Aktenzeichen 12 W 1819/16
Leitsatz
1. Eine Verfahrensunterbrechung nach Insolvenzeröffnung tritt nur für diejenigen Verfahren ein, die das vom Insolvenzverfahren erfasste Vermögen betreffen und im Zeitpunkt der Insolvenzeröffnung schon begonnen haben, aber noch nicht beendet sind. (Rn. 17, 23) (redaktioneller Leitsatz)
2. Die analoge Anwendung des § 240 ZPO auf Kostenfestsetzungsverfahren, die der Insolvenzverwalter nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens als Partei kraft Amtes initiiert, kommt nicht in Betracht. (Rn. 26) (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
2 HK O 292/15 2016-06-20 Bes LGNUERNBERGFUERTH LG Nürnberg-Fürth
Tenor
1. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.06.2016, Az. 2 HK O 292/15, aufgehoben und die Sache an das Landgericht Nürnberg-Fürth zur erneuten Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten vom 18.01.2016 zurückverwiesen.
2. Der Gegenstandswert wird auf 299 EUR festgesetzt.
Gründe
I.
Die Beschwerde des Beklagten rügt die fehlerhafte Feststellung der Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens in entsprechender Anwendung von § 240 ZPO in dem Beschluss des Landgerichts Nürnberg-Fürth vom 20.06.2016 (Bl. 103 f. d. A.).
Dem liegt folgender Sachverhalt zu Grunde:
Die Klägerin erhob vor dem Landgericht Nürnberg-Fürth gegen die Metallbau Regel GmbH eine Klage, mit der sie eine Kaufpreisforderung geltend gemacht hat. Nach Klageerhebung wurde mit Beschluss des Amtsgerichts – Insolvenzgericht – Nürnberg vom 01.03.2015 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Metallbau Regel GmbH eröffnet und der Beklagte zum Insolvenzverwalter bestellt. Die Klägerin meldete daraufhin ihre Forderung zur Insolvenztabelle an. Der Beklagte stellte diese in voller Höhe zur Tabelle fest. Mit Schriftsatz vom 25.06.2015 beantragte die Klägerin aufgrund der Erledigung der Hauptsache, eine Kostenentscheidung zu erlassen. Das Landgericht Nürnberg-Fürth erlegte mit Beschluss vom 14.08.2015 die Kosten des Rechtsstreits dem Beklagten auf. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten vom 16.09.2015 hob der Senat am 01.12.2015 den Beschluss auf und wies den Antrag der Klägerin, eine Kostenentscheidung nach § 91a ZPO zu erlassen, aufgrund der fortbestehenden Verfahrensunterbrechung zurück. Nachfolgend setzte das Landgericht Nürnberg-Fürth mit Beschluss vom 12.01.2016 den Streitwert auf 9.674,35 EUR fest. Dagegen legte die Klägerin unter dem 19.01.2016 Beschwerde mit der Begründung ein, der Streitwert sei nun nur noch nach dem Wert einer Kostenentscheidung gemäß § 91a ZPO festzusetzen gewesen. Durch Beschluss vom 16.03.2016 wies der Senat die Beschwerde der Klägerin zurück.
Nunmehr hat der Beklagte die Kostenfestsetzung für das Beschwerdeverfahren – die Kostenentscheidung nach § 91a ZPO betreffend – entsprechend seinem Antrag vom 18.01.2016 begehrt.
Unter dem 08.04.2016 hat das Landgericht dem Beklagten mitgeteilt, dass im Hinblick auf das laufende Insolvenzverfahren bezüglich des Vermögens der Beklagten auch das Kostenfestsetzungsverfahren in entsprechender Anwendung von § 240 ZPO unterbrochen sei. Es werde daher die Rücknahme des Kostenfestsetzungsantrages vom 18.01.2016 angeregt (vgl. Bl. 91 d. A.).
Mit Schriftsatz vom 26.04.2016 hat der Beklagte an seinem Kostenfestsetzungsantrag ausdrücklich festgehalten (Bl. 92 f. d. A.).
Mit Beschluss vom 20.06.2016 hat das Landgericht Nürnberg-Fürth festgestellt, dass das Kostenfestsetzungsverfahren in entsprechender Anwendung von § 240 ZPO unterbrochen ist (vgl. Bl. 103 f. d. A.).
Gegen diesen am 23.06.2016 zugestellten Beschluss hat der Prozessvertreter des Beklagten mit Schriftsatz vom 30.06.2016 sofortige Beschwerde eingelegt (Bl. 106 ff. d. A.).
Mit Beschluss vom 31.08.2016 (Bl. 120 f. d. A.), auf den Bezug genommen wird, hat das Landgericht Nürnberg-Fürth der sofortigen Beschwerde des Beklagten nicht abgeholfen.
II.
Die gemäß § 104 Abs. 3 ZPO i. V. m. §§ 240, 252, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO statthafte und auch sonst zulässige sofortige Beschwerde des Beklagten ist begründet. Der angefochtene Beschluss über die Feststellung der Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens ist aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten vom 18.01.2016 an das Landgericht Nürnberg-Fürth zurückzuverweisen.
