Handels- und Gesellschaftsrecht

Masseverbindlichkeit, Vergütung des Insolvenzverwalters, Innenausgleich, Insolvenzgläubiger, Gewerbesteuerforderung, Kommanditistenhaftung, Haftung der Kommanditisten, Insolvenzforderung, Ziele des Insolvenzverfahrens, Im Insolvenzverfahren, Freistellungsanspruch, Ausgleich unter den Gesellschaftern, Einzelner Gesellschafter, Treuhandverträge, Veräußerung, Verfahrenskosten, Ausgleichsanspruch, Kapitalkonto, Insolvenztabelle, Rechtsmißbrauch

Aktenzeichen  7 U 4620/19

Datum:
29.1.2020
Fundstelle:
ZInsO – 2020, 426
Gerichtsart:
OLG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:

 

Leitsatz

Verfahrensgang

13 O 5359/18 2019-07-26 Urt LGMUENCHENII LG München II

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Landgerichts München II 26.07.2019, Az. 13 O 5359/18, wird zurückgewiesen.
2. Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.

Gründe

I.
Der Kläger als Insolvenzverwalter über das Vermögen der DS-Rendite-Fonds Nr. 61 MT C.B.GmbH … (im Folgenden: Schuldnerin) nimmt den Beklagten auf Rückzahlungen von Gewinnausschüttungen in Anspruch, die dieser aufgrund einer Kommanditbeteiligung erhalten hat. Hilfsweise stützt er die Klageforderung darauf, dass er zum Innenausgleich zwischen den Gesellschaftern berufen sei und der Beklagte zur Durchführung des Innenausgleichs zu leisten habe.
Durch Beschluss vom 21.11.2013 hat das Amtsgericht Hamburg das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Schuldnerin eröffnet und den Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt.
Bei der Schuldnerin handelt es sich um einen im Jahr 1995 gegründeten Publikumsfonds, der ein Chemikalientankschiff erwarb und vercharterte.
Der Beklagte hat sich über die DS-Fonds-T. GmbH (im Folgenden:Treuhänderin) als Treugeber mit einer Einlage in Höhe von 25.564,59 Euro beteiligt. Diese Einlage hat er geleistet. Zum Inhalt des Treuhandvertrags vgl. Anlage K 1. Die Treuhänderin hat ihre Freistellungsansprüche gegen den Beklagten aus § 5 des Treuhandvertrags an den Kläger abgetreten, vgl. Anlage K 2.
Der Beklagte erhielt im Zeitraum von 1999 bis 2007 von der Schuldnerin Ausschüttungen in Höhe von 15.338,75 Euro, obwohl sein Kapitalanteil durch Verluste jeweils unter den Betrag der Hafteinlage herabgemindert war. Er zahlte einen Betrag in Höhe von 3.834,69 Euro zurück.
Der Kläger verfolgt mit der vorliegenden Klage die noch offene Differenz in Höhe von 11.504,06 Euro weiter.
Die Insolvenzmasse beläuft sich nach den Angaben des Klägers im Schriftsatz vom 21.01.2020 aktuell auf 2.114.058,58 Euro. Es wurden ca. 5,8 Mio. Euro zur Insolvenztabelle angemeldet. Hiervon hat der Kläger 86.616,86 Euro zur Insolvenztabelle festgestellt. Entgelt- und Darlehensforderungen der Geschäftsbesorgerin in Höhe von insgesamt 276.695,67 Euro hat der Kläger bestritten. Weiterhin sind Forderungen von Kommanditisten aus oder im Zusammenhang mit vorinsolvenzlich erfolgten Rückzahlungen von Ausschüttungen sowie solche auf Erstattung der Kommanditeinlage in Höhe von ca. 5,3 Mio. Euro angemeldet, sowie darauf entfallende Zinsansprüche in Höhe von 148.527,45 Euro und Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 54.825,67 Euro. Aus dem Verkauf des Tankschiffs im Jahr 2014 nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens resultiert eine als Masseverbindlichkeit gem. § 55 InsO geltend gemachte Gewerbesteuerforderung der Stadt Dortmund in Höhe von ca. 1,55 Mio. Euro (vgl. Anlage K 6).
