Aktenzeichen 1 HK O 24/17
Leitsatz
1 Der ordentliche Rechtsweg ist auch dann gegeben, wenn Gegenstand der Klage des Insolvenzverwalters gegen die Kommanditisten eine Gewerbesteuerforderung ist. § 171 Abs. 2 HGB bündelt die Forderungen der Gläubiger gegen die Kommanditisten in der Hand des Insolvenzverwalters, der als gesetzlicher Prozessstandschafter der einzelnen Gläubiger tätig wird.(Rn. 16 – 17) (redaktioneller Leitsatz)
2 Der Haftungsumfang des Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 HGB ist durch die Haftsumme, die Höhe des ausgezahlten Betrages und durch das Ausmaß der dadurch entstehenden Haftsummenunterdeckung begrenzt. (Rn. 22) (redaktioneller Leitsatz)
3 Die Haftungsanspruch gegen den Kommanditisten ist nur insoweit begründet, als die Leistung zur Befriedigung der Gesellschaftsgläubiger erforderlich ist. (Rn. 24 – 25) (redaktioneller Leitsatz)
4 Die Haftung des Kommanditisten erstreckt sich nicht auf die durch den Insolvenzverwalter begründeten Masseverbindlichkeiten und die Kosten des Insolvenzverfahrens. (Rn. 25) (redaktioneller Leitsatz)
Tenor
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110% des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.
Gründe
A. Hauptsache
Die zulässige Klage ist unbegründet.
I. Zulässigkeit
1. Der Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten ist gegeben, obwohl Gegenstand der Klage auch eine Gewerbesteuerforderung ist. § 171 Abs, 2 HGB bündelt die Forderungen der Gläubiger gegen die Kommanditisten in der Hand des Insolvenzverwalters, damit dieser einen geordneten Forderungsausgleich zwischen Gläubigern und den Kommanditisten herbeiführen kann. Dies ist nur möglich, wenn der Insolvenzverwalter sämtliche Forderungen in einem einheitlichen gerichtlichen Verfahren geltend machen kann. Dies gilt erst Recht, wenn man bedenkt, dass der Insolvenzverwalter die eingezogenen Beträge treuhänderisch – ggf. in den jeweiligen Sondermassen für die an diesen beteiligten Gläubiger – für die Gläubiger zu verwalten und an sie gemäß § 187 ff. InsO (quotal) auszuschütten hat (vgl. OLG Düsseldorf, Urteil vom 08.06.1989 – 6 U 218/88).
2. Einziehungsbefugnis/Prozessführungsbefugnis
Der Kläger ist prozessführungsbefugt. Der Kläger ist dem Grunde nach berechtigt, einen Haftungsanspruch nach § 171 Abs. 1 HGB geltend zu machen.
Wird über das Vermögen einer KG das Insolvenzverfahren eröffnet, so können die den Gläubigern zustehenden Haftungsansprüche gegen die Kommanditisten allein vom Insolvenzverwalter geltend gemacht werden, § 171 Abs. 2 HGB. Die Zusammenfassung in einer Hand dient der, gleichmäßigen Berücksichtigung der Gläubiger im Insolvenzverfahren und damit der Vermeidung des Wettlaufs der Gläubiger um die Haftungsinanspruchnahme des Kommanditisten (vgl. Haas/Mock in: Röhricht/Graf von Westphalen/Haas, HGB, 4. Aufl. 2014, § 171 Rn. 61). § 171 Abs. 2 HGB bildet dabei keine eigene Anspruchsgrundlage noch wird dadurch ein Forderungsübergang begründet. Vielmehr wird der Insolvenzverwalter mit treuhänderischer Einziehungsbefugnis als gesetzlicher Prozesstandschafter der einzelnen Gläubiger tätig (BGH Urteil vom 17.12.2015 – IX ZR 143/13). Er macht also fremde Rechte im eigenen Namen geltend.
II. Begründetheit
Dem Kläger steht gegen den Beklagten kein Anspruch aus § 171 Abs. 1, 2 i.V.m. § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB auf Zahlung von 27.200,00 € zu.
