Handels- und Gesellschaftsrecht

Pflichthaftpflichtversicherung: Feststellungsklage des Geschädigten gegen den Haftpflichtversicherer des Schädigers bei Nichtentscheidung des Versicherers über Deckungsgewährung

Aktenzeichen  3 O 5/16 (1)

Datum:
20.7.2016
Fundstelle:
BeckRS – 2016, 133153
Gerichtsart:
LG
Gerichtsort:
Regensburg
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
ZPO § 256 Abs. 1
VVG § 100, § 115 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, Abs. 2 S. 3

 

Leitsatz

In der Haftpflichtversicherung (hier: Pflichtversicherung) kann auch der Geschädigte ein rechtliches Interesse iSv § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung haben, dass der Versicherer dem Schädiger Deckungsschutz zu gewähren habe. Ein solches Interesse ist dann zu bejahen, wenn wegen Untätigkeit des Versicherungsnehmers die Gefahr besteht, dass dem Haftpflichtgläubiger der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt verloren geht oder wenn der Versicherer auf Anfrage des Geschädigten, ob Versicherungsschutz besteht, keine oder keine eindeutige Antwort gibt oder die Auskunft verweigert (Anschluss an BGH BeckRS 2000, 10125; BeckRS 2009, 22726 Rn. 2; vgl. aber OLG Naumburg BeckRS 2013, 14039). (Rn. 30 – 35) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass die Beklagte als Haftpflichtversicherer gegenüber Rechtsanwalt J…, als Insolvenzverwalter über das Vermögen der P… GmbH, … Haftpflichtdeckungsschutz zu gewähren hat hinsichtlich einer Regressforderung der Klägerin gegen die P… GmbH in Höhe von derzeit 112.769,20 € wegen eines Ölschadens vom 14.01.2010 im Anwesen W… Schadensnummer bei der Beklagten: …
2. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 3.500,00 € vorläufig vollstreckbar.