Der Kläger ist der Auffassung, die Inanspruchnahme des Beklagten sei im Gläubigerinteresse erforderlich. Der Beklagte hafte insbesondere auch für die Gewerbesteuerforderung. Angesichts des Massebestands verbleibe nach Abzug der Verfahrenskosten, Masseverbindlichkeiten und Insolvenzforderungen eine Unterdeckung in Höhe von mehr als 5,4 Mio. Euro.
Der Beklagte hatte erstinstanzlich die Einrede der Verjährung erhoben und die Wirksamkeit der Abtretung des Freistellungsanspruchs der Treuhänderin bestritten. Außerdem hat er vorgetragen, dass keine Masseunterdeckung, sondern ein Masseübererlös bestehe und deshalb die Inanspruchnahme des Beklagten nicht erforderlich sei. Die Mehrzahl der von Klägerseite vorgetragenen Forderungen seien keine Insolvenzforderungen, die deshalb auch nicht zur Insolvenztabelle festgestellt werden dürften. Im Hinblick auf Masseverbindlichkeiten sei der Kläger nicht zum Forderungseinzug gegenüber den Gesellschaftern berechtigt.
Im Hinblick auf den hilfsweise geltend gemachten Innenausgleich zwischen den Gesellschaftern sei ein Ausgleichsanspruch noch nicht entstanden und sei der Kläger im Übrigen als Insolvenzverwalter hierzu auch nicht legitimiert.
Nachdem das Landgericht die Klage abgewiesen hat, verfolgt der Kläger mit der Berufung sein Klagebegehren weiter, indem er insbesondere seinen erstinstanzlichen Vortrag wiederholt und vertieft.
Der Kläger beantragt,
Unter Aufhebung des am 26.07.2019 zur Geschäftsnummer: 13 O 5359/18 verkündeten Urteils des Landgerichts München II wird der Beklagte verurteilt, an den Kläger 11.504,06 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Hilfsweise:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 26.07.2019 zur Geschäftsnummer 13 O 5356/18 verkündete Urteil des Landgerichts München II aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landgericht München II zurückverwiesen.
Der Beklagte, der ebenfalls die erstinstanzlich vorgetragenen Einwände gegen die Klageforderung wiederholt und vertieft, beantragt die Zurückweisung der Berufung.
Ergänzend wird auf die zwischen den Parteien gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie die Protokolle der mündlichen Verhandlungen erster und zweiter Instanz verwiesen.
Von einer weiteren Darstellung des Sach- und Rechtsstandes wird gem. §§ 540 Abs. 2, 313 a, Abs. 1 S. 1 ZPO, § 26 Nr. 8 S. 1 EGZPO abgesehen.
II.
Die zulässige Berufung des Klägers erweist sich in der Sache als nicht erfolgreich.
I.
Gegen die Zulässigkeit der Klage bestehen keine Bedenken. II. Die Klage ist unbegründet. Zu Recht hat das Landgericht den geltend gemachten Klageanspruch weder aus §§ 171, 172 Abs. 4 BGB noch im Rahmen des Innenausgleichs zuerkannt.
1. Wie das Erstgericht zutreffend ausgeführt hat, hat die Treuhänderin den Freistellungsanspruch aus § 5 des Treuhandvertrags wirksam an den Kläger abgetreten mit der Folge, dass der Kläger berechtigt ist, unmittelbar von dem Beklagten die Rückzahlung ausgeschütteter Gewinne zu verlangten, soweit Ansprüche aus §§ 171 Abs. 2, 172 Abs. 4 HGB tatsächlich bestehen (vgl. OLG Nürnberg, WM 2009, 942; OLG Hamm NZG 2017, 1104). Auf die zutreffenden Ausführungen im landgerichtlichen Urteil kann verwiesen werden.
