einer Gewährleistungsbürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit ist unwirksam

Aktenzeichen  9 U 1903/18 Bau

Datum:
24.9.2018
Fundstelle:
BeckRS – 2018, 39749
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 305 Abs. 1, § 307, § 770, § 812

 

Leitsatz

1. Eine formularmäßige Sicherungsabrede in einem Bauvertrag, nach der sich der Unternehmer verpflichtet, eine Gewährleistungsbürgschaft unter Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit zu stellen, ist unwirksam. (Rn. 11) (redaktioneller Leitsatz)
2. Ist ein Teil einer Klausel in Allgemeinen Geschäftsbedingungen unwirksam, so ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel nur dann die Gesamtklausel, wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrags nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss (ebenso BGH BeckRS 2016, 12055). (Rn. 12) (redaktioneller Leitsatz)
3. Eine Teilbarkeit der Klausel kann nicht angenommen werden, wenn sich die Klausel in der vertraglichen Regelung an zwei Stellen, nämlich der Sicherungsabrede selbst und in dem für die Bürgschaftserklärung vorgegebenen Formblatt 421 befindet (Abgrenzung zu BGH BeckRS 2016, 12055) (Rn. 14 – 15) (redaktioneller Leitsatz)

Verfahrensgang

2 O 14564/17 2018-05-17 Endurteil LGMUENCHENI LG München I

Tenor

1. Der Senat beabsichtigt, die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts München I vom 17.05.2018, Az. 2 O 14564/17, gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil er einstimmig der Auffassung ist, dass die Berufung offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
2. Hierzu besteht Gelegenheit zur Stellungnahme bis zum 20.10.2018.
3. Gleichzeitig kann zum Streitwert Stellung genommen werden, den der Senat auf € 5.275,00 festzusetzen beabsichtigt.

