Aktenzeichen 22 O 380/14
Leitsatz
1 Sieht der Rahmenvertrag mit einem IT-Dienstleister ausdrücklich vor, dass jeweils konkrete Einzelaufträge zu erteilen sind und der Dienstleister nicht zur Annahme verpflichtet ist, so stellt die Ablehnung eines Einzelauftrages keine Vertragsverletzung dar. (redaktioneller Leitsatz)
2 Die Beweislast für die Annahme eines Einzelauftrages trifft nach allgemeinen Regeln denjenigen, der sich auf das Zustandekommen des Einzelvertrages beruft. (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf … € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Teilklage ist zulässig, da die Klagepartei eine Zuordnung der behaupteten einzelnen Schadenspositionen zu dem geltend gemachten Teilbetrag vorgenommen hat (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 36. Aufl., § 253, Rdnr. 9 m. w. N.).
II.
Die Teilklage erweist sich jedoch als unbegründet.
1. Die Klage gegen den Beklagten zu 2) ist unbegründet.
1.1. Der Beklagte zu 2) ist nicht Vertragspartner der Klägerin. Vertragspartner des Rahmenvertrages (RV) vom 6.9.2010 – aus dem die Klagepartei ihre vertraglichen Schadensersatzansprüche herleitet – waren die Klagepartei unter ihrer vormaligen Firma und die Beklagte zu 1), vertreten durch Herrn …, dem damaligen einzigen Geschäftsführer, wie sich aus dem vom Gericht eingesehenen Handelsregisterauszug der Beklagten zu 1) ergibt.
1.2. Ausweislich § 1 Abs. 3 i. V. m. § 4 Abs. 4 S. 3.1. HS RV war die Beklagte zu 1) zwar als Auftragnehmerin befugt, sich zur Erfüllung ihrer Aufgaben Dritter – in erster Linie des Beklagten zu 2) – als Erfüllungsgehilfen zu bedienen. Nach §§ 280 ff. BGB haftet für den Erfüllungsgehilfen aber grundsätzlich der Schuldner; der Erfüllungsgehilfe selbst haftet grundsätzlich nicht aus Vertrag.
1.3. Zwar ist eine vertragliche Haftung des Erfüllungsgehilfen i. S. d. § 278 BGB ausnahmsweise analog den für die culpa in contrahendo geltenden Grundsätzen zu bejahen, wenn die Pflichtverletzung nicht in einer Schlechtleitung liegt, sondern in der Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten besteht und wenn der Erfüllungsgehilfe bei Anbahnung und Abwicklung des Vertragsverhältnisses in besonderem Maße für sich persönliches Vertrauen in Anspruch genommen hat (vgl. Palandt, BGB; 75. Aufl., § 278, Rdnr. 40; § 311 Rdnr. 60 ff. m. w. N.).
Beide Voraussetzungen sind indes vorliegend nicht erfüllt:
a. Die Klagepartei wirft den Beklagten nicht nur Verletzung von vertraglichen Schutz- und Fürsorgepflichten bzw. Aufklärungspflichten als Nebenpflichten vor, sondern die Verletzung ihrer Pflicht zur fortlaufenden Wartung und Erhaltung der Betriebsbereitschaft und Funktionsfähigkeit der klägerischen IT-Anlage als behauptete vertragliche Hauptpflicht.
b. Zum anderen ist weder aus dem klägerischen Vorbringen noch aus den sonstigen vorgetragenen Umständen des Falles ersichtlich, dass der Beklagte zu 2) bei der Anbahnung und Abwicklung des Vertragsverhältnisses besonderes Vertrauen gegenüber der Klagepartei in Anspruch genommen hätte. Hierbei kann es jedenfalls nicht ausreichen, dass es der Beklagte zu 2) war, der in erster Linie bei Erbringung der Leistungen der Beklagten zu 1) für diese tätig wurde. Vielmehr muss es sich um ein besonderes, über das gewöhnliche Maß des ohnehin jedem längere Zeit tätigen freien Mitarbeiter oder Angestellten eines Vertragspartners entgegengebrachten Vertrauens hinausgehendes Vertrauen handeln. Der Erfüllungsgehilfe muss durch sein Auftreten die persönliche Gewähr für die Seriosität und die Erfüllung des Vertrages übernommen haben (a. a. O., § 311, Rdnr. 61). Hierfür sieht das Gericht vorliegend keinerlei Anhaltspunkte.
