Handels- und Gesellschaftsrecht

Keine Schriftsatzfrist bei mehrmonatiger Gelegenheit zur Stellungnahme auf gerichtlichen Hinweis

Aktenzeichen  12 O 613/08

Datum:
21.11.2017
Fundstelle:
BeckRS – 2017, 153153
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Weiden
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 139 Abs. 5

 

Leitsatz

Der Partei ist keine weitere Schriftsatzfrist gem. § 139 Abs. 5 ZPO zu bewilligen, wenn sie mehr als vier Monate Zeit hatte, zu gerichtlichen Hinweisen weiter vorzutragen, dies jedoch ohne die Angabe von Gründen unterließ. (Rn. 23) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Das Versäumnisurteil vom 13.01.2012 bleibt aufrechterhalten.
2. Die Klägerin trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die Klage war teilweise als unzulässig und teilweise als unbegründet abzuweisen, so dass das am 13.01.2012 ergangene Versäumnisurteil, in dem die Klage umfassend abgewiesen wurde, im vollen Umfange aufrecht zu erhalten war.
1. Zulässigkeit der Klage
a) Unzulässigkeit des Feststellungsantrages (Ziffer 2)
Zwischen den Parteien war unter anderem bereits bei dem Landgericht Weiden, Az. 12 O 617/07, ein Verfahren anhängig, in welchem auch bereits ein Urteil am 01.12.2008, in diesem Punkt auch rechtskräftig, ergangen ist, wobei festgestellt wurde, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin sämtlichen materiellen und immateriellen Schaden aus dem Unfall vom 11.05.2005 zu ersetzten. Davon mit umfasst ist auch der hier geltend gemachte Erwerbsausfallschaden, worauf das Gericht bereits im ersten Termin am 13.01.2012 hinwies, vgl. Bl. 71. Damit war dieser Antrag aufgrund eines bereits vorliegenden rechtskräftigen Titels der Klägerin als unzulässig abzuweisen.
b) Entscheidung nach Lage der Akten gem. § 331 a ZPO.
Eine Entscheidung nach Lage der Akten war auf Antrag der Beklagtenpartei im Termin am 23.10.2017 gem. §§ 331 a, 251 a Abs. 2 ZPO zulässig.
In dieser Instanz wurde – ohne dass es dabei im Rahmen des § 331 a ZPO darauf ankäme – bereits mehrfach vor der Rechtsmitteleinlegung durch die Klägerin verhandelt. Eine frühere Verhandlung vor einer Rückverweisung durch das Berufungsgericht stellt dabei eine frühere Verhandlung zur Sache dar, da das Verfahren vor und nach der Zurückverweisung eine Einheit darstellt und die frühere mündlichen Verhandlung dabei fortwirkt, vgl. Stackmann in: Münchener Kommentar zur ZPO, 5. Auflage 2016, § 251 a, Rn. 16.
Die Klägerin ist zum Termin am 23.10.2017 zwar erschienen, hat aber durch ihren Vertreter keine Anträge stellen lassen, so dass von einem Nichtverhandeln im Sinne des § 333 ZPO auszugehen war.
Der Sachverhalt erscheint zur Überzeugung des Gerichts für eine Entscheidung nach Aktenlage auch hinreichend geklärt, nachdem bereits umfangreich vor dem Landgericht als auch vor dem Oberlandesgericht Nürnberg verhandelt wurde und die Klägerin umfangreich Gelegenheit hatte, zur Sache vorzutragen.
Insbesondere sah sich die Klägerin trotz des ergangenen dezidierten gerichtlichen Hinweises im Endurteil des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 07.06.2017 nicht veranlasst, in dem sie auch sehr detailliert auf die noch erläuterungs- und ergänzungsbedürftigen Teile ihres Klagevorbringens durch das Oberlandesgericht, was lediglich die Höhe der Klageforderung betrifft, hingewiesen wurde, weiter zur Sache vorzutragen. Erst im Termin am 23.10.2017 beantragte der Klägervertreter die Einräumung einer Schriftsatzfrist im Hinblick auf die gerichtlichen Hinweise. Die Klägerin hatte bislang mehr als 4 Monate Zeit, hierzu detailliert vorzutragen, was sie bisher ohne Angabe von Gründen unterließ. Es ist zur Überzeugung des Gerichts im Hinblick auf die hinreichende Gewährung des rechtlichen Gehörs der Klägerin nicht erforderlich, dass das Landgericht sich ausdrücklich diese Rechtsausführungen des zuständigen Berufungsgerichts zu eigen macht, wenngleich das Gericht dabei nicht verkannte, dass es an die Rechtsauffassung des Oberlandesgerichts grundsätzlich nicht gebunden ist und im Rahmen der richterlichen Unabhängigkeit (zur Fortbildung des Rechts) davon auch abweichen könnte. Allerdings ist insoweit zu sehen, dass es zu einer reinen Farce verkommen würde, wenn man fordern würde, dass das Erstgericht die Hinweise des Berufungsgerichts in der mündlichen