2. Die Klage ist unbegründet. Der geltend gemachte Klageanspruch besteht weder aus §§ 171, 172 Abs. 4 BGB noch im Rahmen eines Innenausgleichs. Der Senat folgt der und teilt die Auffassung des OLG Hamm in seiner Entscheidung vom 21.01.2019 (Az: 8 U 62/18, ZIP 2019, 429) soweit dort über deckungsgleiche Fragestellungen entschieden wurde.
a) Soweit gegen den Beklagten der noch offene Anteil seiner Außenhaftung geltend gemacht wird, beurteilt sich der in Rede stehende Anspruch nach §§ 161, 128, 171, 172 Abs. 4 HGB. Der Beklagte schuldet als Kommanditist die Zahlung des Betrages zur Masse, mit dem er haftet und der zur Befriedigung der Gläubiger benötigt wird (vgl. OLG Hamm, Urt. v. 07.07.2010 – 8 U 106/09; Baumbach/Hopt/Roth, HGB 38. Aufl., § 171 Rn. 12).
aa) Die ursprünglich durch Leistung gemäß § 171 Abs. 1 Hs. 2 HGB erloschene Haftung ist gemäß § 172 Abs. 4 S. 1, 2 HGB wiederaufgelebt.
Eine Rückzahlung der Einlage im Sinne v. S. 1 dieser Bestimmung ist jede Zuwendung an einen Kommanditisten, durch die dem Gesellschaftsvermögen ein Wert ohne entsprechende Gegenleistung entzogen wird. Darunter fallen auch (im Gesellschaftsvertrag vorgesehene) Ausschüttungen, wenn die Zahlung nicht aus dem Gewinn geleistet werden kann und das Kapitalkonto unter die bedungene Einlage herabmindert oder eine bestehende Belastung vertieft. Aber auch die Entnahme von Gewinnanteilen ist nach Satz 2 haftungsschädlich, wenn der Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist, oder soweit er durch die Entnahme unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird (vgl. Roth in: Baumbach/Hopt/Roth, HGB, 38. Aufl., § 172 Rn. 4 ff.). Insofern ist es unstreitig, dass der Beklagte im Zeitraum von 1999 bis 2007 von der Insolvenzschuldnerin Ausschüttungen in einer Höhe von insgesamt 15.338,75 € erhalten hat, wobei der Kapitalanteil des Beklagten durch Verluste unter den Betrag seiner Hafteinlage herabgemindert war. Nach anschließender Rückzahlung von 3.834,69 € verbleibt ein Ausschüttungsbetrag von 11.504,06 €.
bb) Der Kläger ist gemäß § 171 Abs. 2 HGB kraft Amtes legitimiert, die Haftung als gesetzlicher Prozessstandschafter der Gläubiger gegenüber dem Beklagten geltend zu machen. Die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters umfasst sämtliche Haftungsforderungen der Gesellschaftsgläubiger, die ihre Forderungen im Insolvenzverfahren über das Vermögen der Gesellschaft angemeldet haben, selbst wenn die Insolvenzforderungen vom Insolvenzverwalter oder einem Gläubiger bestritten und die Widersprüche nicht beseitigt worden sind (BGH, Urt. v. 17.12.2015 – IX ZR 143/13 -, BGHZ 208, 227-242).
cc) Die Haftung aus §§ 171, 172 Abs. 4 HGB setzt weiter voraus, dass Forderungen von Insolvenzgläubigern mindestens in Höhe des geltend gemachten Haftungsbetrages bestehen. Es kann hier offen bleiben, ob Forderungen, die noch nicht zur Tabelle festgestellt sind, inhaltlich zu substantiieren und nachzuweisen wären, um die geltend gemachte Haftung materiellrechtlich auszufüllen. Denn im vorliegenden Fall wird der klagegegenständliche Haftungsbetrag bereits durch Forderungen abgedeckt, die in einem die Klageforderung übersteigenden Umfang (86.616,86 €) zur Tabelle festgestellt sind.
dd) Die geltend gemachte Einlageleistung ist indes nicht zur Befriedigung der Gläubiger erforderlich.
