Handels- und Gesellschaftsrecht

Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers in der Rechtsschutzversicherung

Aktenzeichen  172 C 25533/16

Datum:
8.8.2017
Fundstelle:
r+s – 2018, 17
Gerichtsart:
AG
Gerichtsort:
München
Rechtsweg:
Ordentliche Gerichtsbarkeit
Normen:
BGB § 667, § 675
VVG § 86 Abs. 1
ARB 2010 § 17 Abs. 9

 

Leitsatz

Erwirbt der Versicherungsnehmer einer Rechtsschutzversicherung durch die Erstattung von Kosten des Prozessgegners gegen seinen Rechtsanwalt einen Herausgabeanspruch gemäß §§ 667, 675 BGB, geht dieser grundsätzlich gemäß § 86 Abs. 1 S. 1 VVG, § 17 Abs. 9 ARB 2010 auf den Versicherer über. Dem Versicherungsnehmer steht aber nach § 86 Abs. 1 S. 2 VVG das Quotenvorrecht zu, so dass dem Versicherungsnehmer der Kostenerstattungsanspruch insoweit verbleibt, als das zur vollen Abdeckung seiner – vom Versicherungsschutz nicht umfassten – Kosten erforderlich ist. (Rn. 21 – 25) (redaktioneller Leitsatz)

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Die Klägerin hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung des Beklagten durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu vollstreckenden Betrags leistet.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf 2.721,74 € bis 30.05.2017 und ab dann auf 2.309,55 € festgesetzt.

Gründe

I. Die zulässige Klage ist unbegründet.
1. Der Klägerin steht gegen die Beklagte kein Anspruch auf Kostenerstattung in Höhe von 2.309,55 € zu, da sie keinen direkten Erstattungsanspruch gegen die Beklagte erworben hat.
Mit Eingang der Kostenerstattung des Arbeitgebers des Versicherungsnehmers bei der Beklagten, erwirbt der Versicherungsnehmer einen Herausgabeanspruch gem. §§ 667, 675 BGB gegen die Beklagten, der grundsätzlich auf den Versicherer nach § 86 Abs. 1 S. 1 VVG, § 17 Abs. 9 ARB 2010 übergeht.
§ 86 VVG gilt auch für die Rechtsschutzversicherung, die sie Schadensversicherung ist (Rn. 3 zu § 86, Prölss/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 29. Auflage 2015).
Gem. § 86 Abs. 1 S. 2 VVG kann der Übergang aber nicht zum Nachteil des Versicherungsnehmers geltend gemacht werden. (Quotenvorrecht des Versicherungsnehmers).
Dies bedeutet in dem vorliegenden Fall, dass dem Versicherten der Kostenerstattungsanspruch verbleibt, wie das zur vollen Abdeckung seiner Kosten erforderlich ist. Der Versicherungsnehmer darf sich nach ständiger Rechtsprechung so lange an Kostenerstattungsansprüchen bedienen, bis sämtliche vom Versicherungsschutz nicht gedeckte Kosten ausgeglichen sind. Erst nach Deckung des Schadens durch Versicherungsleistung und Ersatzanspruch kommt der Versicherer zum Zuge (Rn. 46 zu § 86 m.w.N. Prölls/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 29. Auflage, 2015).
Erfasst sind nur diejenigen Ansprüche, die sich auf den Schaden beziehen, der in den Schutzbereich der betreffenden Versicherung fällt (Rn. 50 zu § 86 Prölls/Martin, Versicherungsvertragsgesetz, 29. Auflage, 2015).
Die bei der Berechnung des Quotenvorrechts zu berücksichtigenden Kosten, mit denen der Versicherungsnehmer belastet war, beliefen sich vorliegend auf 6.510,46 € Verfahrenskosten (Rechtsanwalts- und Gerichtskosten), also auf Schäden, die ihrer Art nach in den Schutzbereich der Rechtsschutzversicherung fallen.
Die Höhe der Rechtsanwalts- und Gerichtsgebühren wurden von der Klägerin nicht bestritten.
Dass den Gebührenansprüchen mittlerweile die Einrede der Verjährung entgegenstünde, steht dem nicht entgegen, denn maßgeblich für die Frage, ob der Anspruch übergegangen ist, war der Zeitpunkt seiner Entstehung, also der Zeitpunkt der Kostenerstattung am 13.11.2012, Anlage B6. Zu diesem Zeitpunkt hatte der Versicherungsnehmer noch unstreitig Verfahrenskosten in Höhe von 6.510,46 € zu begleichen, die nicht verjährt waren.
2. Mangels Bestehens der Hauptforderung besteht kein Anspruch auf die geltend gemachten Verzugszinsen und außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten.
II. Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 91, 91 a ZPO. Soweit die Kosten übereinstimmend für erledigt erklärt wurden, hatte das Gericht unter Berücksichtigung des bisherigen Sach- und Streitstands nach billigem Ermessen darüber zu entscheiden, wie die Kosten des Rechtsstreits zu verteilen sind. Ausschlaggebend ist hierbei insbesondere der ohne die Erledigterklärung zu erwartende Verfahrensausgang, wobei lediglich eine summarische Prüfung der jeweiligen Erfolgsaussichten erfolgen kann.
Der Auskunftsanspruch hatte keine Aussicht auf Erfolg, da die Auskünfte mit Schreiben vom 30.03.2016 bereits erteilt waren.
Dem Schreiben vom 30.03.2016, das die Klägerin unstreitig erhalten hatte, waren die von der Klägerin gewünschten Auskünfte zu entnehmen, insbesondere konnte die Klägerin, die nach eigenen Angaben aus dem Schreiben vom 29.20.2012, Anlage K1, wusste, dass ein Kostenfestsetzungsbeschluss beantragt war, dem Schreiben entnehmen, dass dieser ergangen sein musste, da die Kostenerstattung in Höhe von 2.309,55 € von den Beklagten mitgeteilt wurde.
Die Herausgabe des Kostenfestsetzungsbeschlusses war nicht eingeklagt.
III. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
IV. Der Streitwert ergibt sich aus §§ 3, 5 ZPO.
Zum Leistungsanspruch in Höhe von 2.309,55 €, der im Rahmen der Stufenklage immer der höchste Anspruch ist (Rn. 16 zu § 3, Zöller, ZPO, 30. Auflage, 2014) hat das Gericht für den Auskunftsanspruch 10 % hinsichtlich der von der Klägerin geleisteten Zahlungen in Höhe von 4.124,19 €, also 412,19 € angesetzt, da sich der Auskunftsanspruch der Klägerin nach ihrem Vortrag auf diese Zahlungen bezog.

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