Aktenzeichen 6 O 3637/16
BGB BGB § 143 Abs. 1, § 242
Leitsatz
1 Die Nichtigkeit eines Anwaltsvertrages führt nicht zur Unwirksamkeit der Prozesshandlungen des beauftragten Rechtsanwalts (Anschluss an BGH NJW-RR 2010, 67). (Rn. 33) (redaktioneller Leitsatz)
2 Bei der Anfechtung von Erklärungen, die gesellschaftsrechtliche Verhältnisse betreffen, ist die Anfechtung nach § 143 Abs. 1 BGB gegenüber allen Vertragsparteien zu erklären. (Rn. 35) (redaktioneller Leitsatz)
3 Eine Vertragspartei, die selbst aktiv eine Loslösung von einer Gesellschaft betrieben hat, kann sich im Rechtsstreit gemäß § 242 BGB nicht darauf berufen, dass ihre Kündigungserklärung aus formalen Gründen nicht wirksam ist, wenn sie im Rechtsstreit weiterhin die grundsätzliche Berechtigung der Kündigung behauptet. (Rn. 37) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
I. Es wird festgestellt, dass die Beklagten am 19.08.2015 aus der Partnerschaftsgesellschaft … Patentanwälte Partnerschaft (AG München, PR 1236) ausgeschieden sind.
II. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
III. Von den Kosten des Rechtsstreits haben die Kläger nach Kopfanteilen insgesamt 20 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 80 % zu tragen.
IV. Das Urteil ist für die Parteien im Kostenpunkt gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags vorläufig vollstreckbar.
Beschluss
Der Streitwert wird auf 400.000,00 € festgesetzt.
Gründe
Die zulässige Klage ist im Hauptantrag erfolglos, da die Anfechtungserklärung nicht gegenüber allen Empfängern dieser Erklärung erfolgt ist, aber im Hilfsantrag 1 erfolgreich. Über den Hilfsantrag 2 war daher nicht zu entscheiden.
1. Die Klage ist zulässig.
a) Es waren nicht die Kläger, die sich der Durchführung des gemäß § 17 des Gesellschaftsvertrags vorzuschaltenden Schlichtung entzogen haben, sondern die Beklagten. Es kann insoweit dahingestellt bleiben, ob die Beklagten zu Recht Vorbehalte gegen Herrn Prof. Dr. … als Schlichter hatten, denn die Beklagten haben selbst zu keinem Zeitpunkt einen anderen Schlichter benannt, trotz entsprechender Aufforderung der Kläger. Unter diesen Umständen können sie sich gemäß § 242 BGB nicht darauf berufen, es habe nur ein unzureichendes Schlichtungsverfahren gegeben.
b) Es liegt keine doppelte Rechtshängigkeit im Verhältnis zum Verfahren 10 O 22803/15 vor, weil es dort um eine Änderung des Innengesellschaftsvertrags zum … München geht, hier aber um das Ausscheiden der Beklagten aus der (übergeordneten) Partnerschaft.
c) Das Rechtsschutzinteresse der Kläger ist durch die neuerliche Kündigung der Beklagten zum 31.05.2016 nicht entfallen, da für den Zeitpunkt des Ausscheidens der Beklagten aus der … Partnerschaft eine Ausscheidensbilanz erstellt werden muss und sich aus der Festlegung des Datums des Ausscheidens die Zuordnung der wirtschaftlichen Verhältnisse für den Zeitraum zwischen dem 07.08.2015 und dem 31.05.2016 bestimmt. Die Feststellung des Datums, zu dem die Beklagten ausgeschieden sind, ist daher weiterhin von Relevanz.
d) Die Kläger sind auch hinreichend vertreten. Eine Ausschließung der Rechtsanwälte … nach § 79 Abs. 3 Satz 1 ZPO kam schon vom Wortlaut her nicht in Betracht. Eine etwaige Nichtigkeit des Anwaltsvertrags berührt lediglich die gebührenrechtliche Seite des Mandatsverhältnisses, ändert aber an der Wirksamkeit der Prozesshandlungen der beauftragten Anwälte nichts (BGH, Urteil vom 14.05.2009 – IX ZR 60/08). Diese Trennung von Wirksamkeit der Prozesshandlungen und Wirksamkeit der Gebührenseite ist erforderlich, um nicht etwa Jahre später – nach etwaiger Aufdeckung solcher Nichtigkeitsgründe – rechtskräftig abgeschlossene Verfahren neu aufgreifen zu müssen.