Verhandlung oder im Rahmen eines (weiteren) Hinweisbeschlusses erneut wiedergeben müsste. Ein ausdrücklicher Hinweis wäre nach der Rechtsauffassung des Gerichts nur dann erforderlich, wenn das Erstgericht im Rahmen seiner richterlichen Unabhängigkeit von der Rechtsansicht des Berufungsgerichts abweichen wollte, was jedoch nicht der Fall ist, da die sehr umfangreichen und sehr ausführlich begründeten, zutreffenden Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Erforderlichkeit des weiteren Sachvortrages bzw. der Erläuterung des erfolgten Sachvortrages das Erstgericht überzeugen. Umgekehrt ist nach der Rechtsauffassung des Gerichts kein ausdrücklicher weiterer Hinweis mehr erforderlich, der Rechtsansicht des Berufungsgerichts auch zu folgen, da dies in Anerkennung des Instanzenzuges und des damit einhergehenden hierarchischen Verhältnisses auch der Regelfall ist.
Vor diesem Hintergrund erschien der Sachverhalt für eine Entscheidung nach Lage der Akten nach § 331 a ZPO auch hinreichend geklärt, so dass die Entscheidung nach § 331 a ZPO zulässig war.
2. Begründetheit der Klage
Die Klägerin hat ihren Anspruch auf Schadensersatz in Form des betrieblichen Erwerbsausfallschadens nicht hinreichend substantiiert vorgetragen, worauf sie im Rahmen des Endurteils des Oberlandesgerichts Nürnberg vom 07.06.2017 (vgl. Bl. 448 ff.) ausdrücklich gem. § 139 Abs. 1 S. 2 bzw. Abs. 2 ZPO hingewiesen wurde. Insoweit wird umfassend Bezug genommen auf die rechtlichen Ausführungen des Oberlandesgerichts im Urteil vom 07.06.2017, dort insbesondere Seite 8 bis 17 (Bl. 448 ff. d.A.).
Der Klägerin war insoweit entsprechend ihres Antrags im Termin am 23.10.2017 keine weitere Schriftsatzfrist gem. § 139 Abs. 5 ZPO mehr zu bewilligen, da sie bereits mehr als vier Monate Zeit hatte, zu den gerichtlichen Hinweisen des Oberlandesgerichts Nürnberg im Rahmen des Urteils vom 07.06.2017 weiter vorzutragen, was sie jedoch ohne die Angabe von Gründen unterließ.
Schon aus Gründen der anwaltlichen Vorsicht, wäre es geboten gewesen, weiter entsprechend den Ausführungen des Oberlandesgerichts zur Sache vorzutragen, zumal das Erstgericht nicht darauf hinwies, dass es gedenkt von der Rechtsansicht des Berufungsgerichts abzuweichen.
Der Klagepartei war durch den erteilten Hinweis des Oberlandesgerichts der noch zu erörternde rechtliche Gesichtspunkt ausreichend zur Kenntnis gebracht worden. Grundsätzlich hätte die Klägerin vor diesem Hintergrund auch zeitlich hinreichend Gelegenheit gehabt, diesen Hinweis aufzugreifen und weiter zur Sache vorzutragen. Die Klagepartei hatte damit im ausreichenden Maße Gelegenheit zum rechtlichen Gehör.
Stattdessen hat sich die Tätigkeit der Klägerin bzw. des Klägervertreters über einen Zeitraum von über 4 Monaten im Nichtstun erschöpft. Ob und inwieweit darin möglicherweise eine Pflichtverletzung des anwaltlichen Geschäftsbesorgungsvertrag zu sehen ist, braucht hier nicht erörtert zu werden.
Nach § 139 Abs. 5 ZPO ist einer Partei, die sich zu einem gerichtlichen Hinweis nicht sofort erklären kann, auf ihren Antrag hin Schriftsatzfrist zu bewilligen. Vorliegend wurde der gerichtliche Hinweis jedoch bereits ca. 4 Monate vor der mündlichen Verhandlung erteilt. Der Klagepartei wäre es ohne weiteres möglich gewesen, sich vor der mündlichen Verhandlung hierzu zu erklären, gerade vor dem Hintergrund, dass gerade kein Hinweis des Gerichts weder im Vorfeld der Verhandlung noch in der Verhandlung selbst erfolgte, dass es von der Rechtsansicht des Oberlandesgerichts abweichen will.
Der Klägerin steht, wie bereits im Verfahren des Landgerichts Weiden, Az. 12 O 617/07, rechtskräftig festgestellt wurde, dem Grunde nach ein Schadensersatzanspruch gegenüber der Beklagten zu.
Der im hier vorliegenden Verfahren geltend gemachte Erwerbsausfallschaden wurde durch die Klagepartei nicht hinreichend substantiiert geltend gemacht, so dass die Klage deshalb, nach dem hierzu sehr ausführlich ergangenen Hinweis, nach der Gewährung rechtlichen Gehörs, aufgrund nicht weiter erfolgten Sachvortrages abzuweisen war.
3. Kostenentscheidung
Der Klägerin waren gem. § 91 Abs. 1 ZPO die weiteren Kosten aufzuerlegen.
4. Vorläufige Vollstreckbarkeit
Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit basiert auf § 708 Nr. 2 ZPO.

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