1.4. Das Bestehen deliktische Ansprüche der Klagepartei gegen den Beklagten zu 2) ist nicht ansatzweise ersichtlich.
Die Klage gegen den Beklagten zu 2) war daher abzuweisen.
2. Die Klage gegen die Beklagte zu 1) ebenfalls unbegründet.
2.1. Serverausfall vom Oktober 2012
2.1.1. Die Klagepartei ist zwar aktivlegitimiert, da sie lediglich unter einer anderen Firma Vertragspartnerin des streitgegenständlichen „Rahmenvertrages über EDV-Dienstleistungen“ war.
2.1.2. Es kann indes dahingestellt bleiben, ob es sich hierbei um einen echten Dienstleistungsvertrag gemäß § 611 ff BGB handelt, mit der Folge, dass der Klagepartei bei dessen Schlechterfüllung Schadensersatzansprüche gemäß §§ 280, 281 BGB zustünden (vgl. Palandt, a. a. O., § 611, Rdnr. 14) oder – wie in dem vom BGH entschiedenen Fall, Az. VII ZR 276/13 – um einen Werkvertrag i. S. d. §§ 631 ff BGB, so dass die Klägerin Schadensersatzansprüche wegen Schlechterfüllung über §§ 634 Nr. 4 i. V. m. 636, 280, 281, 283 und 311 a BGB verlangen könnte.
2.1.3. Denn die Beklagte zu 1) war nicht bereits aufgrund des Rahmenvertrags zur ständigen Wartung sämtlicher Anwendungen der klägerischen EDV-Anlage, inclusive Web-Server, Firmennetzwerk und Programmierungsarbeiten verpflichtet, sondern bedurfte hierzu konkret zu erteilender Einzelaufträge der Klägerin.
Dies ergibt sich nach Auffassung des Gerichts bereits aus dem der Wortlaut von § 1 Abs. 1 S. 2, 4, Abs. 3, Abs. 4 RV. Dort heißt es lediglich, Ziel der Zusammenarbeit der Parteien sei der störungsfreie Betrieb der Programmierung, bspw. von Internet-Anwendungen, Administration des Webservers bis hin zur Pflege des Firmen-Netzwerkes inklusive aller Netzwerkkomponenten, PCs und Server. Bei all diesen Aufgaben handele es sich grundsätzlich um Dienstverträge. Schon dies spricht dafür, dass – der Natur einer bloßen Rahmenvereinbarung entsprechend – nicht lediglich ein einziger umfassender Service- bzw. Wartungsdauerauftrag erteilt wurde, sondern dass die Erbringung der diversen Aufgaben zur Erreichung des beabsichtigten Vertragszwecks durch konkrete Einzelaufträge zu veranlassen war. Dementsprechend heißt es in § 1 Abs. 3 RV, dass die Aufträge in erster Linie vom Beklagten zu 2) erbracht werden sollten. Spätestens durch Schilderung des Ablaufs des Vertragsschlusses für eine Aufgabe in § 1 Abs. 4 RV, wird klargestellt, dass ein Auftrag erst durch Annahme des Auftraggebers in Textform zustande kommt und diesem dann die jeweils im Rahmenvertrag näher beschriebenen Rahmenbedingungen zugrunde liegen. Ein Kontrahierungszwang für den jeweiligen Auftrag bestehe für keine der Parteien, die somit einen Auftrag ablehnen könnten und bspw. während urlaubsbedingter Abwesenheit nicht zwingend auf eine Anfrage reagieren müssten.
2.1.4. Mangels eines Dauerauftrags zur regelmäßigen Wartung war die Beklagte zu 1) nicht verpflichtet, als Mindeststandards die regelmäßige, mindestens wöchentliche vollständige Datensicherung auf ein vom gesicherten System unabhängiges Sicherungsmedium vorzunehmen und durch ggf. automatisierte Serverüberwachung sowohl den Zustand der Festplatten und der Festplattenspiegelung als auch die Funktionsfähigkeit der Datensicherung zu überprüfen.