Gründe

Die zulässige Klage ist in vollem Umfang begründet.
1. Vorliegend ist zunächst darauf abzuheben, dass der Rechtsstreit einen sogenannten Deckungsprozess darstellt.
Dieser ist grundsätzlich nur dann zulässig, wenn ein rechtes Interesse gemäß § 256 ZPO an der Feststellung besteht, dass der Versicherer dem Geschädigten Deckungsschutz zu gewähren hat.
Dieser Deckungsprozess ist dabei grundsätzlich die Ausnahme, wobei hier jedoch der Haftpflichtanspruch als solcher nicht geprüft wird. Vielmehr sind insoweit die Angaben des Geschädigten zu unterstellen (OLG Naumburg, NJW RR 2014, 347).
Im Deckungsprozess wurde damit nicht geprüft, ob eine Haftungslage gegeben ist, weil es Aufgabe des Haftpflichtversicherungsschutzes ist, nicht nur festzustellen, ob der Versicherer Befreiung von begründeten Ersatzansprüchen schuldet, sondern vor allem auch, das er die Ablehnung von unbegründeten Ansprüchen in eigener Zuständigkeit herbeizuführen hat.
Bedeutsam insoweit ist allenfalls, dass die Frage des Tankunfalls als solchem, veranlasst durch eine Versicherungsnummer der Beklagten, zwischen den Parteien nicht im Streit steht und damit ein Schadensereignis gegeben ist, hinsichtlich dessen sich die Frage des Deckungsschutzes ersichtlich stellt.
2. Entscheidend ist dabei deshalb das Vorliegen eines Feststellungsinteresses für die Klägerin.
Dieses wird sowohl in der Literatur wie auch der Rechtsprechung durchgehend als gegeben erachtet.
Die Voraussetzungen des 256 ZPO sind danach gegeben, wenn ein Dritter Ansprüche geltend gemacht hat. Zieht ein Versicherer den Abschluss der ihm notwendig erscheinenden Untersuchungen grundlos in die Länge, kann daraus ein Interesse an alsbaldiger Feststellung abgeleitet werden. In der Haftpflichtversicherung kann dabei auch der Geschädigte ein rechtliches Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO in der Feststellung haben, dass der Versicherer dem Schädiger Deckungsschutz zu gewähren hat. Auch in der Literatur werde ein solches Interesse bejaht, etwa wenn wegen Untätigkeit des Versicherungsnehmers die Gefahr besteht, dass dem Haftpflichtgläubiger der Deckungsanspruch als Berechtigungsobjekt verloren geht (Pröllss/Martin, VVG, § 100, 20 f.; Veith/Gräfe, Der Versicherungsprozess, § 12, 61 ff.).
Auch der Bundesgerichtshof hat bereits mehrfach sich hinsichtlich dieses Problems geäußert.
In der Haftpflichtversicherung kann danach der Geschädigte ein eigenes Interesse im Sinne von § 256 Abs. 1 ZPO an der Feststellung haben, dass der Versicherer dem Schädiger Deckungsschutz zu gewähren hat, wenn der Versicherer auf Anfrage des Geschädigten, ob Versicherungsschutz besteht, keine oder keine eindeutige Antwort gibt oder die Auskunft verweigert (BGH, VersR. 2009, 1485).
In der Haftpflichtversicherung besteht ein eigenes Interesse des Geschädigten auch dann, wenn etwa wegen Untätigkeit des Versicherungsnehmers die Gefahr besteht, dass dem Haftpflichtgläubiger der Deckungsanspruch als Befriedigungsobjekt verloren geht (BGH, VersR. 2001, 91).
Zwar kann im Haftpflichtversicherungsrecht ein Versicherungsnehmer im Allgemeinen vom Versicherer nicht Befriedigung des Haftpflichtgläubigers verlangen. Dem Haftpflichtversicherer steht es vielmehr frei, ob er die gegen seine Versicherung geltend gemachten Haftpflichtansprüche erfüllen oder den Versuch einer Abwehr dieser Ansprüche machen will. Selbst eine Klage auf Befreiung einer Haftpflichtverbindlichkeit kommt in der Regel nur dann in Betracht, wenn das Bestehen eines Haftpflichtanspruchs rechtskräftig festgestellt ist. Solange dies nicht der Fall ist, klagt der Versicherungsnehmer richtiger Weise auf Feststellung, dass der Versicherer wegen einer im Einzelnen genau zu bezeichnenden Haftpflichtforderung Versicherungsschutz zu gewähren hat. Hieraus folgert auch das Feststellungsinteresse nach § 256 ZPO (OLG Karlsruhe, VersR 2005, 781).
In besonderen Fallkonstellationen kann auch ein Dritter gegen den Versicherer Feststellungsklage erheben, wenn der Versicherer seine Eintrittspflicht aus dem Vertrag ablehnt und außerdem der Versicherungsnehmer untätig bleibt. Den Deckungsanspruch gegenüber dem Versicherer kann der Dritte klageweise geltend machen, wenn er ein Feststellungsinteresse nach § 256 Abs. 1 ZPO hat. Dieses folgt grundsätzlich aus der sogenannten Sozialbindung der Haftpflichtversicherung. Es ist gegeben, wenn der Versicherungsnehmer untätig bleibt oder aber etwa in Insolvenz gefallen ist (OLG Celle, VersR 2013, 750).
Diese Voraussetzungen sind vorliegend gegeben.
Die Beklagte hat sich zum einen den Ansprüchen der Klägerin gegenüber nicht eindeutig geäußert und versucht ganz offensichtlich, diese zu vertrösten und hinzuhalten.
Daneben ist die P… GmbH als eigentlicher Schädiger und Versicherungsnehmer der Beklagten bereits in Insolvenz gefallen.
Aufgrund des Verhaltens der Beklagten wie auch des Insolvenzverwalters droht damit die Verjährung von klägerischen Ansprüchen.
Ein Feststellungsinteresse ist von daher unzweideutig gegeben.
3. Die Beklagte ist als Haftpflichtversicherer der schädigenden Firma P… GmbH auch die richtige Beklagte.
4. Der Hinweis der Beklagten, es sei vorliegend Leistungsklage möglich, verfängt nicht.
Dies zeigt sich schon daran, dass das Schadensbild sich derzeit ganz offensichtlich immer wieder verändert, wie sich schon aus den unterschiedlichen Anträgen der Klägerin im Hinblick auf den tatsächlich anfallenden Haftungsanfall zeigt.
Des Weiteren kann die Klägerin nicht auf die Leistungsklage verwiesen werden, da die Haftpflicht weder nach Grund noch nach Höhe festgestellt ist (BGH, VersR 62, 749).
5. Verjährung der klägerischen Ansprüche ist ganz offensichtlich nicht eingetreten.
Die Ansprüche wurden bei der Beklagten im Februar 2011 angezeigt. Die Beklagte hat sich lediglich am 29.12.2015 geweigert, eine Verjährungseinredeverzichtserklärung abzugeben, eine Entscheidung in Textform gegenüber der Klägerin liegt ersichtlich (noch) nicht vor. Somit ist die Verjährung allerdings gem. § 115 II 3 VVG gehemmt.
6. Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 ZPO, die hinsichtlich der vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 709 ZPO.

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