(1) Die Erforderlichkeit der Leistung des Haftungsbetrags wird nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens grundsätzlich vermutet. Die Darlegungs- und Beweislast der fehlenden Erforderlichkeit trifft den in Anspruch genommenen Kommanditisten, während den klagenden Insolvenzverwalter nur eine sekundäre Darlegungslast hinsichtlich des Bestands der Masse trifft (vgl. BGH, Urt. v. 11.12.1989, II ZR 78/89, BGHZ 109, 334-344, Rn. 15). Im vorliegenden Fall hat der Kläger mit Schriftsatz vom 21.01.2020 den aktuellen Massebestand mitgeteilt. Die erstinstanzlich vorgetragene Höhe der Masseverbindlichkeiten, der Verfahrenskosten und Insolvenzkosten war nicht substantiiert bestritten worden.
Bei der Frage, ob die Insolvenzmasse zur Befriedigung der Insolvenzforderungen ausreicht, ist grundsätzlich auf sämtliche angemeldeten Insolvenzforderungen abzustellen, einschließlich derer, die bestritten sind. Auch auf diese bezieht sich die Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters, der damit rechnen muss, gegebenenfalls gerichtlich auf Feststellung in Anspruch genommen zu werden (OLG Hamm, Urt. v. 13.09.2017, 8 U 78/16). Ob anderes dann gilt, wenn über Jahre hinweg keine Feststellungsklage erhoben wurde und keine Anhaltspunkte bestehen, dass eine Inanspruchnahme noch droht (so OLG Hamburg, Urt. v. 18.07.2018, 11 U 150/16, Rn. 10, juris), kann der Senat hier dahinstehen lassen. Denn jedenfalls sind Forderungen von vorneherein nicht zu berücksichtigen, hinsichtlich derer der Kommanditist auf Basis des unstreitigen oder bewiesenen Parteivorbringens aus Rechtsgründen nicht haftet. Aus § 171 Abs. 2 HGB folgt nicht die Befugnis des Insolvenzverwalters, auch solche Forderungen einzuziehen, für die – bei unterstellter Existenz – eine Haftung der Kommanditisten nicht bestünde. Ein anderes ergibt sich auch nicht aus dem Urteil des Bundesgerichtshofs vom 20.02.2018, II ZR 272/16. Denn zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen sonstige angemeldete, aber nicht festgestellte Forderungen für die Kommanditistenhaftung zu berücksichtigen sind, erfolgte keine Abweichung von der bisherigen ständigen höchstrichterlichen Rechtsprechung. Vielmehr wurde auf diese ausdrücklich Bezug genommen (BGH, a. a. O., Rn. 39).
Nicht zum Kreis der Gläubiger im o. g. Sinne gehören – um auf diesem Wege eine Gleichbehandlung mit denjenigen Gesellschaftern, die Rückzahlungen erbracht haben, herbeizuführen – die Gesellschafter, die aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB die Rückgewähr zurückgezahlter Ausschüttungen beanspruchen (BGH, Urt. v. 10.10.2017, II ZR 353/15, Rn. 43, juris). Daran ändert sich auch dann nichts, wenn solche Forderungen zur Tabelle angemeldet werden. Entsprechendes gilt für Rückforderungen von Gesellschaftern aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Fall 1 BGB im Hinblick auf unwirksam beschlossene Kapitalerhöhungen (vgl. OLG Hamburg, Urt. v. 21.12.2018, 11 U 106/17, juris). Auch solche Ansprüche haben nicht den Charakter einer Drittforderung, sondern wurzeln im Gesellschaftsverhältnis.
Entsprechendes gilt auch für Schadensersatz- und Zinsansprüche von Kommanditisten, die als Nebenforderung bei der Verfolgung der vorgenannten Ansprüche oder aufgrund der Abwehr von Rückforderungsbegehren der Gesellschaft angefallen sind. Der Senat sieht diese Forderungen als Annexforderungen zu den oben dargestellten Hauptansprüchen. Soweit der Klägervertreter in der mündlichen Verhandlung diesbezüglich darauf verwiesen hat, dass es sich um Schadensersatzansprüche handele, die auf der Verletzung einer gesellschaftlichen (Treue-)Pflicht wegen unberechtigter Inanspruchnahme der Gesellschafter beruhten, ergibt sich daraus keine andere rechtliche Beurteilung dieser Forderungen. Diese Ansprüche stellen als Annex- bzw. Nebenforderungen keine Drittforderungen, sondern Ansprüche dar, die im Gesellschaftsverhältnis wurzeln.
