Aktenzeichen 21 U 4469/20
BGB § 826
Leitsatz
1. Herstellerin eines Audi A 7 und damit verantwortlich für das Inverkehrbringen des Wagens ist nicht die VW AG, sondern entsprechend der Fahrzeugbezeichnung die Audi AG, der auch die Typgenehmigung erteilt wurde und die den verbauten 3,0 Liter Dieselmotor entwickelt und hergestellt hat. (Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2. Vgl. auch den vorausgegangenen Hinweisbeschluss OLG München BeckRS 2020, 35090. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
72 O 1873/18 2020-06-25 Urt LGINGOLSTADT LG Ingolstadt
Tenor
1. Die Berufung der Klagepartei gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 25.06.2020, Aktenzeichen 72 O 1873/18, wird zurückgewiesen.
2. Die Klagepartei hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das in Ziffer 1 genannte Urteil des Landgerichts Ingolstadt ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 51.832,75 € festgesetzt.
Gründe
I.
Die Parteien streiten um Ansprüche nach dem Kauf eines gebrauchten Audi A 7, in dem ein von der Fa. Audi AG entwickelter und hergestellter 3,0 Liter V6 TDI Dieselmotor eingebaut ist.
Der Kläger ist der Auffassung, dass auch der hier verbaute Motor eine unzulässige Abschalteinrichtung enthalte und die Beklagte die Motorsoftware bezüglich der Schadstoffwerte unzulässig manipuliert habe.
Hinsichtlich der Darstellung des Sach- und Streitstandes wird im Übrigen auf den Tatbestand im angefochtenen Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 25.06.2020 Bezug genommen, § 540 ZPO.
Das Landgericht hat die Klage wegen nicht ausreichender Darlegung zur Passivlegitimation der Beklagten abgewiesen. Dagegen richtet sich die Berufung der Klägerin, die in zweiter Instanz eine Erweiterung der Klage auf die Audi AG vornimmt. Sie trägt vor, es habe bei nahezu allen Fahrzeug-Modellen des VW-Konzerns Gemeinschaftsentwicklungen zwischen VW und Audi gegeben. Die Plattformen mit Antriebseinheiten würden einheitlich entwickelt und später in unterschiedlichen Karosserieformen verbaut. Die wesentlichen Entscheidungen seien gemeinsam getroffen worden. Zudem sei die Beklagte und die Audi AG über einen Gewinnabführungs- und Beherrschungsvertrag verbunden, der vorsehe, dass Entscheidungen und Weisungen der Beklagten auch für die Audi AG Bindungswirkung entfalten. Die Klägerin rügt, dass das Landgericht es rechtsfehlerhaft unterlassen habe, sich mit den Argumenten zur übergeordneten Entscheidungsmacht der Beklagten als Konzernmutter auseinanderzusetzen, so dass der Anspruch der Klägerin auf rechtliches Gehör verletzt worden sei. Im Einzelnen wird auf die Berufungsbegründung, Schriftsatz vom 07.09.2020, Bl. 275 ff. d.A., Bezug genommen.
Im Berufungsverfahren beantragt die Klägerin, unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Ingolstadt, Az: 72 O 1873/18, verkündet am 25.06.2020 und zugestellt am 06.07.2020, zu erkennen:
1. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an die Klagepartei 51.832,75 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.10.2018 abzüglich einer noch zu beziffernden Nutzungsentschädigung, Zug um Zug gegen Rückgabe und Übereignung des Fahrzeugs Audi A7 Sportback 3.0 TDI mit der Fahrgestellnummer …13, zu zahlen.
2. Es wird festgestellt, dass sich die Beklagten seit dem 10.10.2018 mit der Rücknahme des im Klageantrag zu 1. bezeichneten Fahrzeugs in Annahmeverzug befinden.
3. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in Höhe von 2.399,99 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 10.10.2018 zu zahlen.
