Handels- und Gesellschaftsrecht

Kapitalanlegerentschädigung: Ersatzfähigkeit von Handelsverlusten bei vertragsgemäßer Anlage von Kundengeldern

Aktenzeichen  XI ZR 13/13

Datum:
5.11.2013
Gerichtsart:
BGH
Dokumenttyp:
Urteil
Normen:
§ 1 Abs 4 S 1 EAEG vom 21.06.2002
§ 3 Abs 1 EAEG vom 21.06.2002
§ 4 Abs 1 EAEG vom 21.06.2002
§ 667 BGB
§ 675 Abs 1 BGB
Spruchkörper:
11. Zivilsenat

Leitsatz

Handelsverluste, die im Rahmen der vertragsgemäßen Anlage von Kundengeldern entstanden sind, sind nicht entschädigungsfähig (“Phoenix”).

Verfahrensgang

vorgehend KG Berlin, 23. November 2012, Az: 9 U 118/11vorgehend LG Berlin, 4. November 2011, Az: 35 O 106/11

Tenor

Die Revision der Klägerinnen gegen das Urteil des 9. Zivilsenats des Kammergerichts in Berlin vom 23. November 2012 wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Revisionsverfahrens tragen die Klägerin zu 1) zu 70% und die Klägerin zu 2) zu 30%.
Von Rechts wegen

Tatbestand

1
Die Klägerinnen nehmen die beklagte Entschädigungseinrichtung der Wertpapierhandelsunternehmen auf Entschädigung nach dem Einlagensicherungs- und Anlegerentschädigungsgesetz (im Folgenden: EAEG) in Anspruch. Zwischen den Parteien steht nur noch im Streit, ob die Beklagte von ihr berechnete Handelsverluste in Abzug bringen durfte.
2
Die Klägerin zu 1) beteiligte sich im Juli 1995 und August 2004 mit einem Anlagebetrag von insgesamt 8.590,82 € einschließlich Agio an dem Phoenix Managed Account (im Folgenden: PMA), einer von der Phoenix Kapitaldienst GmbH (im Folgenden: P. GmbH) im eigenen Namen und für gemeinsame Rechnung der Anleger verwalteten Kollektivanlage, deren Gegenstand nach Nummer 1.4 der in den Geschäftsbesorgungsvertrag einbezogenen Allgemeinen Geschäftsbedingungen die Anlage der Kundengelder in “Termingeschäften (Futures und Optionen) für gemeinsame Rechnung zu Spekulationszwecken mit Vorrang von Stillhaltergeschäften” war. Das Konto erhielt die Kundennummer D …5.
3
Im August 1995 beteiligten sich ferner beide Klägerinnen gemeinschaftlich mit einem Anlagebetrag von 5.470,82 € einschließlich Agio an dem PMA (Kundennummer D …1).
4
Die P. GmbH war bis Ende 1997 auf dem sogenannten Grauen Kapitalmarkt tätig. Ab dem 1. Januar 1998 wurde sie als Wertpapierhandelsbank eingestuft und der Aufsicht des Bundesaufsichtsamtes für den Wertpapierhandel unterstellt. Bereits ab Mitte 1993 hatte die P. GmbH begonnen, die für den PMA eingegangenen Verpflichtungen aus den Termingeschäften nicht mehr mit dem aktuellen Marktwert, sondern mit “Null” zu bewerten, um eingetretene Verluste zu verschleiern. Ab 1997 legte die P. GmbH nur noch einen geringen Teil der von ihren Kunden vereinnahmten Gelder vertragsgemäß in Termingeschäften an. Ein Großteil der Gelder wurde im Wege eines “Schneeballsystems” für Zahlungen an Altanleger und für die laufenden Geschäfts- und Betriebskosten verwendet. Auf diese Weise erhielt auch die Klägerin zu 1) zu dem Konto D …5 Auszahlungen über insgesamt 5.090,34 €. Den Anlegern wurden monatliche Kontoauszüge übermittelt, die den tatsächlichen Handelsverlauf nicht widerspiegelten.
5
Im März 2005 untersagte die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht der P. GmbH den weiteren Geschäftsbetrieb und stellte am 15. März 2005 den Entschädigungsfall fest. Am 1. Juli 2005 wurde über das Vermögen der P. GmbH das Insolvenzverfahren eröffnet.
6
Die Beklagte ermittelte auf der Grundlage der von ihr überprüften Berechnungen des Insolvenzverwalters ausgehend vom rekonstruierten, tatsächlichen Handelsverlauf des PMA für jeden Anleger den Verlauf und Endstand seiner Anlage. Für die Konten der Klägerinnen ergaben sich so unter Abzug der Handelsverluste jeweils zum 31. März 2005 für das Konto D …5 ein Endbetrag von 815,27 € und für das Konto D …1 ein Endbetrag von 1.924,83 €.
7
Mit der Klage verlangen die Klägerinnen von der Beklagten die Zahlung von 90% ihrer jeweiligen Anlagesumme ohne Agio nebst Rechtshängigkeits-zinsen, d.h. die Klägerin zu 1) unter Berücksichtigung der Auszahlungen 5.021,14 € und die Klägerin zu 2) 2.300,82 €. Sie meinen, dass die Handelsverluste nicht hätten abgezogen werden dürfen.
8
Das Landgericht hat der Klage in vollem Umfang stattgegeben. Auf die Berufung der Beklagten hat das Berufungsgericht die Klage der Klägerin zu 1) nur in Höhe von 1.599,92 € nebst Zinsen und die Klage der Klägerin zu 2) nur in Höhe von 866,17 € nebst Zinsen für begründet erachtet und sie im Übrigen abgewiesen. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision begehren die Klägerinnen die Wiederherstellung des landgerichtlichen Urteils.

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