Der Kommanditist haftet den Gläubigern der Gesellschaft bis zur Höhe seiner Einlage unmittelbar; die Haftung ist ausgeschlossen, soweit die Einlage geleistet ist. Soweit die Einlage eines Kommanditisten zurückbezahlt wird, gilt sie den Gläubigern gegenüber als nicht geleistet. Das Gleiche gilt, soweit ein Kommanditist Gewinnanteile entnimmt, während sein Kapitalanteil durch Verlust unter den Betrag der geleisteten Einlage herabgemindert ist oder soweit durch die Entnahme der Kapitalanteil unter den bezeichneten Betrag herabgemindert wird, § 172 Abs. 4 Satz 2 HGB.
1. Umfang
Bereits auf Grundlage des Vortrages des Klägers ist davon auszugehen, dass der geltend gemachte Anspruch in Höhe von 7.299,15 € jedenfalls unbegründet ist.
Die vorgenommene Ausschüttung in dieser Höhe hat die Haftung des Kommanditisten insoweit nicht wieder aufleben lassen. Der Umfang, in dem die Haftung des Kommanditisten nach § 172 Abs. 4 HGB wieder auflebt, ist in dreifacher Hinsicht, nämlich durch die Haftsumme, die Höhe des ausgezahlten Betrages und durch das Ausmaß der dadurch gegebenenfalls entstehenden Haftsummenunterdeckung begrenzt. Die von dem Kläger geltend gemachte Ausschüttung für das Jahr 2002 in Höhe von 5.100,00 € hat jedoch gerade noch nicht zu einer Unterdeckung des Kapitalkontos geführt. Dies ergibt sich schon aus dem von dem Kläger selbst vorgelegten Verlauf des Kapitalkontos des Beklagten (Anlage K 18). Auch die im Jahre 2003 erfolgte Ausschüttung von weiteren 5.100,00 € hat nur zu einer Unterdeckung von 2.900,85 € geführt. Dementsprechend ist die Ausschüttung in Höhe von weiteren 2.199,15 € ebenfalls haftungsunschädlich gewesen (Gesamtsumme: 7.299,15 €).
2. Einwendungen im Übrigen
In diesem Zusammenhang kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger den ihm obliegenden Beweis für eine Ausschüttung im Jahre 2005 in Höhe von 5.100,00 € geführt hat. Allein aus dem Vorbringen des Klägers ist ersichtlich, dass die Einwendung des Beklagten, dass die Einforderung der Haftsumme für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht mehr erforderlich sei, durchgreift.
Der Gesellschafter kann grundsätzlich geltend machen, dass die Einforderung der Haftsumme für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger nicht mehr erforderlich ist (vgl. Haas/Mock, a.a.O., Rz. 74 zu § 171 m.w.N.). Abzustellen ist dabei auf den Zeitpunkt der letzten mündliehen Verhandlung.
Die Beweislast hierfür trägt der Kommanditist – der Insolvenzverwalter hat jedoch im Rahmen des ihm Möglichen, die für die Befriedigung der Gläubiger bedeutsamen Verhältnisse der Gesellschaft darzulegen (BGH, Urteil vom 11.12.1989 – II ZR 78/89). Ein Anspruch kann demgemäß nur insoweit begründet sein, als die Leistung zur Befriedigung derjenigen Gesellschaftsgläubiger, denen der Kommanditist haftet, erforderlich ist (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn, HGB, 3. Aufl. 2014, Rz. 96 zu § 171; BGH NJW 2011, 2351 Rn. 18). Eine Haftung des Kommanditisten ist jedoch in Bezug auf die durch den Insolvenzverwalter begründeten Masseverbindlichkeiten nicht gegeben (vgl. Haas/Mock a.a.O., Rz. 62 zu § 171 HGB; (Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn a.a.O. Rz. 94 zu § 171 HGB; BGH, Teil-Urteil vom 24.09.2009 – IX ZR 234/07 -, Juris). Gleiches gilt auch für die Kosten des Insolvenzverfahrens gemäß § 54 InsO (vgl. BGH a.a.O.).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze hat die von dem Kläger geltend gemachte Gläubigerforderung des Finanzamtes (Insolvenztabelle Nr. 5.) in Höhe von 1.064.667,10 € für die Bewertung, ob die Haftsumme für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erforderlich ist, außer Betracht zu bleiben, da es sich insoweit um eine Masseverbindlichkeit gemäß § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO und nicht um eine Insolvenzforderung nach § 38 InsO handelt.