Zur Deckung von Masseverbindlichkeiten – wie hier der Gewerbesteuerforderung – dürfen die nach §§ 171, 172 Abs. 4 HGB eingezogenen Beträge nicht verwendet werden. Denn die Befugnis, Forderungen der Gläubiger gegen Gesellschafter gebündelt einzuziehen, setzt bereits bei Verfahrenseröffnung begründete Verbindlichkeiten der Gesellschaft voraus (BGH, Teilurteil v. 24.09.2009, IX ZR 234/07, Rn. 15, juris). Um eine solche handelt es sich bei der Gewerbesteuerforderung i. H. v. rund 1,55 Mio. Euro jedoch nicht (vgl. FG Bremen, Urteil vom 23. März 2017 – 3 K 2/17 (1) -, Rn. 59 ff., juris). Ausweislich des als Anlagen BK 2, K 6 vorgelegten Bescheids der Stadt Dortmund vom 13.04.2016 wird diese Forderung auch ausdrücklich als Masseverbindlichkeit im Sinne von § 55 InsO geltend gemacht.
Der Senat teilt nicht die Sichtweise des Klägers, der meint, hier müsse anderes gelten, da das Entstehen der Gewerbesteuerforderung vorinsolvenzlich vorprogrammiert gewesen sei und es sich um eine dem Insolvenzverwalter aufoktroyierte Forderung handele, deren Entstehen er nicht habe beeinflussen können. Insbesondere ergibt sich aus dem vom Kläger vorgetragenen Wechsel der Gewinnermittlungsart, d.h. des Wechsels zur Tonnagesteuer, keine andere Beurteilung. Entgegen der Auffassung des Klägers ist für das Entstehen der Gewebesteuerforderung, die durch den Verkauf des Schiffes entstanden ist, nicht auf den früheren Zeitpunkt des Wechsels zur Tonnagesteuer abzustellen. Weder stand vor Insolvenzeintritt zwingend fest, dass das Schiff veräußert würde. Das Geschäftsmodell mag zwar auf die Veräußerung zu einem bestimmten Zeitpunkt ausgelegt gewesen sein; die Gesellschafter hätten sich – außerhalb der Insolvenz – aber auch anders entscheiden können.
Zudem ist nicht ersichtlich, dass die vom Insolvenzverwalter vorgenommene Veräußerung des Schiffes für diesen – jenseits wirtschaftlicher Überlegungen – rechtlich zwingend war und er das Schiff nicht weiter hätte betreiben dürfen. Auch die in der mündlichen Verhandlung von Klägerseite erhobene Behauptung, dass es bereits im Jahre 2011 einen Gesellschaftsbeschluss über die Veräußerung des Schiffes gegeben habe, gibt zu keiner abweichenden Beurteilung Anlass. Zum einen hat der Klägervertreter selbst ausgeführt, dass eine Veräußerung gescheitert sei, weil der Erwerber vom Kauf Abstand genommen habe. Außerdem ist durch die Eröffnung des Insolvenzverfahrens eine Zäsur eingetreten, die dazu führt, dass der Insolvenzverwalter eigenständig über eine Veräußerung entscheidet. Das weiterhin vorgebrachte Argument, der Zeitpunkt einer Insolvenzantragstellung könne rechtsmissbräuchlich gesteuert werden, um sich einer ansonsten drohenden Steuerforderung zu entziehen, erscheint dem Senat fernliegend. Entscheidend kommt es darauf an, dass der Steuertatbestand, der zum Entstehen der Gewerbesteuerforderung führte, erst nach Insolvenzeröffnung verwirklicht wurde. Letztlich kann diese Frage jedoch dahinstehen, da selbst bei Berücksichtigung der Gewerbesteuerforderung von einer Masseüberdeckung auszugehen wäre, s.u..