Hilfsweise:
4. Das Urteil des Landgerichts Ingolstadt, Az. 72 O 1873/18, verkündet am 25.06.2020 und zugestellt am 06.07.2020, wird aufgehoben und zur erneuten Verhandlung an das Landgericht zurückverwiesen.
Hilfsweise:
5. Die Revision wird zugelassen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat mit Beschluss vom 23.09.2020 darauf hingewiesen, dass er beabsichtigt, die Berufung der Klägerin durch einstimmigen Beschluss gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen und Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben.
Die Klägerin hat daraufhin mit Schriftsatz vom 26.10.2020, Bl. 297 ff. d.A., an ihrem Begehren festgehalten und darauf verwiesen, dass eine Haftung nach § 826 BGB nicht nur den Motorenhersteller, sondern auch den Fahrzeughersteller für das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit unzulässiger Abschalteinrichtung treffe, auch wenn der Motor weder (mit-) entwickelt noch hergestellt worden sei. Diesbezüglich verweist die Klagepartei auf diverse Urteile. Die Klagepartei macht zudem geltend, dass ein von der Klagepartei eingelegter Tatbestandsberichtigungsantrag vom Landgericht rechtsfehlerhaft zurückgewiesen worden sei, weshalb dagegen die sofortige Beschwerde eingelegt worden sei. Das Landgericht habe offensichtlich einen Schriftsatz der Klagepartei vom 11.07.2019 nicht erhalten, worauf aber hätte hingewiesen werden müssen, weil eine Frist zur Replik gesetzt worden ist. Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird auf den Schriftsatz der Klagepartei vom 26.10.2020 Bezug genommen.
II.
Die Berufung gegen das Urteil des Landgerichts Ingolstadt vom 25.06.2020, Aktenzeichen 72 O 1873/18, ist gemäß § 522 Abs. 2 ZPO zurückzuweisen, weil nach einstimmiger Auffassung des Senats das Rechtsmittel offensichtlich keine Aussicht auf Erfolg hat, der Rechtssache auch keine grundsätzliche Bedeutung zukommt, weder die Fortbildung des Rechts noch die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Berufungsgerichts erfordert und die Durchführung einer mündlichen Verhandlung über die Berufung nicht geboten ist.
Das Landgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Zur Begründung wird auf das landgerichtliche Urteil sowie den vorausgegangenen Hinweis des Senats Bezug genommen, an dem der Senat auch unter Berücksichtigung der neuen Ausführungen der Klagepartei im Schriftsatz vom 26.10.2020 weiter festhält. Richterin am Oberlandesgericht G., die an dem Beschluss des Senats vom 23.09.2020 nicht mitgewirkt hat, tritt dem Hinweisbeschluss in vollem Umfang bei.
Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen:
1. Der Senat hat zur Kenntnis genommen, dass die Klägerin gegen den Beschluss des Landgerichts vom 11.09.2020, mit dem der Antrag auf Berichtigung des Endurteils vom 04.06.2020 zurückgewiesen worden ist, sofortige Beschwerde eingelegt hat. Diese ist allerdings nicht statthaft, § 319 Abs. 3 S. 1 Hs. 1 ZPO.
Unabhängig davon ist festzustellen, dass ein Schriftsatz der Klagepartei vom 11.07.2019 nicht zur Akte gelangt ist. Weder findet sich in den Akten des Landgerichts der besagte Schriftsatz noch wurde er von der Klagepartei im Berufungsverfahren vorgelegt. Damit konnte weder das Landgericht noch der Senat dessen (unbekannten) Inhalt berücksichtigen.