2. Die Klage ist im Hauptantrag nicht begründet.
Die Beklagten haben mit Schreiben vom 03.08.2015 ihre Erklärungen zum Verschmelzungsvertrag vom 23.07.2013 gegenüber dem Kläger zu 1 und der Klägerin zu 2 angefochten, nicht jedoch gegenüber den Klägern zu 3 und zu 4, die gleichfalls Vertragspartner dieses Verschmelzungsvertrags waren. Bei der Anfechtung, die gesellschaftsrechtliche Verhältnisse betrifft, ist die Anfechtung jedoch gegenüber allen Vertragspartnern im Sinne des § 143 Abs. 1 BGB abzugeben (BGH, Urteil vom 23.02.1976 – II ZR 177/74, zitiert nach juris, dort Rn. 27). Es kann daher dahinstehen, ob den Beklagten, wie sie auch jetzt nachdrücklich ausführen, ein Anfechtungsgrund zustand, da die Anfechtung des Partnerschaftsvertrags alleine aus diesem Grund unwirksam ist. Die Beklagten, die ausweislich ihrer Klage im Verfahren 10 O 22803/15 und den Erörterungen in diesem Rechtsstreit, nicht hinreichend zwischen dem Vertrag über die Errichtung der Innengesellschaft … München und dem Verschmelzungs- und Partnerschaftsvertrag differenzieren, waren bei Abgabe der Anfechtungserklärung erkennbar der Meinung, sie könnten alleine dadurch die von ihnen eingebrachte Patentanwaltskanzlei mit Wirkung ex tunc (zum Zeitpunkt der Verschmelzung) aus der Verbindung mit den anderen Parteien herauslösen und wieder getrennt agieren.
3. Die Klage ist im Hilfsantrag 1 begründet.
a) Die Beklagten haben jedoch hilfsweise außerordentlich gekündigt. Diese Kündigungserklärung ist zunächst nicht, wie an sich gemäß dem Gesellschaftsvertrag erforderlich, gegenüber allen anderen Partnern der Partnerschaft und gegenüber der Gesellschaft selbst erklärt worden. Jedoch haben alle anderen Partner der Partnerschaft ausweislich der E-Mail der Klägerin zu 2 (Anlage K 6) vom 19.08.2015 und der folgenden Antwort des Beklagten zu 1 (Anlage K 9), der ausweislich des Textes dabei für beide Beklagte geschrieben hat, Kenntnis von der Kündigungserklärung erlangt und diese gebilligt. Die Kläger zu 3 und 4 hatten von der beabsichtigten Anfechtung und Kündigung darüber hinaus schon durch die Übersendung des Vorabentwurfs gemäß Anlage K 24 Kenntnis. Die Partnerschaft selbst ist durch ihre zur Vertretung befugten Partner, ihre Organe, hinreichend informiert worden. Die Dokumentation dieser Billigung erfolgt jedenfalls durch die gemeinsame Prozessführung der Kläger, die sich genau auf das Ausscheiden der beiden Beklagten stützt.
b) Jedenfalls wären die Beklagten, die selbst aktiv eine Loslösung von der Partnerschaft betrieben haben, nun im Rechtsstreit gemäß § 242 BGB daran gehindert, die Unwirksamkeit ihrer eigenen Erklärungen aus formalen Gründen zu behaupten, da sie sogar noch in diesem Rechtsstreit die grundsätzliche Berechtigung ihrer Anfechtung behaupten und eine solche detailliert dargelegt haben (Klageerwiderung Seite 14 ff. = Bl. 40 ff. d.A.). Sie würden sich sonst widersprüchlich verhalten.
c) Die Kläger haben auch nicht die Wirkung der Kündigung dadurch einverständlich aufgehoben, dass sie die Beklagten in Belangen der … Partnerschaft zunächst weiterhin befasst haben. Die Kläger tragen insoweit zutreffend vor, dass nach den Erklärungen vom 19.08.2015 jedenfalls noch nicht bestandskräftig festgestellt war, dass die Beklagten aus der Partnerschaft ausgeschieden sind. Bei der damit herrschenden rechtlichen Unsicherheit kann aus dem potentiell schadensmindernden Verhalten der Kläger, sich mit den Beklagten vorsorglich weiterhin in Angelegenheiten der Partnerschaft abzustimmen, nicht der Schluss auf den Willen zur Beseitigung oder Aufhebung der Kündigung entnommen werden.