Insolvenzforderungen nach § 38 der Insolvenzordnung sind solche Forderungen, die zur Zeit der Eröffnung des Insolvenzverfahrens begründet waren. Die Abgrenzung zwischen Insolvenzforderung und sonstigen Masseverbindlichkeiten richtet sich ausschließlich nach dem Zeitpunkt der insolvenzrechtlichen Begründung. Auf die steuerliche Entstehung der Forderung und deren Fälligkeit kommt es dagegen nicht an. Entscheidend ist, wann der Rechtsgrund für den Anspruch gelegt wurde. Der Rechtsgrund für einen abstrakten Steueranspruch ist gelegt, wenn der gesetzliche Besteuerungstatbestand verwirklicht wird. Ob und wann ein Besteuerungstatbestand nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit insolvenzrechtlich begründet ist, richtet sich auch im Anschluss an die Eröffnung des Insolvenzverfahrens ausschließlich nach steuerrechtlichen Grundsätzen. Im Fall der Veräußerung eines Wirtschaftsgutes durch den Insolvenzverwalter wird der Besteuerungstatbestand mithin durch diese Handlung nach Insolvenzeröffnung vollständig verwirklicht und damit insolvenzrechtlich begründet, weshalb die aus der Gewinnrealisierung resultierende Einkommenssteuer als sonstige Masseverbindlichkeit im Sinne des § 55 Abs. 1 Nr. 1 InsO zu qualifizieren ist (BFHE 241, 233). Diese Rechtsprechung gilt gleichermaßen für eine aus dem Verkauf resultierende Gewerbesteuerforderung. Auch diesbezüglich kommt es darauf an, wann der Besteuerungstatbestand nach seiner Art und Höhe tatbestandlich verwirklicht und damit insolvenzrechtlich begründet ist. Die Gewerbesteuer wird gemäß § 16 des Gewerbesteuergesetzes aufgrund des Steuermessbetrages festgesetzt, der sich gemäß § 11 Gewerbesteuergesetz unter Anwendung einer Steuermesszahl auf den Gewerbeertrag ermittelt. Der Gewerbeertrag seinerseits ist der nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes oder des Körperschaftssteuergesetzes zu ermittelnde Gewinn aus dem Gewerbebetrieb, vermehrt und vermindert um die in den §§ 8 und 9 Gewerbesteuergesetz bezeichneten Beträge. Aus der Anknüpfung an die Gewinnermittlung nach den Vorschriften des Einkommensteuergesetzes folgt, dass die Begründung der Gewerbesteuerforderung nicht anders beurteilt werden kann als die der Einkommenssteuerforderung.
Dementsprechend ist bei der Prüfung, ob die Einforderung der Haftsumme für die Befriedigung der Insolvenzgläubiger erforderlich ist – wenn überhaupt – lediglich auf folgende Gläubigerforderungen abzustellen:
Festgestellte Insolvenzforderungen EUR 684.241,00 zzgl. Insolvenzforderungen der … N. AG EUR 1.708.225,00 zzgl. bestrittene Insolvenzforderungen EUR 152.804.70 Gesamtgläubigerforderungen: EUR 2.545.270.70.
Die vorhandene Masse ist jedoch ausreichend, um diese Gläubigerforderungen in Gänze zu bedienen. Zwar kann in diesem Zusammenhang nicht auf den gesamten Anderkontobestand abgestellt werden, da aus diesem dem Grunde nach vorrangig die Masseverbindlichkeiten gemäß § 209 InsO zu begleichen sind. Dies gilt allerdings nicht für die Beträge, die sich rechnerisch aus den nach § 171 Abs. 2 HGB eingeforderten Leistungen von Kommanditisten ergeben. Diese Leistungen sind rechnerisch als Sondermasse zu verwalten und entsprechend zu verteilen, also ausschließlich auf die bestehenden „Altverbindlichkeiten“ (vgl. Ebenroth/Boujong/Joost/Strohn a.a.O. Rz. 95 zu § 171; Haas/Mock a.a.O. Rz. 86 zu § 176 HGB; BGH vom 10.05.1978 – VIII ZR 32/77).
Nach dem eigenen Vorbringen des Klägers hat dieser jedoch bereits einen Betrag in Höhe von 2.987.649.44 € eingezogen (vgl. Anlage K 16).
Dieser – ausschließlich für die sogen. Altgläubiger – zu verwendende Betrag deckt jedoch die oben vom Kläger selbst dargestellten Forderungen.
B. Nebenentscheidungen
Die Nebenentscheidungen finden ihre Rechtsgrundlage in §§ 91, 709 Satz 1 ZPO.