Gründe

I.
Offensichtliche Aussichtslosigkeit der Berufung, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO Die Berufung der Beklagten hat nach Überzeugung des Senats offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg, § 522 Abs. 2 Nr. 1 ZPO. Die angefochtene Entscheidung des Erstgerichts ist richtig. Das Ersturteil beruht nicht auf einer Rechtsverletzung (§§ 513 Abs. 1, 546 ZPO). Vielmehr rechtfertigen die Tatsachen, die der Senat im Rahmen des durch § 529 ZPO festgelegten Prüfungsumfangs der Beurteilung des Streitstoffes zugrunde zu legen hat, keine andere Entscheidung. Der Senat nimmt zur Vermeidung von Wiederholungen auf die sorgfältigen und in jeder Hinsicht zutreffenden Ausführungen des Erstgerichts Bezug. Die Berufungsbegründung vom 23.7.2018, Bl. 69/77 vermag dem Rechtsmittel nicht zum Erfolg zu verhelfen, aus folgenden Gründen:
Die Parteien streiten über die Pflicht der Beklagten, an die Klägerin eine übergebene Gewährleistungsbürgschaft nach § 812 BGB herauszugeben. Die Klägerin erhielt den Zuschlag für den Abbruch und Neubau von Salzlagerhallen, unter anderem für das Los A. Der Auftrag über eine Summe von 422.866,50 € wurde am 8.5.2012 erteilt. Der Auftragserteilung lagen das Formular 421 für eine Vertragserfüllungs- und Mängelansprüchebürgschaft bei (K 1). Der Auftragserteilung wurde die Besonderen Vertragsbedingungen der Beklagten zugrunde gelegt, in der unter Ziff. 4 Regelungen zur Sicherheitsleistung, § 17 VOB/B enthalten sind (Anlage K 2).
Unter Ziff. 4.3 heißt es:
„Wird Sicherheit in Form einer Bürgschaft geleistet, ist für die Vertragserfüllung das Formblatt 421 (…) zu verwenden.
(…)
Die Bürgschaftserklärungen enthalten folgende Erklärung des Bürgen:
– der Bürge übernimmt für den Auftragnehmer die selbstschuldnerische Bürgschaft nach deutschem Recht
– Auf die Einreden der Anfechtbarkeit und der Aufrechenbarkeit sowie der Vorausklage gem. §§ 770, 771 BGB wird verzichtet. Der Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit gilt nicht für unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen des Hauptschuldners.
– Die Bürgschaft ist unbefristet; sie erlischt mit der Rückgabe dieser Bürgschaftsurkunde.
(…)
Wie in den vertraglichen Regelungen vereinbart, stellte die Klägerin auf dem Formblatt 421 die verfahrensgegenständliche Bürgschaft der Sparkasse im Landkreis S. vom 12.10.2012 über 21.100 €. Diese enthält – entsprechend der Ziff. 4.3 BVB – einen Verzicht auf die Einreden der Anfechtbarkeit sowie der Vorausklage gem. §§ 770, 771 BGB, wobei der Verzicht auf die Einrede der Aufrechenbarkeit nicht für unbestrittene oder rechtskräftig festgestellte Gegenforderungen des Hauptschuldners gilt.
Die Klägerin war der Auffassung, der ihr formularmäßig vorgegebene uneingeschränkte Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit benachteilige sie unangemessen unter dem Verstoß gegen Treu und Glauben, was zur Unwirksamkeit der vorgegebenen Sicherungsabrede führe.
Das Landgericht hielt das Klagebegehren der Klägerin für begründet und sprach den begehrten Herausgabeanspruch zu. Bei der Klausel handele es sich um allgemeine Geschäftsbedingungen der Beklagten als Verwenderin. Der uneingeschränkte Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit sei nach überwiegender Meinung unwirksam. Die Unwirksamkeit führe zur Unwirksamkeit der gesamten Sicherungsklausel.
Hiergegen wendet sich die Berufung der Beklagten. Entgegen der Ansicht des Landgerichts führe die unwirksame Einschränkung der Einrede der Anfechtbarkeit nicht zur vollständigen Unwirksamkeit der Sicherungsabrede. Vielmehr läge Trennbarkeit vor zwischen der Sicherungsabrede und Einrede der Anfechtbarkeit. Dies könne auch der Entscheidung des BGH vom 24.10.2017, XI ZR 600/16, NZBau 2018, 145 entnommen werden.
Die Berufungsbegründung der Beklagten hat keine Aussicht auf Erfolg:
1. Bei den Vertragsbedingungen handelt es sich ohne Zweifel um allgemeine Geschäftsbedingungen nach § 305 Abs. 1 BGB. Diese unterliegen jedenfalls der Inhaltskontrolle nach § 307 BGB.
2. Die Klausel Ziff. 4.3 benachteiligt die Klägerin unangemessen, da formularmäßig auf die Einrede der Anfechtbarkeit verzichtet wird. So entspricht es ständiger Rechtsprechung des BGH, dass schon der formularmäßige Verzicht auf die Einrede der Anfechtung den Schuldner unangemessen benachteiligt, wenn selbst eine Anfechtung wegen arglistiger Täuschung durch den Verwender ausgeschlossen wird (vgl. statt vieler BGH, NJW 1993, 3264 ff., Senat Urteil v. 3.6.2016, 9 U 3404/13, IBR 2017, 23).
