Aktenzeichen 23 U 951/17
ZPO ZPO § 286 Abs. 1
Leitsatz
Zwar kann durch die Annahme von gelieferten Materialen konkludent ein Kaufvertrag hierüber zustande kommen. Ein Lieferschein ist jedoch kein ausreichender Nachweis der Annahme der Materialien, wenn kein Mitarbeiter der in Anspruch genommenen Partei den Lieferschein unterschrieben hat. (redaktioneller Leitsatz)
Verfahrensgang
1 HK O 1427/16 2017-01-11 Endurteil LGLANDSHUT LG Landshut
Tenor
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Endurteil des Landgerichts Landshut vom 11.01.2017 wird zurückgewiesen.
II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Das soeben verkündete Endurteil wird gemäß § 540 Abs. 1 Satz 2 ZPO wie folgt begründet:
Gründe
I.
Die Klägerin hat aus abgetretenem Recht Werklohn- und Kaufpreisansprüche in Höhe von € 57.349,86 geltend gemacht.
Das Landgericht, auf dessen tatsächliche Feststellungen nach § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat die Klage abgewiesen.
Mit der Berufung verfolgt die Klägerin ihren Zahlungsantrag nur noch in Höhe von € 7.770,52 weiter. Sie rügt insbesondere, das Landgericht habe verkannt, dass sie durch Vorlage von E-Mails und durch die Aussagen der Zeugen H. und R. den Zugang aller Materialien gemäß Lieferschein vom 24.02.2015 bei der Beklagten nachgewiesen habe.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Landgerichts Landshut vom 11.01.2017, Az. 1 HK O 1427/16 die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin € 7.770,52 nebst Zinsen hieraus in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit 06.02.2015 zu zahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angegriffene Urteil und ist der Ansicht, die der Klägerin unstreitig zustehende Forderung in Höhe von € 3.060,17 sei durch Aufrechnung erloschen.
Die Beklagte hat vor dem Senat die Aufrechnung mit Ansprüchen wegen Überzahlung durch die Überweisung vom 14.11.2014 erklärt. Insoweit wird auf das Protokoll der Sitzung vom 20.07.2017 Bezug genommen.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze Bezug genommen.
II.
Die zulässige Berufung hat in der Sache keinen Erfolg. Der Kaufpreisanspruch der Klägerin (§ 433 Abs. 2 i.V.m. § 398 BGB) in Höhe von € 2.631,47 brutto, ist durch Aufrechnung mit einem Bereicherungsanspruch der Beklagten gegen die Zedentin erloschen (§§ 389 BGB, 404 BGB).
1. Die Klage ist nach der Klarstellung im Schriftsatz vom 12.07.2017 zulässig. Die Beklagte hat unstreitig eine Anzahlung in Höhe von € 47.600,00 geleistet, die in Höhe von € 47.171,30 auf die unstreitigen Positionen (Rechnungen Nr. 8704 € 13.447,00, Nr. 8706 über € 10.324,74, Nr. 8708 über € 20.988,80, Nr. 9813 über € 2.232,26 sowie Position 3 der Rechnung Nr. 8690 über € 178,60) verrechnet wurde, die somit nicht streitgegenständlich wurden. Hinsichtlich des Differenzbetrages in Höhe von € 428,70 gehen die Parteien übereinstimmend davon aus, dass er bei der Position 11 der Anlage K 11 verrechnet werden soll. In erster Instanz waren somit von der Position 11 der Anlage K 11 von dem Brutto-Kaufpreis von € 1.513,68 nur € 1.084,98 eingeklagt.
Soweit die Klägerin in der Berufungsinstanz wieder den vollen Betrag von € 1.272,00 netto zuzüglich 19% USt verlangt, handelt es sich gemäß § 264 ZPO nicht um eine Klageänderung, die an § 533 ZPO zu messen wäre.
2. Die Klage ist unbegründet.
2.1. Die Kaufpreisforderung der Klägerin aus abgetretenem Recht bestand vor der am 20.07.2017 erklärten Aufrechnung der Beklagten nur in Höhe von € 2.631,47 brutto.
2.1.1. Unstreitig hat die Beklagte die auf der Anlage K 11 mit * gekennzeichneten Waren von der Streitverkündeten gekauft und auch erhalten, wobei sie in der E-Mail vom 25.02.2017 (Anlage K 16) klargestellt hat, dass sie statt 600 nur 300 lfm der Kante 3 D erhalten hat.
Die Kaufpreisforderung setzt sich folgendermaßen zusammen:
€ 636,00 für 300 lfm Kante 3 D für Arbeitsplatte (K 11 Pos. 11)
€ 210,00 für 300 lfm Kante F8595 (K 11 Pos. 16)
€ 527,00 für 31 Sonderpaletten (K 11 Pos. 19)
€ 350,00 für 14 gefräste Taschenablagen (K 11 Pos. 25)
€ 134,00 für 20 Kabelset silber (K 11 Pos. 26)
€ 7,50 für 15 Kabelset weiß (K 11 Pos. 27)
€ 428,03 für 23 Auszug 09136065 (K 11 Pos.28)
€ 78,48 für 9 Schubkästen ( K 11 Pos. 29)
€ 200,56 für 23 Hängeregister ( K11 Pos. 30) jeweils zzgl. 19% USt.
Die Kaufpreisforderung für 300 lfm Kante 3 D in Höhe von € 756,84 brutto ist wegen der unstreitigen Anzahlung in Höhe von € 428,70 erfüllt und bestand nur in Höhe von € 328,14 brutto.
2.1.2. Hinsichtlich der darüber hinaus gehenden in dem Lieferschein vom 24.02.2015 (Anlage K 14) aufgeführten Positionen, konnte die Klägerin den Abschluss eines Kaufvertrages zwischen der Zedentin und der Beklagten und die Übergabe der Materialien an die Beklagte nicht nachweisen.