Diese Maßnahmen wären aber nach den klaren und eindeutigen Feststellungen des gerichtlich bestellten Sachverständigen in seinem Gutachten vom 17.3.2015 – denen das Gericht vollumfänglich folgt – notwendig gewesen, um den mehrtägigen Serverausfall als Folge des Festplattendefekts zu verhindern. Nach den Ausführungen des Sachverständigen sind nämlich Festplatten dem Verschleiß und damit einem Ausfallrisiko ausgesetzt und können nicht beliebig ausgetauscht werden, da ansonsten essentielle Datenbestände verloren gehen. Deshalb habe sich in der Praxis als Mindeststandard der Einsatz von Festplattenspiegelung und die regelmäßige vollständige Datensicherung etabliert. Am Server der Klagepartei sei zwar sowohl die Festplattenspiegelung als auch eine Datensicherung sowie zur Überwachung der Festplatten das Programm SmartD eingerichtet gewesen. Ob eine regelmäßige Sicherung tatsächlich auch durchgeführt worden sei und an welche Email-Adresse etwaige Fehlerberichte des Programms SmartD gesendet worden seien, sei jedoch nicht feststellbar. Aus den dem Sachverständigen zur Verfügung stehenden Unterlagen gehe nur hervor, dass der Server der Klägerin schon längere Zeit Meldungen bezüglich des Festplattenzustands und des Zustands der Festplattenspiegelung gesendet habe. Im Rahmen einer regelmäßigen Wartung hätten solche Fehlermeldungen überprüft, infolgedessen als erster Schritt ein Selbsttest ausgeführt und ggf. die Festplatte überprüft und ausgetauscht werden müssen, wodurch der Serverausfall vom 8.-11.10.2012 mit hoher Wahrscheinlichkeit hätte vermieden werden können.
Da eine regelmäßige Wartungsverpflichtung sich jedoch – wie oben ausgeführt – aus dem Rahmenvertrag nicht ergibt, war sie von der Beklagten zu 1) im Oktober 2012 auch nicht ohne weiteres zu erbringen. Eine zum Serverausfall führende Rahmenvertragsverletzung der Beklagten zu 1) liegt somit nicht vor.
2.1.5. Die Klagepartei hat aber auch nicht nachgewiesen, der Beklagten einen konkreten Einzelauftrag dahingehend erteilt zu haben, Fehlermeldungen des Programms SmartD als dessen Email-Adressatin entgegenzunehmen und ggf. zu überprüfen oder im Vorfeld des streitgegenständlichen ersten Serverausfalls eine vollständige Datensicherung vorzunehmen.
In den Rechnungen für Oktober 2010 (K 6 bzw. K 9) sind ohne weitere Differenzierung lediglich „IT-Dienstleistungen“ abgerechnet. Die Liste, auf die jeweils verwiesen wird und die u.U. eine Aufschlüsselung er erbrachten Arbeiten erhalten könnte, wurde klägerseits nicht mit vorgelegt.
Die Anlagen K 17-K 19, K 4/K 5, K 30, K 22/23, K 29, K 52/K 53 und K 50, auf die sich die Klagepartei zum Beleg der Einzelauftragerteilung insbesondere bezieht, sind hierfür bereits wegen des fehlenden zeitlichen Zusammenhangs unbehelflich:
Bei der Anlage K 17 handelt es sich um eine Rechnung vom 4.11.2012 für IT-Dienstleistungen im Monat September 2012. Dass hierbei auch Wartung bzw. Wartung Backup abgerechnet wurden, stützt eine entsprechende Auftragserteilung für Oktober 2012 nicht. Auch dass der Beklagte zu 2) im März 2011 die damals durch die Klagepartei erteilte Aufgabe „Backup fehlt“ mit „erledigt“ kommentierte (K 18), sagt nichts über eine Auftragserteilung im Oktober 2012 aus. Das Gleiche gilt für die Email betreffend Backup-Einstellungen im März 2011 (K 19), die Emails vom Januar 2011 (K 4) und vom April 2011 (K 5) betreffend die Installation diverser Backups und des Programms SmartD, die Email vom März 2011 betreffend die Funktionsfähigkeit des Backups (K 30), das Ticket vom September 2012 betreffend eine Fehlermeldung des Backups, dessen Erledigung vom Beklagten zu 2) bestätigt wurde (K 22), die Email vom August 2012 betreffend ein fehlendes Backup bzw. NAS, die der Beklagte zu 2) dahingehend beantwortete, es sei alles in Ordnung, die Migration sei im Gange (K 23), die Email vom August 2011 betreffend die Fehlermeldung des Backups, die der Beklagte zu 2) damit beantwortete, dies sei kein Problem, man könne die Fehlermeldung abschalten (K 29), das Anlagekonvolut K 50 bestehend aus diversen Rechnungen mit Ausnahme der Rechnung für Oktober 2012 und schließlich für die Rechnungen vom August 2010 betreffend Wartungsarbeiten bzw. die Installation/Konfiguration des Backups (K 52/K 53).