3. Die unwirksame Klausel führt auch nach Auffassung des Senats zu einer vollständigen Unwirksamkeit der Sicherungsklausel. Die Annahme einer Teilunwirksamkeit im Wege eines „Blue pencil Tests“ kann nicht angenommen werden. Nach der Rechtsprechung des BGH können inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen in Allgemeinen Geschäftsbedingungen auch dann Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein, wenn sie in einem äußeren sprachlichen Zusammenhang mit anderen – unwirksamen – Regelungen stehen. Nur wenn der als wirksam anzusehende Teil im Gesamtgefüge des Vertrags nicht mehr sinnvoll, insbesondere der als unwirksam beanstandete Klauselteil von so einschneidender Bedeutung ist, dass von einer gänzlich neuen, von der bisherigen völlig abweichenden Vertragsgestaltung gesprochen werden muss, ergreift die Unwirksamkeit der Teilklausel die Gesamtklausel (BGH Urt. 12.0.2009, VII ZR 39/08, NJW 2009, 1664). Maßgeblich ist hierfür die Teilbarkeit der Klausel. Eine Teilunwirksamkeit der Klausel setzt letztlich voraus, dass ein und dieselbe Klausel in einen inhaltlich zulässigen und einen inhaltlich unzulässigen Teil zerlegt und auf diese Weise die kassatorische Wirkung des Urteils auf den unzulässigen Teil beschränkt werden kann (MüKoBGB/Basedow BGB, 7. Auflage 2016, § 306 Rn. 17) Dieser Weg soll allerdings nur dann beschritten werden dürfen, wenn sich in der streitigen Klausel mehrere „inhaltlich voneinander trennbare, einzeln aus sich heraus verständliche Regelungen“ finden, die trotz des äußeren sprachlichen Zusammenhangs Gegenstand einer gesonderten Wirksamkeitsprüfung sein können (MüKoBGB/Basedow BGB § 306 Rn. 17-).
Dies würde hier die Wirksamkeit der Sicherungsabrede durch Möglichkeit einer Bürgschaft bedeuten, bei der aber der Ausschluss der Einrede der Anfechtbarkeit entfiele.
Hier muss eine solche Teilbarkeit verneint werden. Die Klausel findet sich in der vertraglichen Regelung an zwei Stellen. Zum einen wird die Formulierung direkt aufgenommen unter Ziff. 4.3 der BVB. Zum anderen wird der Klägerin auch aufgegeben, das Sicherungsmittel nur unter Verwendung des Formblatts, welches dieselbe Regelung enthält, vorzulegen. So ist es dann auch tatsächlich erfolgt. Nach Auffassung des Senats ist die Regelung daher als konzeptionelle Einheit zu begreifen.
Die Klausel unter Ziff. 4 des Vertrages ist einschließlich des vorgeschriebenen Formblattes nur so zu verstehen, dass nur eine Bürgschaft verwendet werden kann, die den Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit enthält. Die entsprechende Klausel ist nach ihrem objektiven Inhalt und typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Kreise verstanden wird (vgl. BGH Urteil v. vom 16. 6. 2009 – XI ZR 145/08, NZBau 2009, 784). Durch die zusätzliche Verwendung des Formulars 421, welches dieselbe Regelung enthält, musste der Vertragspartner der Verwenderin davon ausgehen, dass die Bürgschaft nur auf diese Weise, nämlich unter Verzicht auf die Einrede der Anfechtbarkeit, abgegeben werden kann.
Würde man also bei teilweiser Unwirksamkeit der Klausel eine vertragliche Auslegung vornehmen, so fehlt jeglicher Anhaltspunkt dafür, was die Parteien vereinbart hätten, wenn sie die Unwirksamkeit der Klausel gekannt hätten (vgl. Insoweit BGH Urteil vom 24.10.2017, XI ZR 600/16, NZBau 2018, 145). Für eine andere Gestaltung des Sicherungsmittels Bürgschaft bestand anlässlich der doppelten Regelung nach Auffassung des Senats kein Raum. Die teilweise Erhaltung der Klausel würde daher nicht die erforderliche Klarheit schaffen, wie vom Landgericht zutreffend ausgeführt.
II.
Weitere Voraussetzungen von § 522 Abs. 2 Nr. 2 bis 4 ZPO Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung, § 522 Abs. 2 Nr. 2 ZPO. Weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung erfordern eine Entscheidung des Berufungsgerichts durch Urteil, § 522 Abs. 2 Nr. 3 ZPO. Die Durchführung einer mündlichen Verhandlung ist nicht geboten, § 522 Abs. 2 Nr. 4 ZPO.
III. Prozessuale Hinweise
Aufgrund obiger Ausführungen regt der Senat aus Kostengründen – eine Rücknahme der Berufung würde zu einer Kostenersparnis in Höhe von zwei Gerichtsgebühren führen, Nr. 1222 des Kostenverzeichnisses – an, die Berufung zurückzunehmen.

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