Schließlich gehören auch die Verfahrenskosten – einschließlich der Vergütung des Insolvenzverwalters – grundsätzlich zu den Masseverbindlichkeiten, für die ein Kommanditist nicht haftet (vgl. zu § 128 HGB etwa BGH, Teilurteil v. 24.09.2009, IX ZR 234/07, Rn. 10 ff, juris). Lediglich bei der Massekostendeckungsprüfung (§ 26 InsO) ist der Anspruch nach § 171 Abs. 2 HGB so zu berücksichtigen, als stünde er der Masse zu, damit die Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht mangels Masse abgelehnt werden muss, obwohl die Geltendmachung der Außenhaftung eine (ggf. anteilige) Befriedigung von Insolvenzgläubigern ermöglichen würde (vgl. z. B. Haas/Mock in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 171 HGB, Rn. 62). Ob daraus möglicherweise der Schluss zu ziehen sein könnte, dass die nach § 171 Abs. 2 HGB eingezogenen Beträge jedenfalls zu einem gewissen Anteil auch für die Deckung der Verfahrenskosten verwandt werden dürfen, kann vorliegend offen bleiben. Denn die gemäß § 171 Abs. 2 HGB eingezogenen Beträge und die daraus gebildete Sondermasse genügen selbst dann für die vollständige Befriedigung der Insolvenzgläubiger, denen gegenüber die Kommanditisten haften, wenn der Sondermasse vorab anteilig auch Verfahrenskosten entnommen werden.
Danach ergibt sich folgende Berechnung:
Aktueller Massebestand 2.114.058,58 Euro, darin enthalten Zahlungen von Kommanditisten in Höhe von rund 960.000,00 €.
./. festgestellte Forderungen 86.616,86 €
./. Forderung Nr. 295 (Geschäftsbesorgung Dr. P. GmbH & Co. KG) 78.315,83 €
./. Forderung Nr. 296 (Darlehen Dr. P. & GmbH & Co. KG) 198.379,84 €
Damit ergibt sich eine Masseüberdeckung in Höhe von 1.750.746,05 Euro. Selbst bei Abzug der Masseverbindlichkeit der Gewerbesteuer in Höhe von 1. 550.159,80 Euro errechnet sich ein Übererlös von mehr als 200.000,00 Euro. Dass die weiteren von Klägerseite vorgetragenen Verfahrenskosten/Masseverbindlichkeiten noch in darüber hinausgehender Höhe bestehen, hat der Kläger im Rahmen seiner sekundären Darlegungslast nicht hinreichend dargetan. Er hat nämlich im Zug der Vorlage des aktuellen Massebestandes nur pauschal darauf verwiesen, dass die Reduzierung der Masse zum einen auf dem aktuellen Umrechnungskurs und zum anderen auf der Begleichung von Masseverbindlichkeiten beruhte. In welcher Höhe damit noch Verfahrenskosten/Masseverbindlichkeiten aktuell bestehen, wurde nicht ausgeführt. Damit ist davon auszugehen, dass die Insolvenzmasse zur Befriedigung der Insolvenzforderungen ausreicht, und zwar auch ohne Einzahlung des vorliegend geltend gemachten Betrags, eine Masseüberdeckung vorliegt und der Kläger keinen Anspruch aus §§ 171, 172 Abs. 4 BGB gegen den Beklagten hat.
b) Die Klage ist auch nicht unter dem Gesichtspunkt begründet, dass die Klagesumme für einen Innenausgleich zwischen den Gesellschaftern benötigt wird. Insoweit fehlt es schon an der Einziehungsbefugnis des Insolvenzverwalters.
aa) Gemäß § 199 Satz 2 InsO hat der Insolvenzverwalter positive Kapitalkonten auszugleichen und einen nach Abschluss der Schlussverteilung etwa vorhandenen Überschuss zu verteilen. Daraus folgt aber nicht, dass er dazu berechtigt wäre, zusätzlich Beträge einzuziehen, um einen Innenausgleich umfassend vornehmen zu können. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs setzt § 199 Satz 2 InsO voraus, dass bei der Schlussverteilung ein Überschuss bleibt, und regelt nur dessen Verteilung (vgl. BGH, Urt. v. 10.10.2017, II ZR 353/15, Rn. 44, juris). Die Norm befasst sich lediglich mit den Rechtsfolgen, die sich aus dem Vorhandensein eines Überschusses ergeben, der auf anderweitiger Rechtsgrundlage herbeigeführt wurde.