1. Die sofortige Beschwerde der Beklagten ist statthaft und auch im Übrigen zulässig.
Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist form- und fristgerecht gemäß § 569 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 ZPO eingelegt worden. Sie ist zudem statthaft gemäß § 104 Abs. 3 ZPO i. V. m. §§ 240, 252, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO. Überdies übersteigt der Wert des Beschwerdeverfahrens 200 EUR.
2. Die sofortige Beschwerde des Beklagten ist begründet.
Das Landgericht Nürnberg-Fürth hat rechtsfehlerhaft die Feststellung getroffen, dass das Kostenfestsetzungsverfahren in entsprechender Anwendung von § 240 ZPO unterbrochen ist.
a) Noch zutreffend hat das Landgericht ausgeführt, dass auf Grund eines nach Klageerhebung eröffneten Insolvenzverfahrens nicht nur das streitige Verfahren, sondern auch das Kostenfestsetzungsverfahren unterbrochen sein kann (vgl. BGH, Beschluss vom 15.05.2012 – VIII ZB 79/11, NZI 2012, 625).
b) Allerdings hat das Landgericht vorliegend nicht hinreichend berücksichtigt, dass die weiteren Voraussetzungen gemäß § 240 ZPO nicht gegeben sind.
aa) Eine Unterbrechung tritt nur für diejenigen Verfahren ein, die das von dem Insolvenzverfahren erfasste Vermögen betreffen.
Bereits hieran fehlt es vorliegend.
Streitgegenständlich sind die Kostenerstattungsansprüche des Beklagten aufgrund der Kostengrundentscheidung – das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO betreffend – in dem Beschluss des Senats vom 01.12.2015.
Das Vermögen der ehemaligen Beklagten und jetzigen Insolvenzschuldnerin wird durch diese Entscheidung nicht betroffen, denn Parteien des Beschwerdeverfahrens waren die Klägerin und der Beklagte, nicht aber die Insolvenzschuldnerin.
Der Kostenerstattungsanspruch des Beklagten hat zu dem Vermögen der Insolvenzschuldnerin weder unmittelbaren noch mittelbaren Bezug.
bb) Weiterhin waren in dem, dem Kostenfestsetzungsverfahren zugrundeliegenden Beschwerdeverfahren – nur – die Klägerin und der Beklagte als Parteien beteiligt. Über das Vermögen dieser Parteien war ein Insolvenzverfahren jedoch nicht eröffnet worden.
cc) Die Anwendung des § 240 ZPO erstreckt und beschränkt sich zudem auf Verfahren, die schon begonnen haben und noch nicht beendet sind (MüKo/ZPO-Stackmann, 5. Aufl., § 240 Rn. 6). Auch diese Voraussetzung liegt für das Beschwerdeverfahren nicht vor.
dd) Das Kostenfestsetzungsverfahren ist somit mangels Vorliegen der Voraussetzungen gemäß § 240 ZPO nicht unterbrochen.
c) Entgegen der Auffassung des Landgerichts ist das Kostenfestsetzungsverfahren auch nicht in entsprechender Anwendung des § 240 ZPO unterbrochen.
Die vorliegende Sachverhaltskonstellation, dass der Insolvenzverwalter selbst ein Verfahren als Partei kraft Amtes führt (nämlich das Beschwerdeverfahren hinsichtlich der Kostenentscheidung nach § 91a ZPO betreffend) und im Rahmen dieses Verfahrens eine Kostengrundentscheidung ergeht, aufgrund derer die Durchführung eines Kostenfestsetzungsverfahrens beantragt wird, ist mit den Konstellationen, die sonst einer Unterbrechung gemäß § 240 ZPO zugrundeliegen, nicht vergleichbar.
Darüber hinaus erachtet es der Senat als zutreffend, dass aus dem Umstand, dass der Beklagte gegen den Beschluss des Landgerichts vom 14.08.2015 zulässigerweise sofortige Beschwerde hat einlegen können und hierdurch eine für ihn positive Kostengrundentscheidung hat erstreiten können, dem Beklagten auch die Geltendmachung des hierauf basierenden Kostenfestsetzungsantrages möglich sein muss.
d) Die sofortige Beschwerde des Beklagten hat somit Erfolg.
Der angefochtene Beschluss über die Feststellung der Unterbrechung des Kostenfestsetzungsverfahrens war daher aufzuheben und die Sache zur erneuten Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten vom 18.01.2016 an das Landgericht zurückzuverweisen.
III.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst (vgl. BGH, Beschluss vom 12.12.2005 – II ZB 30/04, NJW-RR 2006, 1289, 1290).
IV.
Der festgesetzte Gegenstandswert entspricht dem mit dem Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten vom 18.01.2016 geltend gemachten Betrag.
V.
Die Voraussetzungen des § 574 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor, so dass die Rechtsbeschwerde nicht zuzulassen war.
Röhl Richter am Oberlandesgericht
OberlandesgerichtNürnberg
Nürnberg, 07.09.2016
12 W 1819/16 Verfügung
1. Beschluss vom 07.09.2016 hinausgeben an:
Prozessbevollmächtigte der Beschwerdegegnerin Belwe Jasmin
formlos
Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers MHBK Müller-Heydenreich, Bierbach & Kollegen
formlos
2. Schlussbehandlung.
3. Mit den Akten zurück an das Landgericht Nürnberg-Fürth zur erneuten Entscheidung über den Kostenfestsetzungsantrag des Beklagten vom 18.01.2016.
Röhl Richter am Oberlandesgericht