Im Gegenteil findet sich in diesen Unterlagen gerade bestätigt, dass die Beklagte zu 1) mit der Durchführung von Arbeiten betreffend Fehlerberichte des Programms SmartD und des Backups – die offenbar durchweg nur an den Geschäftsführer der Klägerin gingen – erst auf dessen Meldung und Beauftragung und nur für den konkreten Fall hin tätig wurde, denn ansonsten hätte sich eine wiederholte Beauftragung insoweit erübrigt.
2.2. Serverausfälle im November und Dezember 2012
Hier kann dahinstehen, ob und ggf. welche konkreten Einzelaufträge die Klagepartei der Beklagten zu 1) im zeitlichen Zusammenhang mit den Serverausfällen vom November und Dezember 2012 erteilt hat.
Denn aufgrund des eingeholten Sachverständigengutachtens ist nicht zur Überzeugung des Gerichts nachgewiesen, dass es eine schuldhafte Schlechterfüllung etwaiger aus einem konkreten Einzelauftrag resultierender Verpflichtungen durch die Beklagte zu 1) war, die die Serverausfälle verursachte.
2.2.1. Nach den Feststellungen des Gutachters … – denen das Gericht auch insoweit folgt – war der Server der Klagepartei nämlich bereits seit dem 12.10.2012 (also im Anschluss an den ersten Serverausfall) als sog. „offener Proxyserver“ konfiguriert, so dass Internetnutzer die Möglichkeit hatten, unter Wahrung ihrer Anonymität Internetseiten über diesen Server abzurufen, während es für die Klagepartei als Nutzer aussah, als bekäme sie Anfragen vom Proxyserver. Die daraus folgende Überlastung des Webservers führte nach den Feststellungen des Sachverständigen dazu, dass dieser nicht mehr erreichbar war und im November 2012 wiederum ausfiel. Es sei möglich, dass die Konfiguration als offener Proxyserver versehentlich im Zuge der Problembehandlung im Oktober 2012 aktiviert worden sei. Es könne jedoch aus den dem Sachverständigen vorliegenden Unterlagen nicht festgestellt werden, wann genau die Konfiguration als offener Proxyserver aktiviert worden sei und wer dafür verantwortlich gewesen sei, da zu diesem Zeitpunkt bereits mehrere Personen Zugriff auf den Server gehabt hätten.
Damit ist eine direkte Verantwortlichkeit der Beklagten zu 1) für den Serverausfall im November 2012 jedenfalls nicht nachgewiesen.
2.2.2. Aber auch die Nichterreichbarkeit der Beklagten zu 1) bzw. des für sie tätigen Beklagten zu 2) – der im Urlaub in … war, so dass ihn die Anfrage des Geschäftsführers der Klägerin erst am 22.11.2012 erreichte – stellt keine zum Schadensersatz führende Pflichtverletzung dar. Denn, wie bereits gezeigt, es bestand gemäß § 1 Abs. 4 RV kein Kontrahierungszwang für den jeweiligen Auftrag, so dass eine Partei berechtigt war, einen Auftrag abzulehnen und nicht verpflichtet war, während urlaubsbedingter Abwesenheit zwingend auf eine Anfrage zu reagieren.
2.2.3. Den klägerseits behaupteten Serverausfall vom Dezember 2012, der von der Beklagten zu 1) in zulässiger Weise gemäß § 138 IV ZPO mit Nichtwissen bestritten werden konnte, da ihr insoweit weder die Darlegungs- und Beweislast obliegt, noch eigene Handlungen und Wahrnehmungen der Beklagten zu 1) betroffen sind, konnte der gerichtliche Sachverständige nicht bestätigen, da er insoweit keinerlei verwertbare Informationen vorgefunden hat.
Damit war auch die Klage gegen die Beklagte zu 1) abzuweisen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO.
IV.
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 709 S. 1, 2 ZPO.