bb) Ein gemäß § 735 BGB zwischen den Gesellschaftern geschuldeter Innenausgleich ist – über die gemäß § 199 Satz 2 InsO veranlassten Maßnahmen hinaus – vom Insolvenzverwalter nicht vorzunehmen. Die vereinzelt in der Literatur vertretene Auffassung, der Insolvenzverwalter rücke ohne weiteres in die Stellung eines Liquidators ein und habe somit auch die Gesellschafterinteressen umfassend zum Ausgleich zu bringen (vgl. Rock/Contius, ZIP 2017, 1889, 1890; s.a. Karsten Schmidt, InsO, 19. Aufl. 2016, § 93 Rn. 35), teilt der Senat nicht. In der Rechtsprechung und übrigen Literatur wird diese Auffassung – soweit ersichtlich – so nicht vertreten. Soweit der Bundesgerichtshof einen Liquidator auch ohne zumindest indirekte Ermächtigung durch die Gesellschafter zur Herbeiführung des Innenausgleichs in einer Publikumsgesellschaft als befugt angesehen und diese Grundsätze auch auf einen zum Zwecke umfassender Abwicklung auch im Gesellschafterinteresse bestellten Abwickler nach § 38 KWG angewandt hat (vgl. Urt. v. 30. Januar 2018, II ZR 95/16, insb. Rn. 78 ff., juris), lassen sich die zugrunde liegenden Gedanken nicht auf den Kläger als Insolvenzverwalter übertragen. Denn dieser wird nach den ihm gesetzlich zugewiesenen Aufgaben im Gläubigerinteresse und nicht zugleich auch im Interesse der Gesellschafter tätig. Ziel des Insolvenzverfahrens ist nach § 1 InsO die gemeinschaftliche Befriedigung der Gläubiger eines Schuldners. Dessen Interessen greift § 1 InsO nur insoweit auf, als natürliche Personen (vgl. Prütting in: Kübler/Prütting/Bork, InsO, 78. Lieferung 11.2018, § 1 InsO, Rn. 42) Gelegenheit haben sollen, sich von restlichen Schulden zu befreien. Auch spricht die höchstrichterlich anerkannte Befugnis des Insolvenzverwalters, Massegegenstände freizugeben (vgl. etwa BGH, Urteil vom 26. Januar 2006 – IX ZR 282/03 -, Rn. 14, juris) klar dagegen, eine umfassende Liquidation als Aufgabe des Insolvenzverwalters zu betrachten. Der vom Klägervertreter in der Verhandlung vor dem Senat angesprochene Gedanke der Ordnungsfunktion des Insolvenzverfahrens nötigt zu keiner anderen Betrachtung. Diese Funktion steht einer etwaigen Liquidation durch einen von den Gesellschaftern bestellten und ihnen verpflichteten Liquidator nach Abschluss des Insolvenzverfahrens nicht entgegen. Eine solche kann anschließend erfolgen, um in einem – weiteren – geordneten Verfahren einen Ausgleich unter den Gesellschaftern zu ermöglichen (vgl. BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – II ZR 353/15 -, Rn. 45, juris). Schließlich drängt auch die grundsätzlich gegebene Pfändbarkeit von Ausgleichsansprüchen der Gesamthand gegen einzelne Gesellschafter aus § 735 BGB (vgl. z. B. Trost in: Herberger/Martinek/Rüßmann/Weth/Würdinger, jurisPK-BGB, 8. Aufl. 2017, § 735 BGB, Rn. 3) nicht dazu, eine Befugnis des Insolvenzverwalters zur Einziehung solcher Forderungen ausschließlich zum Zwecke des Innenausgleichs anzunehmen. Zwar kann der Insolvenzverwalter gemäß §§ 80, 148 InsO auch Ansprüche aus dem Innenverhältnis geltend machen, soweit diese – wie etwa rückständige Einlagenansprüche – zur Insolvenzmasse im Sinne von § 35 InsO gehören. Jedoch hat der Insolvenzverwalter auch solche Ansprüche nur insoweit einzufordern, als sie zur Gläubigerbefriedigung erforderlich sind (vgl. Haas/Mock in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 171 HGB, Rn. 63), d. h. nicht zum alleinigen Zwecke des Innenausgleichs.