Die Behauptung der Klägerin, es habe nach Erhalt des Schreibens der Beklagten vom 06.02.2015 (Anlage K 12) ein nochmaliges Treffen gegeben, bei dem sich die Beklagte gegenüber der Zedentin bereit erklärt habe, die Gegenstände zurückzunehmen und die Aufteilung gemäß Rechnung Nr. 8724 zu begleichen, hat der dafür benannte Zeuge H. nicht bestätigt, der vielmehr nur bekundete, es habe eine Besprechung gegeben, bei der es um eine Rechnung wegen Restmaterialien gegangen sei. Genau könne er sich nicht erinnern, was übernommen worden sei. Wie das genau zwischen den Parteien „ausgehackelt“ worden sei, wisse er nicht (Seite 3 des Protokolls vom 14.12.2016, Bl. 63 d.A.).
Auch der Aussage des Zeugen R. lässt sich nicht konkret entnehmen, auf die Rückgabe welcher Gegenstände die Zedentin und die Beklagte sich geeinigt haben. Er bekundete, es sei vereinbart worden, dass die Zedentin Material zurückliefert. Herr H. habe dann geprüft, welche Materialien zurückgehen können. Preise seien nicht abgesprochen worden, die Beklagte habe aber die Einkaufspreise gekannt. Er habe einmal mit Herrn V. telefoniert wegen der Rücknahme (Seite 5 des Protokolls vom 14.12.2016, Bl. 65 d.A.).
Da die Zedentin und die Beklagte unstreitig darüber verhandelt haben, welche der von der Zedentin nicht mehr benötigten Materialen von der Beklagten übernommen werden, könnte zwar durch Annahme der Materialen konkludent ein Kaufvertrag zustande gekommen sein. Entgegen der von der Klägerin vertretenen Ansicht wurde dies jedoch nicht durch „Urkundenbeweis“ bewiesen. Aus dem ohnehin nicht im Original vorgelegten Lieferschein ergibt sich allenfalls, dass ein Herr G. die Waren bei der Zedentin in Empfang genommen hat, nicht aber, dass die Beklagte sie angenommen hat. Ein Mitarbeiter der Beklagten hat den Lieferschein nicht unterschrieben. In der E-Mail vom 25.02.2015 (Anlage K 16) wird seitens der Beklagten zwar bestätigt, dass der Lkw mit dem Materialüberschuss von den Theken am Vortrag eingetroffen ist. Dass die Beklagte über ihrer Zusage im Schreiben vom 06.02.2015 (Anlage K 12) hinausgehend weitere Materialen angenommen hätte, ist damit nicht belegt, auch wenn in der E-Mail auf den Lieferschein Bezug genommen wird.
Ohne Erfolg rügt die Klägerin schließlich, der Zeuge R. hätte für die Übergabe der Materialien am 24.02.2017 an die Spedition gehört werden müssen (Seite 6 der Berufungsbegründung, Bl. 100 d.A.). Zum einen wurde der Zeuge vom Landgericht vernommen und die Klägerin hätte insoweit von ihrem Fragerecht Gebrauch machen können. Zum andern kann es als wahr unterstellt werden, dass die im Lieferschein aufgeführten Materialien einer Spedition übergeben wurden, denn damit ist nicht bewiesen, dass die Beklagte die Materialien auch erhalten hat.
Die Rügepflicht nach § 377 HGB greift erst ein, wenn der Abschluss eines Kaufvertrags nachgewiesen ist.
2.2. Die von der Beklagten erklärte Prozessaufrechnung genügt nach der Klarstellung im Schriftsatz vom 19.06.2017 dem Bestimmtheitsgebot.
Die Klageforderung ist zwar nicht durch Aufrechnung mit den Rechnungen vom 24.02.2011, 03.03.2011, 05.04.2011, 26.03.2012 und 07.05.2012 (Anlagen B 5 bis B 9) erloschen. Diese unstreitigen Forderungen der Beklagten sind nämlich durch die von der Zedentin mit E-Mail vom 11.11.2014 (Anlage K 18) erklärte Aufrechnung erloschen. Unstreitig hatte die Zedentin gegen die Beklagte eine Werklohnforderung in Höhe von € 6.811,51 für die Ausführung eines Auftrags der A. AG (Fertigung von 17 Wänden MDF schwarz lackiert). Die Beklagte hat insoweit lediglich eingewandt, sie habe diese Forderung am 14.11.2014 durch Zahlung erfüllt. Zum Zeitpunkt der Überweisung war die Forderung der Streitverkündeten jedoch bereits durch Aufrechnung erloschen, so dass die Beklagte auf eine nicht bestehende Schuld geleistet hat.
Durch die am 20.07.2017 erklärte Aufrechnung der Beklagten mit dem ihr deshalb nach § 812 Abs. 1 Satz 1 1. Alt. BGB gegen die Zedentin zustehenden Bereicherungsanspruch ist die Kaufpreisforderung erloschen. Diese Aufrechnungserklärung ist nach § 533 ZPO zulässig, da sie sachdienlich ist und auf unstreitige und deshalb vom Senat zu berücksichtigende Tatsachen gestützt werden kann. Soweit die Klägerin in der Sitzung vom 20.07.2017 das Bestehen der Forderung bestritten hat, bleibt schon unklar, welche Tatsachen sie bestreiten will, so dass es nicht darauf ankommt, ob ein Bestreiten nach § 531 ZPO zu berücksichtigen wäre.
3. Die prozessualen Nebenentscheidungen ergeben sich aus §§ 97, 708 Nr. 11, § 713 und § 543 Abs. 2 ZPO.