d) Ob die Kläger ihren eigenen Verpflichtungen aus dem Partnerschaftsvertrag und dem Innengesellschaftsvertrag, nämlich der Erstellung einer Ausscheidensbilanz und der Auszahlung des Abfindungsguthabens, nach dem 19.08.2015 hinreichend nachgekommen sind, ist für die Frage der Feststellung des Ausscheidens der Beklagten ohne Relevanz, zumal entsprechende Pflichten der Kläger erst nach dem Ausscheiden der Beklagten entstehen und daher aus etwaigen Verstößen gegen solche Pflichten nicht auf eine Unwirksamkeit der vorherigen Erklärungen geschlossen werden kann.
e) Die Meinung der Beklagten, nicht etwa sie seien infolge ihrer Erklärungen ausgeschieden, sondern die Kläger zu 1 und 2, entbehrt einer Grundlage im Gesellschaftsvertrag und im Gesetz. Falls die Kläger zu 1 und 2 die Beklagten arglistig getäuscht hätten, wäre eine solche Rechtsfolge nur über eine Ausschließung der Kläger zu 1 und 2 zu erzielen, nicht jedoch über eine Anfechtungs- und/oder Kündigungserkärung der Beklagten.
f) Entgegen der Auffassung der Beklagten war mit der Zustimmung der Kläger zur außerordentlichen Kündigung der Beklagten nicht zugleich (oder stattdessen) eine Zustimmung zur vorgeschlagenen Änderung des Innengesellschaftsvertrags verbunden. Die Erklärung der Kläger gemäß Anlage K 8 lässt sich unter keinem denkbaren Gesichtspunkt als Zustimmung zur Änderung des Innensgesellschaftsvertrags auslegen. Die abweichende Auffassung der Beklagten ist darin begründet, dass sie meinen, eine Zustimmung zu ihrem Anfechtungs- und Kündigungsschreibens beinhalte automatisch eine Zustimmung zu der ergänzend vorgeschlagenen Änderung des Innengeselllschaftsvertrags. Tatsächlich haben die Beklagten zwei voneinander unabhängige Erklärungen abgegeben, einmal die Anfechtung/Kündigung, einmal das Angebot auf Änderung der Innengesellschaft, die jede für sich gesondert beantwortet werden konnten. Schon nach dem Angebot der Beklagten hätte die von ihnen angebotene Änderung des Innengesellschaftsvertrags – und damit die Fortsetzung der Partnerschaft – ihre eigene Anfechtung/Kündigung wohl suspendiert. Die beiden Erklärungsteile standen also schon nach der Äußerung der Beklagten nicht in untrennbarem Zusammenhang, das nur eine einheitliche Antwort zulässt, sondern im Verhältnis des „Entweder-Oder“.
Über den weiteren Hilfsantrag war wegen des Erfolgs des Hilfsantrags 1 nicht zu entscheiden. Der Ausschließungsantrag wurde schon von den Klägern nicht mehr zur Entscheidung gestellt.
Nebenentscheidungen:
Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 92 Abs. 1 ZPO. Das Unterliegen der Kläger mit dem Hauptantrag bewertet die Kammer mit insgesamt 20 %. Eine abweichende Kostenentscheidung wegen des behaupteten Verstoßes der Klägervertreter gegen §§ 356 StGB, 43 a Abs. 4 BRAO kommt nicht in Betracht. § 356 StGB liegt schon mangels Identität der Auftraggeber (einmal die Partnerschaft, einmal die Kläger zu 1 bis 4) und mangels Identität des streitigen Rechtsverhältnisses (einmal steuerliche Angelegenheiten der Partnerschaft, einmal die hiesige Frage des Ausscheidens der Beklagten aus der Partnerschaft) nicht vor. Ein Verstoß gegen § 43 a Abs. 4 BRAO ist denkbar, aber nicht liquide dargelegt, kann also im Rahmen der hiesigen Kostenentscheidung nicht berücksichtigt werden. Die Beklagten selbst zitieren die Einlassung der Rechtsanwälte … (Bl. 119 d.A.), wonach die zuständige Rechtsanwaltskammer und die Steuerberaterkammer auf telefonische Anfrage von Rechtsanwalt … keinen Interessenskonflikt gesehen habe.
Vorläufig vollstreckbar ist lediglich die Kostenentscheidung, insoweit bestimmt sich die Entscheidung nach § 709 Satz 1 ZPO. Der Streitwert richtet sich gemäß § 3 ZPO nach der wirtschaftlichen Bedeutung der Angelegenheit für die Parteien. Im Einstweiligen Verfügungsverfahren hat die Kammer einen Streitwert von 200.000,– Euro angesetzt, die Parteien haben sich nicht gegen diese Festsetzung gewendet. Das Hauptsacheverfahren ist doppelt so hoch zu bewerten.