cc) Schließlich führt auch das vom Kläger gesehene praktische Bedürfnis, einen Innenausgleich möglichst effektiv durchzuführen, nicht dazu, dass diese Aufgabe von ihm als Insolvenzverwalter wahrzunehmen wäre. Schon die Prämisse, ein solches Vorgehen liege im Interesse der Gesellschafter, erscheint nicht frei von Zweifeln. Vielmehr kann es ebenfalls als das legitime Interesse der Gesellschafter betrachtet werden, dass eine von ihnen selbst gewählte oder im Gesellschaftsvertrag bereits bestimmte Person als Liquidator tätig wird. Letztlich kommt es aber auch nicht auf das Bestehen eines praktischen Bedürfnisses für die Durchführung eines vollständigen Innenausgleichs durch den Insolvenzverwalter an. Selbst wenn man ein solches – generell oder im Einzelfall – bejahen wollte, könnte man daraus keine Befugnisse herleiten, die de lege lata nicht bestehen. Entsprechend hat es der Bundesgerichtshof ausdrücklich als zweifelhaft bezeichnet, ob die Kommanditisten, die keine Ausschüttungen zurückgezahlt haben, im Insolvenzverfahren zu Ausgleichszahlungen herangezogen werden können, um auf diesem Wege eine Gleichbehandlung mit denjenigen Gesellschaftern herbeizuführen, die Rückzahlungen erbracht haben (BGH, Urteil vom 10. Oktober 2017 – II ZR 353/15 -, Rn. 43, juris). Daraus kann sich zwar die Konsequenz ergeben, dass bei der Schlussverteilung nach der Berichtigung der Forderungen der Insolvenzgläubiger kein Überschuss mehr verbleibt oder ein verbleibender Überschuss nicht ausreicht, um den Insolvenzverwalter in die Lage zu versetzen, im Rahmen der ihm nach § 199 Satz 2 InsO obliegenden Verteilung positive Kapitalkonten auszugleichen. Jedoch ist damit der nachfolgende Ausgleich der Gesellschafter untereinander nicht ausgeschlossen, sondern nach Abschluss des Insolvenzverfahrens noch immer möglich (BGH, a. a. O. Rn. 44-45, juris).
III.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 97 Abs. 1, 708 Nr. 10, 713 ZPO.
IV.
Es bestand kein Anlass, die Revision zuzulassen. Zulassungsgründe im Sinne von § 543 Abs. 2 S. 1 ZPO liegen nicht vor. Allein der Umstand, dass einige der entscheidungserheblichen Rechtsfragen eine Mehrzahl von Anlegern in ähnlich gelagerten Rechtsstreiten betreffen, begründet keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache im Sinne einer klärungsbedürftigen Frage, die das abstrakte Interesse der Allgemeinheit an einer einheitlichen Entwicklung und Handhabung des Rechts berührt. Hierfür wäre namentlich erforderlich, dass unterschiedliche Auffassungen zu einer Rechtsfrage vertreten werden, und zwar über vereinzelt gebliebene Stimmen in der Literatur hinaus (vgl. Heßler in: Zöller, Zivilprozessordnung, 32. Aufl. 2018, § 543 ZPO, Rn. 11). Weiterhin erfordern auch weder die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts. Dies gilt insbesondere im Hinblick auf die Frage, ob die Gewerbesteuer als Masseverbindlichkeit bei der Feststellung der Masseunterdeckung zu berücksichtigten ist. Im vorliegenden Fall konnte diese Frage dahinstehen, da selbst bei Berücksichtigung der Forderung von einer Masseüberdeckung auszugehen war. Eine Divergenz zu anderer obergerichtlicher Rechtsprechung ist nicht ersichtlich.
Verkündet am 29.01.2020 Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle

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