Anders als die Klägerin meint, hat das Landgericht hier auch nicht das rechtliche Gehör der Klagepartei verletzt, weil das Gericht nicht wissen kann, ob von der Möglichkeit einer Stellungnahme innerhalb eingeräumter Frist Gebrauch gemacht wird oder nicht. Dass innerhalb der gesetzten Replikfrist kein Eingang eines Schriftsatzes zu verzeichnen war, musste das Gericht nicht zum Anlass nehmen, bei der Klagepartei nachzufragen, ob eine Stellungnahme verfasst, aber nicht zur Akte gelangt ist. Gerichtsbekannt passiert es immer wieder, dass von der Möglichkeit einer Stellungnahme bewusst kein Gebrauch gemacht wird. Abgesehen davon gehört es zur Darlegung der Verletzung des rechtlichen Gehörs, mitzuteilen, was die Klagepartei bei Erteilung des Hinweises vorgetragen hätte und weshalb dann die Entscheidung anders ausgefallen wäre. Dies ist bis heute nicht erfolgt.
2. Soweit die Klagepartei auf diverse Urteile verweist, wonach neben dem Motorenhersteller auch der Fahrzeughersteller für das Inverkehrbringen eines Fahrzeugs mit einer unzulässigen Abschalteinrichtung zu Schadensersatz verurteilt worden ist, obwohl letzterer den Motor nicht entwickelt oder hergestellt hat, verkennt die Klagepartei, dass die Fallkonstellationen sich unterscheiden. Denn in allen zitierten Fällen (insbesondere auch allen vom Senat entschiedenen Fällen) war die dortige Beklagte entweder Herstellerin des Fahrzeugs oder sie war Entwicklerin des Motors bzw. der Technik. Beides ist hier nicht der Fall. Vorliegend hat die Beklagte sowohl die Herstellung des Fahrzeugs bestritten als auch in Abrede gestellt, den Motor bzw. die strittige Technik entwickelt, hergestellt oder in den Verkehr gebracht zu haben. Die Beklagte hat weiterhin darauf verwiesen, dass sie an dem Zulassungsverfahren, insbesondere der Beantragung der EG-Typgenehmigung nicht beteiligt war.
Bei dem streitgegenständlichen Fahrzeug handelt es sich um einen Audi A 7, mithin um einen Wagen, der zur Produktpalette der Audi AG und nicht der VW-AG gehört. Herstellerin des Fahrzeugs und damit verantwortlich für das Inverkehrbringen des Wagens ist zweifelsfrei nicht die Beklagte, sondern entsprechend der Fahrzeugbezeichnung die Audi AG. Die von der Klagepartei selbst vorgelegte Zulassungsbescheinigung (Anlage K 21) weist die Audi AG als das Unternehmen aus, der die Typgenehmigung erteilt wurde.
Wie im Hinweisbeschluss dargelegt, hat die Klagepartei zur strittigen Frage der Passivlegitimation (siehe auch Hinweis des Landgerichts bei der Ladung, Bl. 136 d.A.) weder in 1. Instanz noch in der Berufung hinreichende Umstände vorgetragen und unter Beweis gestellt, aus denen der Schluss auf eine haftungsrechtliche Verantwortung der Beklagten für die Ausstattung des streitgegenständlichen Fahrzeugs mit einer – behaupteten – unzulässigen Technik gezogen werden kann. Zweifel an den Feststellungen im unstreitigen Tatbestand, wonach in dem Fahrzeug ein von der Firma Audi AG entwickelter und hergestellter 3,0 Liter Dieselmotor verbaut ist, ergeben sich damit nicht.
3. Wie bereits im Hinweisbeschluss des Senats ausgeführt, hindert die in zweiter Instanz von der Klagepartei erfolgte Klageerweiterung auf die Audi AG eine Entscheidung durch Beschluss nach § 522 Abs. 2 ZPO nicht. Die Parteierweiterung verliert ihre Wirkung, wenn die Berufung durch einstimmigen Beschluss zurückgewiesen wird, vgl. BGH, Beschluss vom 06.11.2014, Az. IX ZR 204/13. Von einer Zustellung der Klageerweiterung an die Audi AG hat der Senat deshalb abgesehen.
III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 97 Abs. 1 ZPO.
Die Feststellung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit des angefochtenen Urteils erfolgte gemäß §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wurde in Anwendung der §§ 47, 48 GKG, 3 ZPO bestimmt.